Bundestagswahl 2017:Bereit zum Aufstieg

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Ihren Auftritt kürzlich im Keferloher Festzelt zählt Bela Bach zu den Höhepunkten des Wahlkampfs. (Foto: Claus Schunk)

Bela Bach liebt die Berge und kennt die Mühen einer Gipfeltour. Mit 26 Jahren steht die Kandidatin der SPD im Wahlkreis München-Land für einen neuen Politikertyp. Sie sucht die Debatte und beweist Kampfgeist, wenn es um ihre Vision von einer gerechten Gesellschaft geht.

Von Iris Hilberth, Landkreis

Nach welchen Kriterien wählen Bergsteiger ihre Ziele aus? Attraktive Gipfel, berühmte Routen, imposante Wände - vielleicht ist es Zufall, wenn dann auch noch der Name des Bergs gerade gut passt. Das "Grundübelhorn" könnte da eher ein böses Omen sein. Aber der "Schinder" hat durchaus Potenzial, dass trotz großer Mühen am Ende alles gut ausgeht. Den "Schinder" hatte Bela Bach vor vier Jahren zwischen all den SPD-Wahlkampfterminen eingeschoben, um in gut 1800 Metern Höhe mal kurz durchzuschnaufen. Damals war sie mit 22 Jahren die jüngste Bundestagskandidatin ihrer Partei und rackerte tapfer für ein Mandat in Berlin. Daraus wurde mit 20,3 Prozente der Erststimmen bekanntlich nichts, nun nimmt die Jurastudentin aus Planegg einen zweiten Anlauf.

Der fällt einerseits weniger beschwerlich aus, weil Bela Bach, inzwischen Kreisvorsitzende der SPD, hierzulande keine gänzlich Unbekannte mehr ist. Auch hat sie einen aussichtsreicheren Listenplatz (20) als 2013 (Platz 32) und immerhin vier Jahre mehr Lebenserfahrung. Aber sie weiß auch: "Der Welpenschutz ist weg." Auch diesmal gönnt sie sich aus Liebe zu den Bergen weit oben eine kurze Auszeit im Wahlkampf, "um vor dem Schlussspurt Zeit zum Nachdenken zu haben und die Lage besser analysieren zu können", sagt sie. Mitte August war sie im Monte-Rosa-Massiv in den Walliser Alpen unterwegs. Diesmal immerhin auf mehr als 4500 Metern Höhe. Der Namen es Gipfels: Signalkuppe.

Bela Bach ist auch vier Jahre nach ihrer ersten Kandidatur eine sehr junge Politikerin, eine zierliche Frau, die vor allem von älteren Herren schnell mal unterschätzt wird. Sie weiß, dass das immer noch so ist, versucht mit kluger Argumentation, umfangreichem Sachverstand und Diskussionsfreudigkeit Skeptiker vom Gegenteil zu überzeugen. Immer gelingt das nicht, "aber damit kann ich leben", sagt sie. Politische Inhalten sind ihr wichtiger als Selbstdarstellung. Und doch hat sie inzwischen gelernt, dass in der Politik mehr dazugehört, als in Diskussionsrunden der Jusos die besseren Begründungen zu haben. "Sie weiß heute, dass Plakate nicht alles sind und sie die Menschen erreichen muss", sagt Peter Paul Gantzer, der 78 Jahre alte SPD-Landtagsabgeordnete. Er habe Bela früh als politischen Talent entdeckt, sagt Gantzer, und als Beweis führt er an, dass er ihr damals zum 20. Geburtstag einen Brief geschrieben habe, "normalerweise mache ich das erst zum Sechzigsten".

Kämpferischer Auftritt beim Keferloher Montag

Planegg
:Bela Bach auf Platz 20 der SPD-Liste

Die Kreisvorsitzende ist im Vergleich zur vergangenen Bundestagswahl um zwölf Plätze nach vorne gerückt.

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Bela Bach bemüht sich - spätestens seit sie Kreisvorsitzende ist - um Präsenz bei Veranstaltungen im Landkreis, was nicht immer einfach ist, wenn man mitten im Studium steckt. Dabei ist es nicht nur der zeitliche Faktor, der sie bei folkloristischen Auftritten wie Bürgerfesteröffnungen oder Starkbieranstichen sichtlich Mühe kostet. Inmitten des Burschenvereins dem Platzhirschen von der CSU zuzuprosten zählt nicht zu ihren natürlichen Talenten. Gleichwohl kann man ihr die bayerischen Politikern abverlangte Bierzelttauglichkeit in diesem Wahlkampf nicht absprechen. Beim Keferloher Montag, als die SPD mit Hamburgs Erstem Bürgermeister in die Schlussphase des Wahlkampf startete, legte Bach einen kämpferischen und leidenschaftlichen Auftritt hin.

"Keferloh mit Olaf Scholz war ein absoluter Höhepunkt", schwärmt Bach knapp eine Woche später. Vor dem S-Bahnhof Unterhaching hat die SPD einen Stand aufgebaut. Die Kandidatin schüttelt Hände, verteilt Flyer und erläutert SPD-Positionen: "Ich bin gegen eine erneute große Koalition", sagt sie. Auf dem Pflaster hat die Ortsgruppe ein großes Poster mit Themen ausgebreitet, die Leute werden aufgefordert anzukreuzen, was ihnen wichtig ist. Europa, Bildung, Wohnen und Rente finden das größte Interesse. "Wobei Wohnen ganz klar die Schnittmenge ist", sagt Bach, die mit dem Infostand im Stundentakt durch die Gemeinden tourt.

"Die Schaffung und Sicherung bezahlbaren Wohnraumes ist für mich die wichtigste soziale Frage im Landkreis München", sagt sie den Leuten dann. In Gebieten mit angespannter Wohnungssituation müsse die Mietpreisbremse nachjustiert werden und eine Begrenzung der Bodenpreise daher Bestandteil vorausschauender staatlicher Daseinsvorsorge sein. Soziale Gerechtigkeit ist Bachs Hauptanliegen. Sie ist auch der Grund, warum sie sich mit 16 Jahren für die SPD entschieden hat. Dass sie dann so schnell und mitten im Studium zur Kandidatin wurde, war nicht geplant, es war einfach so. "Da hat sich dieses Zeitfenster geöffnet, und so eine Chance bekommt man nur einmal im Leben, und ich will meinen Beitrag leisten", sagt Bach. Sie wolle schließlich Dinge ändern und nicht nur darüber reden.

Elternunabhängiges Bafög ist ihr ein wichtiges Anliegen

Sie hat viel geredet in den vergangen Wochen. Im Biergarten genauso wie auf ihrer roten Couch am Isarufer oder bei der Veranstaltungsreihe Politik und Pizza, die ihr vor allem junge Leute als Gesprächspartner bescherte - viel mehr als sie sich erhofft hatte. Bach konnte zeigen, dass es ihr um mehr geht als um die Entkriminalisierung von Cannabis, worauf sie der politische Gegner gerne reduzierte, da sie als Kreisvorsitzende 2015 mit einer solchen Veranstaltung startete. Neben der sozialen Sicherheit sieht sie auch die Verkehrsthemen ganz oben auf ihrer Agenda. Natürlich sieht sie sich als die Kandidatin für alle Menschen im Landkreis, gleichwohl freut sie sich über die vielen neuen Kontakten mit den Jüngeren und betont: "Mir geht es darum, über die Zukunft meiner Generation mitzuentscheiden." Zieht sie in den Bundestag ein, will sie sich als erstes für elternunabhängiges Bafög einsetzen, "das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit", findet sie. Es sei ein Trugschluss, davon auszugehen, dass Eltern mit Immobilie ihrem Kind ein Studium finanzieren könnten.

"Neue Wege, klare Kante" nennt sie ihr Wahlprogramm, das auch die Liebe zu den Bergen symbolisieren soll, vor allem aber für ihren Politikstil steht: neue Perspektiven auf Probleme. Durch politische Routine gehe häufig die Kreativität verloren, findet sie. "Am meisten stört mich immer die Aussage 'Das haben wir noch nie so gemacht'. Aber davon lasse ich mich nicht aufhalten", sagt Bach, "auch in der eigenen Partei nicht."

© SZ vom 12.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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