Aying:Der Girgl und sein Gewehr

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Georg Demmel war der bewaffnete Arm der Schutzgemeinschaft Hofoldinger Forst.

Von Michael Morosow, Aying

Wie groß der Kelch war, der 1969 nicht zuletzt auch an der Gemeinde Aying vorübergegangen ist, das ist am Mittwochabend im vollbesetzten Sixthof den Besuchern eindrucksvoll dargestellt worden. Es galt das 50-jährige Bestehen der Schutzgemeinschaft zu feiern, der es bekanntlich gelungen war, die Ansiedlung eines Großflughafens im Hofoldinger Forst abzuwenden. "Sonst hätten wir alle hier ein ganz anderes Leben", sagte der Ayinger Bürgermeister Johann Eichler, und zur Bestätigung seiner Worte sahen die Zuhörer eine animierte Landkarte, über die die Grundrisse des Hofoldinger Flughafens gelegt sind. Der Erfolg, so die Quintessenz des Abends, war dem ebenso klugen wie seriösen und friedfertigen Vorgehen der Schutzgemeinschaft geschuldet.

Einer der Widerständler hatte freilich über das Ziel hinausgeschossen, wie Martin Esterl aus Heimatshofen eindrucksvoll schilderte. Wie Ruppert Fritzmeier, Franz Inselkammer sen. und Sebastian Stadler schilderte der 83-Jährige seine Erlebnisse in dieser bewegten Zeit, wobei seine Erinnerungen an die Protestkundgebung am 15. Juli 1967 in München und dabei insbesondere an den längst verstorbenen Georg Demmel der Veranstaltung auch eine humorige Note verlieh.

Selbst Schüsse aus dem Auto bleiben ohne Folgen

Der Girgl also sei an diesem Tag nicht wie viele hundert andere Protestler aus der Gegend in den Zug nach München gestiegen, sondern zusammen mit dem Kleinhelfendorfer Wirt Rupert Oswald mit dem Auto zur Kundgebung gefahren, in Tracht gewandet und mit einem Gewehr im Gepäck. In der Stadt habe er damit mehrere Male aus dem Auto heraus in die Luft geschossen. Was heutzutage mit jemanden passiert, der mitten in München mit dem Gewehr herumballert, kann man sich vorstellen.

Der Girgl aber und der Wirt schafften es unbehelligt bis zum Platzl, wo sie sich im Saal zu den Protestierenden gesellten. "Dann hat jemand gerufen: Girgl, nimm dei Büchs hoch! Und der Girgl hat es gemacht", erzählte Esterl. Das freilich hatten im Saal anwesende Kriminaler gesehen, die sich fortan brennend für Georg Demmel und sein Schießgewehr interessierten. Nach der Veranstaltung habe er dann vernommen, dass der Girgl verhaftet worden sei, habe nach ihm gesucht und sei schließlich zusammen mit ihm und zwei Polizisten in einem Nebenzimmer des Platzl gesessen.

Seine Waffe sei nur eine "Theaterbüchse", eine ohne Schlagbolzen, damit könne man nicht schießen, habe Demmel den Kriminalern zu verstehen gegeben. "Aber ein paar Nägel könnte man rein tun", habe der Polizist zu ihm gesagt. "Dann hat sich der Girgl zu mir her gedreht und gesagt: Den schau an, daran hab ich noch gar net gedacht." Die Sache ist letztlich gut ausgegangen für den bewaffneten Widerstandskämpfer, auch wenn er auf sein Schießgewehr ein wenig warten musste. Nachdem er zwei Mal der Aufforderung, sein Gewehr im Revier abzuholen, nicht nachgekommen war, gab zwei Jahre später der Postbote ein Paket bei Georg Demmel ab. Inhalt: ein Gewehr.

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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