Erdwärme:Brisantes Geschäft

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Übernimmt jetzt ganz das Steuer: Grünwalds Bürgermeister Jan Neusiedl (rechts) - hier mit seinem Unterhachinger Amtskollegen Wolfgang Panzer bei der Inbetriebnahme des Wärmeverbunds vor vier Jahren. (Foto: Privat)

Grünwald erhöht seinen Anteil an der defizitären Unterhachinger Geothermie-Gesellschaft auf 95 Prozent, obwohl Kritiker vor weiteren Verlusten warnen. Das störanfällige Kalina-Kraftwerk wird wohl endgültig stillgelegt.

Von Michael Morosow, Grünwald/Unterhaching

Über viele Jahre hing der Gemeinde Unterhaching ihre Geothermie-Anlage wie ein Klotz am Bein und schrieb rote Zahlen in Höhe von mehreren Millionen Euro jährlich. Nach dem vor einer Insolvenz bewahrenden Verkauf von 50 Prozent der Geothermie Unterhaching Produktions GmbH und Co. KG an die Erdwärme Grünwald vor vier Jahren steigt die Gemeinde offenbar nahezu komplett aus dem defizitären Geschäft aus. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung stößt Unterhaching nun auch den verbliebenen Anteil fast zur Gänze ab.

Im nichtöffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend in Grünwald sollte der Kauf von weiteren 45 Prozent Anteilen an der Unterhachinger Gesellschaft beschlossen werden - zum Schnäppchenpreis von circa 2,5 Millionen Euro. Eine Zustimmung der Gemeinderatsmehrheit galt als so gut wie sicher.

Der Betrag entspricht angeblich dem Kapitalbedarf, den die Unterhachinger Geothermiegesellschaft aktuell nicht decken kann. "Mehr ist das Ding auch nicht mehr wert", sagt ein Insider, der namentlich nicht genannt werden will. Wie schon beim ersten Kaufvertrag zwischen beiden Kommunen dringen auch dieses Mal offiziell keine Details an die Öffentlichkeit.

Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer der Unterhachinger Produktions GmbH und Co. KG, lehnte am Dienstag jegliche Stellungnahme zu diesem Thema ab. Der Pressesprecher der Gemeinde Unterhaching, Simon Hötzl, wollte nicht explizit mitteilen, ob und wann der Unterhachinger Gemeinderat den für einen Verkauf notwendigen Gesellschafterbeschluss fassen wird. "Am Mittwoch ist Gemeinderatssitzung, da gibt es auch einen nichtöffentlichen Teil", teilte der Rathaussprecher aber auf Anfrage vielsagend mit. Grünwalds Bürgermeister Jan Neusiedl wollte am Dienstag nicht einmal bestätigen, dass der Gemeinderat am gleichen Abend unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu dem Thema tagen wird.

Das "Ding" ist nicht mehr viel wert

Dass "das Ding", die Produktions GmbH und Co. KG, nicht mehr viel wert ist, liegt vor allem an der Tatsache, dass die einst als zukunftsträchtige Innovation gelobte Kalina-Anlage keine Zukunft mehr hat, sondern bald der Abrissbirne zum Opfer fallen wird. Wie berichtet, produziert die Anlage seit August dieses Jahres keine Kilowattstunde Stunde Strom mehr, weil wie schon so oft zuvor die Dichtungen nicht mehr hielten und somit die Anlage abgeschaltet werden musste. Dieses Mal aber für immer. Überlegungen, abermals Geld für eine weitere Reparatur in die Hand zu nehmen, wurden von beiden Seiten bereits vor Wochen verworfen. Die zum Produktionsstart im Jahr 2009 als "Gelddruckmaschine" apostrophierte Kalina-Anlage sollte nicht weiter Kostentreiber sein.

Warum die Unterhachinger Wert darauf legen, wenigstens fünf Prozent Anteile an der Produktionsgesellschaft zu halten, liegt auf der Hand: So sind sie nicht total aus dem Spiel. Ob sich aber die Grünwalder Geothermiebetreiber nunmehr weiterhin den Unterhachinger Wolfgang Geisinger als zweiten Geschäftsführer neben Andreas Lederle leisten wollen, diese Frage soll noch nicht beantwortet sein. "Er wird wohl nicht gekündigt werden", sagt ein Insider der Grünwalder Geothermie.

Das Leitungsnetz verbleibt hingegen im alleinigen Besitz der Unterhachinger Geothermiegesellschaft. Beobachter der Szene bezweifeln aber, dass die Unterhachinger Netzgesellschaft auf lange Sicht überlebensfähig ist, nicht zuletzt weil einige teuren Reparaturen anstehen sollen Während es im Unterhachinger Gemeinderat wohl kaum noch jemanden geben dürfte, der etwas gegen den fast kompletten Verkauf der Anteile einzuwenden hat, bleibt der Deal im Grünwalder Gemeinderat umstritten - zumal nach der Vorstellung der Bilanz der Geothermie Unterhaching Produktions GmbH und Co. KG, die dem Grünwalder Geothermie-Ausschuss in der Vorwoche präsentiert worden ist: 790 000 Euro Verlust im Jahr 2016.

FDP will die Finger von dem Geschäft lassen

Diese Zahlen sind Wasser auf den Mühlen all jener Grünwalder Gemeinderäte, die seit jeher Kritik an einer Beteiligung der Erdwärme Grünwald (EWG) an der Unterhachinger Geothermiegesellschaft üben und ihre Bedenken wohl auch in der Dienstagssitzung des Gemeinderats vorgetragen haben. Dazu zählen die Mitglieder der FDP-Fraktion mit Ausnahme von Matthias Schröder. Ihrer Meinung nach sollte die Gemeinde nicht ihre Anteile an der einst im Alleinbesitz der Gemeinde Unterhaching stehenden Geothermiegesellschaft auf 95 Prozent erhöhen, sondern im Gegenteil komplett die Finger wegnehmen von dem Geschäft mit den Geothermiebetreibern aus der Nachbargemeinde. Das heißt: Die EWG soll ihren 50-prozentigen Anteil an der Unterhachinger Geothermiegesellschaft weiterveräußern. Wie berichtet, schweben der FDP als Käufer ein anderes Energieunternehmen wie etwa die Stadtwerke München oder ein Finanzinvestor vor.

Auch die Grünen argumentieren gegen eine Erhöhung der Grünwalder Anteile und sehen sich in ihrer Ablehnung durch die jüngst veröffentlichten Negativzahlen aus dem Unterhachinger Geothermie-Lager bestätigt. Jedes Jahr werde es schlimmer mit den Verlusten, weil unvorhergesehene Dinge passierten, sagte zuletzt die Grünen-Gemeinderätin Ingrid Reinhart, die schon vor einer Woche angekündigt hatte, gegen eine Erhöhung der Anteile stimmen zu wollen, wie dies auch Oliver Schmidt von den Parteifreien Bürgern Grünwald (PBG) getan hat. Es sei genau das eingetreten, was man von Anfang an befürchtet habe, sagte Schmidt. Er wolle auf keinen Fall noch mehr Geld in das Projekt stecken. Sonst blieben andere Projekte "auf der Strecke", warnte der parteilose Gemeinderat.

© SZ vom 13.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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