Konstantin Klages geht in die Knie. Kurz darauf schallt seine kräftige Stimme durch die Halle: "Hopphopphopp." Und als würde der Blitz in ihre Glieder fahren, setzen sich die 29 massigen Tiere in Bewegung. Sie laufen auf ihn zu, strecken ihre langen Hälse durch die nur mit einigen Holzstangen markierte, halb offene Absperrung. Der 30-Jährige ist von der Herde umringt. Karim, Iwan, Attila und all die anderen reiben ihre Köpfe an Klages Körper. Die flauschigen Gefährten sind auf Augenhöhe mit ihm - und umgekehrt. Von Scheu keine Spur. Auch Dreijährige, kleine Kinder, hätten überhaupt nichts zu befürchten, sagt der Chef des Kamelhofs in Grub in der Gemeinde Valley
Klages war selbst so um die drei Jahre alt, als sein Vater plötzlich mit drei Kamelen ankam, die er irgendwo aufgetan hatte und von denen er meinte, er müsste sie bei sich zu Hause am Bauernhof unterstellen. Die verrückte Idee eines freakigen Typs war das, der damals in dem kleinen Ort Grub im Süden Münchens nicht nur wegen seiner Kamele als Exot galt. Es dauerte, bis der Sohn mit den Tieren etwas anfangen konnte. Als Teenager wuchs sein Interesse. Er dachte, mit den Tieren könne er sich Geld dazuverdienen, und bot Kamelwanderungen an. Es war der Beginn einer Geschichte, die sich ein bisschen anhört wie ein Märchen aus dem Morgenland.
Die Karawanen sind aber nur noch ein Teil des Geschäfts. Klages und seine Kamele sind heute gefragt. Agenturen melden sich an zum Foto-Shooting mit Models, und Klages fährt mit seinen Tieren zu Filmsets. In dem aktuellen Kinofilm "Willkommen bei den Hartmanns" mit Senta Berger geht es darum, was eine deutsche Familie, die einen Flüchtling aufgenommen hat, alles erlebt. Einmal sind Szenen eines Albtraums zu sehen, in dem Senta Berger meint, der IS habe München besetzt. Schwarze Gestalten auf Pick-ups fahren durchs Bild. Schwarze Fahnen sind zu sehen - und die Kamele aus Grub.
Kamele und Weihnachten - das passt
Besonders stark gebucht sind die Kamel in der Adventszeit, wenn die Weihnachtsmärkte laufen, wie etwa dieses Wochenende in Aying. Das ist sogar "die beste Zeit", sagt Klages. Denn Kamele und Weihnachten - das passt. Schließlich gab es an der Krippe mit dem Jesuskind auch ein Kamel. Zwar nicht an Weihnachten direkt, doch etwas später, als die Heiligen drei Könige dort dem Heiland ihre Referenz erwiesen. König Balthasar stieg der Heiligenlegende zufolge von seinem Elefanten, König Caspar von seinem Pferd und König Melchior von seinem Kamel. Etwas Exotik gehörte seit jeher zur Weihnachtsgeschichte wie auch das Fremde.
Über dem Eingang der erst im Sommer eröffneten Halle am Ortsrand von Grub steht "Servus-Aleikum" zu lesen. Die Stützpfeiler sehen innen mit ihren Verzierungen aus wie hohe, schlanke Palmen. Ein Hauch von Orient umfängt Besucher sofort. Neben dem Eingang steht ein Orientzelt, weiter hinten eine Jurte. In verschiedenen Formen, als kleine Skulpturen, Bilder oder Schattenrisse sind überall Kamele zu sehen. Das Erkennungszeichen des Hofs von Bayern-Kamele ist ein Kamel mit einer weiß-blauen Rautenmusterdecke. Schnell zeigt sich, dass Konstantin Klages, der mit seiner Frau Bianca und Freunden den Hof führt, die Sache mit den Kamelen als etwas ziemlich Normales ansieht. "Ich bin ein Gegner von exotischer Tierhaltung", sagt er sogar. Kamele passten aber nach Oberbayern und fühlten sich in dem Klima wohl. Mit der Einstellung hat er es geschafft, dass in Grub weder die Kamele noch er als Exoten gelten.
Der junge Chef versteht sich als Teil des Dorfs, das er auch einlud, um mit allen den Neubau der Halle zu besprechen. Im Juli bei der Einweihung gab es ein Fest. Und so wundert sich keiner mehr, wenn zwei Leute vom Kamelhof mit Warnwesten auf der Straße stehen und den Verkehr kurz stoppen. Dann werden die Kamele auf die Weide getrieben. Manch anderen freilich kann der Anblick der Tiere schon noch aus dem Konzept bringen. Gleich am Hof, an der Weide soll schon mal ein Autofahrer in den Graben gefahren sein. Der Wagen lag auf dem Dach. Ob er gebannt auf die Kamele geschaut hatte? Ein Wunder wäre es nicht.
Klages will Kindern die Natur nahebringen
In Oberbayern mit seinen Dörfern, Wiesen und Bergen fühlt sich Klages wohl. Er hat Weideflächen und Wälder gepachtet und sieht sich selbst als Bauer. "Ich bin nicht der Collegeboy." Er ist aber auch viel unterwegs. Seit ihn sein Vater als kleinen Buben mit nach Kenia nahm, lässt ihn das Fernweh nicht mehr los. Er war erst in Indien. Heuer plant er eine Tour mit dem Geländewagen durch halb Afrika. Er sei ein umtriebiger Mensch - ein "Antikamel".
Zur Ruhe kommt er freilich, wenn er im Mangfalltal mit seiner Kamel-Karawane unterwegs ist. Dann geht er neben den gemächlich vor sich hintrotteten Tieren und erklärt den Leuten, die bequem in luftiger Höhe sitzen, nicht nur den Unterschied zwischen Trampeltier mit zwei Höckern und Dromedar mit einem Höcker. Klages oder einer der anderen Führer erzählen auch viel über die Pflanzen und Tiere im Mangfalltal. Er wolle gerade Kindern die Natur nahebringen, sagt Klages.
Die beiden Sonntage, 3. und 4. Advent, nehmen Kamele aus Grub den kurzen Weg rüber nach Aying, wo sie beim Bräu am Weihnachtsmarkt von 12 bis 17 Uhr Besucher auf ihre Rücken nehmen. Gutscheine für eine Kameltour sind angeblich auch ein beliebtes Weihnachtsgeschenk. Die Idee dazu hatte der gewiefteste Event-Verkäufer Deutschlands: Jochen Schweizer hat neben Bungee-Jumping vieles zum Geschäft gemacht. Ihm verdanke er viel, sagt Klages. Er sei ein alter Freund der Familie.