Engagement:"Ich treffe hier auch meine Freunde"

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Feuerwehrmänner aus Überzeugung: Kilian Wicklmayr, 16, ist kürzlich zum Jugendsprecher der Freiwilligen Feuerwehr Garching gewählt worden, Thomas Hegering, 43, kümmert sich als Jugendwart um den Nachwuchs. (Foto: Stephan Rumpf)

Kilian Wicklmayr ist 16 Jahre alt und seit drei Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr in Garching aktiv. Wie Jugendwart Thomas Hegering sieht er sein Engagement als Hobby und nicht als reine Pflichterfüllung

Interview Von Cristina Marina, Garching

Die Freiwillige Feuerwehr Garching hat für das Jahr 2018 ihre Jugendvertreter gewählt. Der neue Jugendsprecher Kilian Wicklmayr, 16, und Jugendwart Thomas Hegering, 43, erzählen von ihrer Arbeit bei der Jugendfeuerwehr.

SZ: Warum sind Sie in die Feuerwehr eingetreten?

Wicklmayr: Das war 2015, da war ich noch dreizehn, aber da eine Jugendgruppe nur alle zwei Jahre gegründet wird, wollte ich dahin so schnell, wie es ging. Mein Papa, Opa, Uropa waren alle bei der Feuerwehr, Uropa war auch schon Kommandant, und ich war als Kind mit meinem Papa immer dabei, wir sind samstags auf Probefahrten gefahren. Das hat mich fasziniert. Und dann hat mein Papa auch gesagt: "Geh' hin, da gibt es immer Gaudi."

Hegering: Ich bin vor 29 Jahren in die Feuerwehr eingetreten, auch "genetisch vorbelastet". Aber für uns war es im Freundeskreis völlig normal, dass wir geschlossen als Gruppe hingehen. Und das Hobby verbindet uns nach wie vor. Allerdings muss man als Erwachsener eigene Entscheidungen treffen und sich die Zeit neben Berufsleben und der Familie daheim freischneiden.

Wie viel Zeit investieren Sie?

Wicklmayr: Der Zeitaufwand ist eigentlich überschaubar. Wir üben immer alle zwei Wochen am Montag für anderthalb Stunden, dann gibt es am Samstag noch Fahrzeugpflege, wo wir die Fahrzeuge putzen, und sonst machen wir viele Ausflüge, um zusammen zu bleiben und das Team zu stärken. Auch wenn es nur ums Spazierengehen geht, wird's da immer lustig.

Hegering: Das Ehrenamt besteht aus vielen Teilen. Doch in meiner Wahrnehmung ist es auch gleichzeitig Freizeit. Man könnte es vom Zeitaufwand her nicht machen, wenn es keinen Spaß machen würde und wenn es nicht aus der Überzeugung kommt. Wir predigen dennoch der Jugend vom ersten Tag an: "Der Eintritt ist freiwillig, der Austritt ist freiwillig - aber vieles dazwischen ist Pflicht." Das muss auch so sein, um für den Ernstfall, den Einsatz, gut vorbereitet zu sein.

Was macht am meisten Spaß?

Wicklmayr: Ich treffe hier auch meine Freunde. Wir lernen für unser Leben etwas, für später, für gerade jetzt vielleicht... Man kann alles im Alltag anwenden. Zum Beispiel Knoten zu binden, wenn es darum geht, irgendetwas im Treppenhaus hochzuziehen. Ich weiß jetzt ungefähr, wie ich das anstellen kann. Man lernt sich zu helfen. Und dann gibt es einen Berufsfeuerwehrtag, da sind wir 24 Stunden lang in einem Feuerwehrhaus, und unsere Jugendausbilder überlegen sich diverse Einsatzszenarien. Einmal wurde eine Puppe aus einem Schlauchturm auf den Sprungretter geworfen. Wir werden schon ordentlich herausgefordert, aber es taugt uns auch.

Sind Sie auch Einsätze gefahren?

Wicklmayr: Ich bin gerade in der Grundausbildung. Die mache ich Ende Februar fertig, dann darf ich auch Einsätze mitfahren.

Hegering: Natürlich, regelmäßig. Die Feuerwehr in Garching fährt knapp 500 Einsätze im Jahr. Davon geht rund die Hälfte auf die sogenannten First-Responder-Einsätze zurück; das sind Alarmierungen bei einer lebensbedrohlichen Situation - da fahren unsere zwei kleinen First-Responder-Fahrzeuge mit Zwei- bis Drei-Mann-Besatzung hin. Die anderen 50 Prozent machen die normalen Feuerwehreinsätze aus: Brände, Verkehrsunfälle, Brandmeldeanlagen, stecken gebliebene Aufzüge...

Oft geht es um Leben und Tod - da bekommt selbst mancher Erwachsene Angst. Wie gehen Sie damit um?

Hegering: Das Wichtigste ist, dass man die eigenen Grenzen sowie die der eingesetzten Einsatzkräfte kennt. Wenn ich weiß, jemandem wird bei Blut schlecht, dann schicke ich ihn in einen anderen Bereich, wo er nie mit einem Patienten konfrontiert wird - zum Beispiel zur Verkehrsabsicherung bei einem Unfall. Bei Platzangst schicke ich ihn nie in ein brennendes Haus, dafür kann er draußen den Brandangriff mit Schläuchen vorbereiten. Wir haben in unseren Einsatzbereichen so viele Aufgaben, die wir bedienen müssen. Ich muss nur wissen, wo meine Grenzen sind - und über die müssen wir reden, das kann man in der Übung austesten. Dann weiß ich im Einsatz: bis dahin und nicht weiter. Und das ist okay, da lacht auch keiner.

Und wenn man doch mit dem Tod konfrontiert wird?

Hegering: Inzwischen wird extrem professionelle Hilfe angeboten - sie ist in meinen Augen auch deutlich wichtiger geworden als früher. Ein Team aus Profis, Ärzten, Priestern ist im kompletten Landkreis unterwegs. Der Kriseninterventionsdienst macht ein Spitzenangebot zur direkten Einsatz-Nachbearbeitung, auch mehrfach, wenn es erforderlich ist. Ob der Einzelne dieses Angebot annehmen will, das entscheidet jeder für sich selbst.

Wicklmayr: Es wäre jedenfalls totaler Schmarrn zu denken: Da stirbt vielleicht mal jemand, damit würde ich niemals umgehen können und deswegen gehe ich nicht zur Feuerwehr. Man bekommt da Hilfe.

Sind Sie mit dem Nachwuchs zufrieden, Herr Hegering?

Hegering: Es scheint bei uns nicht so schlecht zu laufen. Jedenfalls haben wir in Garching kein Nachwuchsproblem. Ich selbst bin damals in der dritten Jugendgruppe der Feuerwehr Garching gestartet und wir sind jetzt in der 17. Jugendgruppe angekommen. Aktuell haben wir 27 Jugendliche in den zwei Jugendgruppen - über ein Fünftel davon sind Mädchen.

Sind auch Jugendliche mit Migrationshintergrund dabei?

Hegering: Aktuell nicht - oder mir zumindest wissentlich nicht bekannt. Wir hatten einige, die aus verschiedensten Gründen wieder ausgestiegen sind, aber mit Sicherheit nicht, weil sie einen Migrationshintergrund hatten. Wir haben keine Einschränkungen, wir schließen grundsätzlich keinen aus. Es gibt eine öffentliche Ausschreibung, wir informieren stets öffentlich über Pressemeldungen beim Start neuer Jugendgruppen und da ist jeder herzlich willkommen.

Bräuchten diese Jugendlichen vielleicht aber so etwas wie eine ausdrückliche Einladung?

Hegering: Wir verteilen Flyer, zum Beispiel bei Straßenumzügen, und sprechen nicht die Eltern, sondern die Jugendlichen direkt an, von daher müssen wir auf dieses Thema gar nicht separat und speziell eingehen.

Was sind Erfolgserlebnisse für Sie?

Wicklmayr: Ich denke an die Jugendleistungsprüfung. Das haben wir mit unserer Jugend nach anderthalb Jahren gemacht, verschiedene Disziplinen unter Prüfern absolviert und mit diesem Abzeichen hier bestanden. Daran erinnert man sich ganz lange, es ist schon was Tolles.

Hegering: Ein Erfolg als Jugendwart ist, wenn man die Jugend motivieren kann, bei der Stange zu bleiben. Und wenn ein Einsatz im Team erfolgreich verlaufen ist, vor allem auch ohne Schaden für uns selber. Dass man so, wie man zum Einsatz rausgefahren ist, auch wieder heimkommt und das Ziel erreicht hat, irgendwem zu helfen oder einen größeren Schaden abzuwehren.

Gibt es viele solche Erlebnisse?

Hegering: Im Laufe meiner langen Aktivenzeit zum Glück ja. Leider ist aber oft auch viel Schmarrn dabei. Man wird bei der Feuerwehr immer mehr zum Mädchen für alles.

Was meinen Sie mit Schmarrn?

Hegering: Schmarrn ist, dass wir sehr häufig Einsatzorte, die irgendwer alarmiert hat, gar nicht auffinden; wenn irgendwelche Leute irgendwelche Verkehrsunfälle auf der Autobahn gesehen haben wollen - ein Klassiker. Man fährt also und findet einfach nichts, weil sich irgendwer irgendwas eingebildet hat. Oder es kann sein, dass dieselbe Brandmeldeanlage aufgrund eines technischen Defekts zum hundertsten Mal hintereinander ausgelöst hat. Das sind die lästigen Sachen, aber natürlich hat jede einzelne ihre Berechtigung. Wenn man nicht fahren würde und es wäre tatsächlich was, würde man es sich nie verzeihen.

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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