Garching:Zelte für Zebus

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Christine Scherr, Besitzerin von 135 Tieren, hat Probleme mit dem Landratsamt, das ihr nicht artgerechte Haltung vorwirft. Ein Vorwurf ist das Fehlen von Unterständen im Winter. Mit einem Tag der offenen Weide werden Helfer gesucht.

Von Gudrun Passarge, Garching

Feli ist alles andere als scheu. Die braune Zebukuh hat Marie-Sophie Scherr auf der Weide entdeckt und fordert sofort ihre Streicheleinheit ein. "Das ist mein Flaschenkind", erklärt die 24-Jährige, die das Kalb seinerzeit aufgezogen hat. Andere Zwergzebus sind auch neugierig geworden und nähern sich, wenn auch etwas vorsichtiger als Feli, den Besuchern. "Sehen Sie doch, wie entspannt und ruhig sie sind. Sehen Sie eine Unterernährung?", will Christine Scherr wissen. Genau das war einer der Vorwürfe des Veterinäramts im Landratsamt München. Noch grasen die Zebus friedlich in Hochbrück, aber ihre Zukunft ist ungewiss. Das Landratsamt hatte Christine Scherr die Rinderhaltung untersagt, sie hat gegen diesen Bescheid geklagt, vor Gericht verloren, jetzt geht sie in Berufung. Ende offen.

Es war Rudolf-Konrad Graf von Montgelas, der den Ausschlag gab, dass Christine Scherr unter die Zebuzüchter ging. Der inzwischen verstorbene Vorsitzende des Verbands der bayerischen Wildhalter fachsimpelte bei einem Verbandstreffen mit ihr und ihrem damaligen Lebensgefährten, der zu dieser Zeit noch Charolais-Rinder hielt. Der Graf habe abgewinkt. "Er hat gesagt, wenn Sie einmal ein Zebu gegessen haben, dann wissen Sie, das schmeckt noch besser." So jedenfalls erzählt die 66-Jährige die Geschichte, wie sie zu ihrer Herde kam.

Der Streit mit den Behörden zieht sich seit zehn Jahren hin

Sie hatte schon zuvor einige Informationen gesammelt, dann stand der Entschluss fest. 2004 holten sie elf Zebus von St. Wolfgang auf den Bauernhof nach Ismaning. Seit damals ist viel passiert. Der Lebensgefährte verlor in einem Erbstreit den Hof, und nicht nur Christine Scherr und ihre Tochter waren plötzlich heimatlos, sondern auch die Zeburinder. Zuvor hatten sie den Winter im Stall verbracht, das war nun nicht mehr möglich. Scherr musste schnell handeln, sie war seit 2013 alleinige Halterin der Herde, die der frühere Lebensgefährte aber nach wie vor versorgt. Zum Glück fand sie einen Bauern im Landkreis Erding, der einigen ihrer Tiere einen Platz in seinem Stall gab. Die übrigen Zebus wurden auf ein Gelände an der Ingolstädter Landstraße in Hochbrück gebracht, wo sie heute noch weiden.

Doch der Erbstreit, der alle sehr belastet habe und auch dazu führte, dass Mutter, Tochter und ehemaliger Lebensgefährte krank wurden, war nicht der einzige Kampf, den Christine Scherr zu führen hatte. In der jüngsten Gerichtsverhandlung, in der es um die Klage gegen das Verbot der Rinderhaltung ging, wurde deutlich, dass es einen offenbar für beide Seiten zermürbenden Prozess gab. Das Veterinäramt forderte und Christine Scherr hielt die Vorgaben nicht ein, zum einen, weil sie sie als Schikane empfand, zum anderen auch, weil sie finanziell nicht sofort die Mittel hatte. Sie bekam eine Fristverlängerung, die wiederum verstrich, das Amt verlor die Geduld und ergriff selbst Maßnahmen. Als der Richter einen Kompromissvorschlag machte, winkten die Vertreterinnen des Veterinäramts nur ab. "Seit zehn Jahren kämpfen wir schon", lautete der entnervte Kommentar, Fortsetzung unerwünscht.

"Die Ohren der Kälber sind viel zu klein für Ohrenmarken."

Die Vorwürfe des Amts sind zahlreich. Die Tiere hätten zu wenig Platz, im Winter fehle ein Unterstand, den sie aber dringend als Schutz benötigten, die Tiere seien im Winter teils unterernährt gewesen, von toten Tieren war die Rede und von einer Seuchenprüfung, die nicht ordentlich erfolgt wäre. Christine Scherr würde gerne alle Vorwürfe entkräften, bekommt aber vor Gericht nicht die Gelegenheit dazu. Inzwischen hat das Amt im Winter selbst Zelte aufbauen lassen und die Scherrs haben noch einen sehr provisorischen Teil angebaut. Sie beharren nicht mehr auf ihrer Meinung, dass die Kiefern den Tieren im Winter genügend Schutz bieten würden. Tochter Marie-Sophie hatte im Gericht davon gesprochen, dass sie gerne einen stabilen Unterstand bauen würde. Aber wer leiht ihr das Geld dafür, wenn nicht klar ist, was mit der Herde passiert?

Christine Scherr hat mehrere Aktenordner im Auto, die sie bei Bedarf herausziehen kann. Diplomarbeiten und Fachbücher über Zebus, Gerichtsunterlagen, Gesprächsprotokolle. Sie hat auf alle Vorwürfe eine Antwort. Ja, es stimmt, ihre Kälber bekämen keine Ohrmarken. Tochter Marie-Sophie regt sich bei diesem Thema sehr auf und zeigt sofort auf die Kälbchen auf der Weide. "Die Ohren der Kälber sind viel zu klein für diese Ohrmarken." Würde man sie gleich nach der Geburt markieren, würde das Ohr häufig reißen oder sich entzünden. Wie auf Kommando kommt eine Kuh mit geteiltem Ohr vorbei. Inzwischen gebe es zwar schon extra kleine Marken für Zebus, aber auch die seien noch zu groß. "Warum kann man die Kälber nicht chippen?", fragt Christine Scherr. Die 66-Jährige sagt, es sei in der EU erlaubt, Zebukälber erst mit sechs Monaten zu markieren. Das Landratsamt akzeptiere das jedoch nicht.

Prozess
:115 Zebu-Rindern bei Garching droht die Schlachtung

Die Tiere mussten wegen eines Erbstreits einen Bauernhof verlassen. Weil jetzt ein Unterstand und ausreichend Weidefläche fehlen, verbietet das Landratsamt die Haltung - und bekommt vor Gericht recht.

Von Gudrun Passarge

40 oder 50 Tiere würden Christine Scherr reichen

Und so nutzte auch die letzte aufwendig durchgeführte Blutuntersuchung der Zebus nichts, auch wenn diesmal wirklich alle untersucht wurden, wie Scherr betont. Letztlich waren es die unmarkierten Kälber, wegen denen die Züchterin die Seuchenbescheinigung nicht bekommen hat, sagt das Amt. Denn für diese Untersuchung muss das Blut aller Tiere genommen werden und es muss zuzuordnen sein, wem es gehört. "Aber wenn die Mütter gesund sind, wie sollen dann die Kälber krank sein?", fragt die Tochter. Für Scherr hat das gravierende Folgen, denn nur mit der IBR-Bescheinigung darf sie lebende Tiere verkaufen. Sie erzählt von einem Interessenten, der ihren schwarz-weißen Bullen haben wollte. Zwei Jahre habe er gewartet, nun hat er sich anderweitig umgetan.

Scherr ist ratlos. "Das kann doch nicht sein, dass man mich so in der Luft hängen lässt." Sie würde ihre Herde, es sind momentan 135 Tiere, nur zu gerne verkleinern. 40 oder 50 Tiere, das würde ihr reichen und ihrer Tochter sowieso, die die Herde gerne übernehmen würde. Aber der Mutter sind die Hände gebunden. Lebende Tiere darf sie nicht verkaufen, das einzige, was sie machen darf, ist die Tiere zum Schlachter zu bringen. Das Fleisch dürfte sie dann direkt vermarkten. Aber dazu bräuchte sie Zeit, und die wird momentan von diversen Gerichtsverfahren aufgefressen, schildert sie ihr Problem.

Doch das Gericht hat Christine Scherr, hier mit ihrer Tochter Marie-Sophie, die Haltung untersagt. Die Züchterin geht gegen das Urteil in Berufung. (Foto: Passarge)

"Wenn man nicht aufgibt, findet man immer einen Weg."

In der Berufung rechnet sie sich neue Chancen aus, sagt die Frau, die mittlerweile im Landkreis Dachau wohnt. Immerhin hatte ihr der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Verhandlung bestätigt, dass sich die Tiere bei ihr in guten Händen befänden. Vor allem hofft sie darauf, dass diesmal Sachverständige hinzugezogen werden, die sie unterstützen könnten. Erstaunlich, woher Christine Scherr die Kraft nimmt, immer noch weiter zu kämpfen. "Ich bin ein gläubiger Mensch, und ich denke, wenn man nicht aufgibt, findet man immer einen Weg. Die Tiere zu retten ist genug Motivation. Vor allem für meine Tochter. Sie hängt noch mehr an ihnen als ich."

Die Zebus haben inzwischen das Interesse an der kleinen Gruppe verloren. Sie zupfen sich Heu oder liegen auf dem Boden, um in Ruhe wiederzukäuen. "Wir wollen auf jeden Fall einen Tag der offenen Weide machen", sagt die Tochter. Die Leute sollen sehen, dass es den Tieren gut geht. Und vielleicht, so hofft die 24-Jährige, gebe es ja auch Leute, die helfen würden, einen etwas stabileren Unterstand zu bauen. Das wäre schon mal ein kleiner Schritt.

Der Tag der offenen Weide an der Ingolstädter Landstraße 110 soll am Sonntag, 14. August, stattfinden. Beginn um 10 Uhr.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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