Forschung:Maximale Belastung

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Die Mitarbeiter des unabhängigen Instituts Fogra in Aschheim entwickeln die Drucktechnik weiter und erforschen neue Technologien, die Geldscheine, Kreditkarten und Ausweise fälschungssicher machen sollen

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Der Euro ist ziemlich sicher, davon ist Arne Müller überzeugt. Er sagt das nicht einfach so, sondern nach eingehender fachlicher Prüfung. Für Broker und Anleger ist diese Analyse gleichwohl weniger gedacht - Müllers Werkzeuge sind keine ökonomischen Modelle, sondern ein grauer Kasten, der von außen zunächst etwas unscheinbar wirkt. Als Müller einen Geldschein ins Innere legt, offenbart er jedoch seine Fähigkeiten. Je nach Einstellung macht das Gerät erkennbar, was alles in dem blauen Schein verborgen ist. In Pixelgröße verstecken sich darin Zahlen und Mikrotext, fluoreszierende Fadenmuster scheinen unter UV-Lichtbestrahlung auf. Solche so genannten "hidden images", Sicherheitsmerkmale, besitzen alle modernen Geldscheine und Ausweisdokumente - vorausgesetzt, sie sind echt. Ob dem so ist und wie offizielle Dokumente möglichst fälschungssicher gestaltet werden, das testen Arne Müller und seine Kollegen mit Hilfe des grauen Kastens. Ein so ausgereiftes Forensikanalysesystem nutzten sonst nur das Bundes- und das Landeskriminalamt, sagt Müller. Seit Kurzem steht auch eines davon in Aschheim: bei Müllers Arbeitgeber, der Fogra.

Unter dem Rasterelektronenmikroskop prüft ein Mitarbeiter die Oberflächenstruktur eines neuen Geldscheins. (Foto: Claus Schunk)

Das "Forschungsinstitut für Medientechnologien", wie Fogra heute heißt, hat den Flachbau im Dornacher Gewerbegebiet frisch bezogen, es ist das erste eigene Haus der Einrichtung. "Die Fogra", wie die Mitarbeiter noch immer sagen, wurde 1951 gegründet als "Deutsche Gesellschaft zur Förderung der Forschung im graphischen Gewerbe" und ist als Verein organisiert. Die etwa 800 Mitglieder sind große und kleine Unternehmen aus allen Bereichen der Druckbranche, die das Institut gemeinsam unterhalten, um nach Lösungen für praktische Probleme aus dem Arbeitsalltag zu suchen und die Drucktechnik weiterzuentwickeln. "Wir sind wie eine verlängerte Werkbank", sagt Rainer Pietzsch. Ein gemeinsames Prüflabor, eine Art Stiftung Warentest für die Druckbranche, mit dem Unterschied, dass sie auch auf Auftrag Gutachten erstellt. Als Pietzsch bei der Fogra anfing, sollte es nur ein Übergangsjob werden nach dem Ingenieursstudium. Heute führt er als stellvertretender Geschäftsführer stolz durch das neue Institutsgebäude. "Es ist nach wie vor extrem wichtig, dass es ein unabhängiges Forschungsinstitut gibt", sagt Pietzsch. Das findet offensichtlich auch die Politik. Zur Eröffnung des neuen Gebäudes, in dem auch der Landesverband Druck und Medien seinen Sitz hat, im Mai kam der bayerische Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer. Etwa dreißig Prozent des laufenden Institutsetats finanzieren Bund und Freistaat über Zuschüsse zu den Forschungsprojekten.

In der Ganzkörperkabine testet der stellvertretende Geschäftsführer Rainer Pietzsch die Qualität von Scannern für 3D-Drucke. (Foto: Claus Schunk)

Die haben sich seit Gründung der Fogra in einigen Punkten verändert. Einerseits bei den Trägermedien selbst, längst wird nicht mehr nur Papier bedruckt, Plastik und Verpackungen spielen eine große Rolle. Hinzu kommen neue Techniken. "Und auch die Ansprüche an Druckartikel sind gestiegen", sagt Pietzsch. "Denken Sie an Sicherheitsdrucke für Ausweise, oder dass Daten über eine Entfernung hin übertragbar sein sollen." Ausschlaggebend für die Gründung der Fogra war in den Fünfzigerjahren der Wunsch nach einer Prüfstelle, um Druckverfahren auf wissenschaftliche Füße zu stellen und einheitlich zu gestalten. Dass zum Beispiel ein hellblauer Zeitschriftentitel beim nächsten Druck auf einer anderen Maschine wieder in demselben Blau erscheint, ist der Standardisierung der Prozesse zu verdanken und gemeinsamen, international anerkannten Normen - an denen meist die Fogra beteiligt ist. Druckereien können sich etwa von der Fogra zertifizieren lassen, wenn sie im Test nachweisen, dass sie gemäß dem Prozessstandard Offsetdruck (PSO) oder analog nach dem Prozessstandard Digitaldruck (PSD) arbeiten.

Im Passbild befindet sich eine kaum sichtbare Schrift. (Foto: Claus Schunk)

Doch die Drucktechnik ist nicht der einzige Bereich, in dem die knapp 50 Fogra-Mitarbeiter - Ingenieure, Chemiker, Physiker, Informatiker und mehr - in Aschheim tätig sind. Im Chemielabortrakt untersuchen Mitarbeiter unter anderem, wie umweltschonend gedruckt werden kann und welche Waschmittel für die einzelnen Druckmaschinentypen geeignet sind. Wie sehr sich das Arbeitsfeld Druck gewandelt hat, lässt sich in der Abteilung Vorstufentechnik erkennen. Dort beschäftigen sich Leiter Andreas Kraushaar und seine Kollegen aktuell mit 3D-Druck. Wie muss ein 3D-Scanner optimal arbeiten, damit die Daten, die er sammelt, möglichst wenig Nachbearbeitung benötigen? Dabei gilt, wie auch beim zweidimensionalen Druck, eine Grundregel: "Licht ist der wesentliche Einflussfaktor für Farbe", sagt Kraushaar. Ein wichtiges Standbein der Fogra ist das Prüflabor für ID-Karten und Passdokumente unter der Leitung von Arne Müller. Regelmäßig bekommen die Mitarbeiter Prüfaufträge auch von staatlichen Stellen, welche, darüber bewahrt Müller Stillschweigen. Meistens geht es um die Fälschungssicherheit oder, noch häufiger, Haltbarkeitstests. Müller und seine Kollegen unterziehen die Ausweise, Führerscheine oder Bankkarten dann der möglichen Maximalbelastung im Alltag, wobei die gewünschte Lebensdauer von mehreren Jahren verdichtet simuliert wird. Im Labor müssen die Karten dann kratzendem Keramikgranulat und Weichmachern widerstehen, Hautfett und Schweiß; sie werden in Zuckerwasser eingelegt und 24 Stunden in der Salznebelkammer befeuchtet - schließlich darf die Kreditkarte auch nicht nach einer Wanderung im Regenwald schlapp machen. Auch den Strandbesuch soll sie überstehen, im Labor heißt das: UV-Lichtbestrahlung und Klimaschrank. Dabei darf sich weder die Druckfarbe verändern noch die Plastikbeschichtung von der Karte lösen und die elektronisch auslesbaren Informationen müssen erhalten bleiben. Eine Komplettprüfung dauert etwa vier bis sechs Wochen. Neben dem Standardszenario kann Müller die Karten auch auf individuelle Belastungen hin testen, teils mit eigens entwickelten Prüfmaschinen. "In den USA zum Beispiel ist Coca-Cola-Beständigkeit ein übliches Kriterium, in Russland Wodka", sagt Müller.

In welchen Bereichen die Fogra ihre Forschung künftig weiter vorantreibt, entscheiden Vertreter aus den Mitgliedsbetrieben und Forscher gemeinsam. Die Druckbranche befindet sich immer noch im Wandel. Die Digitalisierung stellt die Unternehmen vor Herausforderungen, die Zahl der Betriebe in Deutschland nimmt ab; Mitte 2017 zählte die Bundesagentur für Arbeit noch 8084 mit gut 133 000 Beschäftigten.

Die Zukunft, sagt Pietzsch, sehe er daher auch international. Aktuell haben etwa 35 Prozent der Fogra-Mitglieder ihren Sitz nicht in Deutschland, sondern im Ausland. Inhaltlich könnte die Energiegewinnung ein Forschungsthema für die Branche werden. In einem gemeinsamen Projekt mit der Uni Aachen untersucht eine Fogra-Gruppe gerade, wie die noch junge Technologie der organischen Fotovoltaik auf Textilien genutzt werden kann - womöglich kann einmal die Spezialmarkise den Strom für den Elektrogrill auf der Terrasse liefern. "Man darf nie vergessen: Drucken heißt beschichten", sagt Pietzsch. Und das beschränkt sich längst nicht mehr allein auf Papier.

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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