Grünwald:Schafskälte

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Von rechtlichen Rahmenbedingungen haben die Schafe Anita, Sophie und Rufus noch nie gehört. Trotzdem müssen sie jetzt deswegen umziehen. Die Vorsitzende des Vereins "Menschen brauchen Tiere", Ina Kirchhoff, hat eine letzte Frist bekommen, um die Tiere wegzubringen. (Foto: Claus Schunk)

Der Begegnungshof Wörnbrunn muss nach fünf Jahren schließen. Die Bayerischen Staatsforsten wollen den Vertrag nicht verlängern, weil der Betreiberverein rechtliche Vorgaben nicht erfüllt haben soll

Von Claudia Wessel, Grünwald

Die Schafe Anita, Sophie und Rufus und die Ziegen Bromm, Herbert, Ruth und Helene sind noch übrig von den ehemals insgesamt 15 vierbeinigen Bewohnern des Begegnungshofes Wörnbrunn. Die anderen Ziegen und Schafe wurden bereits auf anderen Höfen in Bayern untergebracht. Am Montag werden auch die letzten sieben abgeholt. Sie sollen nach Nürnberg.

Das ist dann das traurige Ende des erfolgreichen Projekts von Ina Kirchhoff, das fünf Jahre lang viele Begegnungen zwischen Mensch und Tier ermöglicht hat. Die Umweltpädagogin hat in dieser Zeit viele Veranstaltungsideen umgesetzt, die sehr gut ankamen. Etwa "Ein Tag mit Schafen" für Kinder wie für gestresste Manager, an dem diese die Tiere versorgen und streicheln durften und anschließend Stockbrot am Lagerfeuer buken.

Auch der Kreisjugendring war mit dabei

Begeistert davon waren nicht nur Eltern und Kinder, sondern auch das Stadtjugendamt München und der Kreisjugendring, die mit dem Begegnungshof kooperierten. Die Veranstaltungen waren laut Kirchhoff schnell ausgebucht. Kindergärten nicht nur aus Grünwald, sondern auch aus den umliegenden Gemeinden kamen gerne und regelmäßig. Die Gemeinde Grünwald förderte den Hof mit Haushaltsmitteln.

Der Grund für das Aus des Projekts liege in rechtlichen Rahmenbedingungen, sagt Wilhelm Seerieder, Forstbetriebsleiter der Bayerischen Staatsforsten, denen das Alte Forsthaus Wörnbrunn gehört und die das Areal an Ina Kirchhoff und ihren Verein vermietet haben. Der Gestattungsvertrag für Tierhaltung mit dem Verein "Menschen brauchen Tiere", den Ina Kirchhoff 2011 gegründet hat, ist bereits Ende 2015 ausgelaufen.

Um ihn zu verlängern, fehlten seitens des Betreibers wichtige Unterlagen, sagt Seerieder. Da ging es um die Betriebserlaubnis, um den Brandschutz, um baurechtliche Probleme, weiterhin um eine Trennung zwischen Vereins-und Privatgelände und um vieles mehr. Ina Kirchhoff beteuert, sie habe ihr Bestes gegeben, um alle geforderten Unterlagen zu besorgen. Doch offensichtlich war die juristische Materie so kompliziert, dass sie nicht alles richtig machte. Bis heute sind die Unterlagen jedenfalls nach Auskunft der Staatsforsten nicht komplett.

Die Staatsforsten beteuern, um Geld sei es nie gegangen

Wir hatten den Vertrag noch mal um zwei Monate verlängert, bis Ende Februar 2016", sagt Forstbetriebsleiter Seerieder. Und selbst nach dieser Frist habe man noch abgewartet, ohne sofort mit Konsequenzen zu drohen. "Daran sehen Sie, dass wir diese Einrichtung eigentlich gut heißen. Bei meinen Holzkunden bin ich nicht so geduldig, da läuft das Geschäft knallhart." Es sei den Bayerischen Staatsforsten auch nie um Geld gegangen bei den Differenzen mit dem Verein, versichert Seerieder. "Wir erwirtschaften 95 Prozent aus dem Holzverkauf."

Nach 14 Monaten verlor man jedoch die Geduld und setzte eine Frist, die Tiere bis Dienstag, 28. Februar, fortzuschaffen. Doch die Forstbetriebe wollen nicht als Feinde des Projekts dastehen. Deshalb sagt Seerieder: "Wir können noch mal darüber reden." Voraussetzung sei jedoch, dass innerhalb eines Monats alle noch fehlenden Unterlagen eingereicht würden.

Doch die ehemalige Szenenbildnerin Kirchhoff, die erst für ihre Tätigkeit im Verein "Menschen brauchen Tiere" eine Weiterbildung zur Umweltpädagogin absolvierte, ist mit den Nerven am Ende. Wohl weil sie weniger in juristischen Rahmenbedingungen als in zwischenmenschlichen Kategorien denkt. Bei der Führung vorbei an den leeren Ställen, an denen noch die liebevoll in Holz geschnitzten Tiernamen stehen, kommen ihr die Tränen.

Bromm war acht, als er auf den Hof kam

Der Abschied von den Tieren fiel und fällt ihr schwer. Bromm beispielsweise, den schwarzen Ziegenbock, hat sie im Alter von acht Wochen bekommen. Viele andere Schafe und Ziegen sind auf dem Begegnungshof geboren.

Noch viel trauriger sind viele Kinder und Eltern. Auf der Homepage des Vereins gibt es unzählige Stimmen, auch von Kindern geschriebene Briefe sind dort abgebildet, in sorgfältiger Kinderschrift. "Liebe Ina, ich finde es sehr sehr traurig, dass du den ... Hof zumachen musst, ich würde helfen, wenn du Hilfe braucht, Dein Benny" ist da zu lesen. "Das ist ja schrecklich... gerade vor ein paar Tagen habe ich geplant, mich bei Ihnen zu melden, um wieder einen Tag bei Ihnen mit meiner Schulklasse auszumachen", schreibt eine Lehrerin. Und eine Mutter: "Unsere Tochter hat bei dem Ferienprogramm ,Vom Glück Schafe zu hüten' mitgemacht und war so begeistert. Wir hatten uns schon gefreut, weil sie wieder mitmachen wollte ... Ich fand es einzigartig, wie Sie es verstanden haben, in so kurzer Zeit eine so innige Bindung der Kinder zu den Tieren entstehen zu lassen."

Auch wenn laut Seerieder noch eine letzte Chance besteht - der "Zauber" des Ortes, von dem jemand auf der Homepage schreibt, ist erst einmal dahin.

© SZ vom 25.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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