Aschheim:Wo der Bürgermeister sich selbst Denkmäler setzt

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Keine Straße ohne Gedenkstele: Was aussieht wie ein Grabstein, erinnert an den Bau der Ostspange. (Foto: Florian Peljak)

Helmut Englmann hat in Aschheim Stelen aufstellen lassen, die Beschlüsse zu Straßen oder einem Parkplatz würdigen - und sein eigenes Wirken.

Von Martin Mühlfenzl, Aschheim

Es sind gewaltige weltliche und geistliche Fragen, mit denen sich die geistlichen und weltlichen Teilnehmer seit ihrer Anreise beschäftigen müssen. Dem Schutz der Frauen etwa, oder dem Verbot von Inzestehen. Und natürlich wird auch über Geld gestritten; genau genommen darüber, wer denn nun den Zehnten für sich beanspruchen darf.

Bayernherzog Tassilo III. - und auch der letzte aus dem Geschlechte der Agilolfinger - hat im Jahr 756 nach Aschheim geladen. Vielleicht auch erst 757, an diesem Punkt weist die Geschichtsschreibung eine kleine Ungenauigkeit auf. Die auf einem Pentagon ruhende Stele vor der Aschheimer Kirche St. Peter und Paul jedenfalls lässt den Betrachter wissen, dass es im Jahr 756 gewesen sein muss, als eben in dieser Gemeinde die erste Kirchensynode im Stammesherzogtum Bayern stattfand.

Für Herzog Tassilo gibt es nur eine einzige Stele

Die Gemeinde hat das unscheinbare Denkmal anlässlich der 1250-Jahrfeier zu Ehren des geschichtsträchtigen Ereignisses im Jahr 2006 errichten lassen. "Zur Erinnerung an die 1. Bayerische Landessynode unter dem Agilolfinger Herzog Tassilo III.", ist darauf zu lesen; der Hinweis "katholisch" oder "evangelisch" freilich fehlt - damals war die römisch-katholische Welt noch in Ordnung. Was indes nicht fehlt, ist der Zusatz "Cousin Karls des Großen"; das verleiht dem Ganzen noch einmal eine ganz andere Bedeutung. Schade nur, dass Karl der Große wohl nie in Aschheim war.

Ja, die Gemeinde erinnert sich gerne, besser gesagt: Sie erinnert ihre Bürger gerne an herausragende Ereignisse in ihrem Ort. Vornehmlich mit kleinen Obelisken, die sich über das Gemeindegebiet verteilt finden. So auch vor dem Dornacher Bürgerhaus: Dort erinnert eine Stele an die erste urkundliche Erwähnung des Ortsteils im Jahr 856, freilich aufgestellt zur 1150-Jahrfeier Dornachs.

Wer für die Erinnerungsstätten verantwortlich zeichnet? Natürlich der Gemeinderat, der die Errichtung der Gedenkorte beschlossen hat. Auf Initiative des damaligen Bürgermeisters Helmut Englmann, der fast 30 Jahre lang im Chefsessel des Rathauses saß und vor der Kommunalwahl 2014 überraschend erklärte, nicht noch einmal antreten zu wollen - wohl auch, um nicht selbst zur lebenden Stele zu werden. Sein Werk aber bleibt. Es hat sich sprichwörtlich in die Erinnerung der Bürger und tatsächlich in die Stelen eingemeißelt. So zwischen der Fahrrad- und Kfz-Brücke beim Bauma-Parkplatz.

Rathauschef Englmann hat nicht vergessen, darauf hinzuweisen, wer den wunderschönen Bauma-Parkplatz mit 2200 Stellplätzen in die Wege geleitet hat. (Foto: Florian Peljak)

Zwischen Leitplanken und von wild wachsendem Gras umrankt steht dort ein kleiner Obelisk, der ein besonders erinnerungswürdiges Ereignis hervorhebt: "Die Einweihung des Bauma Parkplatz und der Brücke erfolgte am 11.4.2013", ist darauf im Wortlaut zu lesen. Sprachliche Unebenheiten werden freilich von der ästhetischen Klasse des Monuments in den Hintergrund gedrängt - und Rathauschef Englmann hat nicht vergessen, darauf hinzuweisen, wer den wunderschönen Bauma-Parkplatz mit 2200 Stellplätzen in die Wege geleitet hat: "Der Gemeinderat Aschheim beschloss unter 1. Bürgermeister Helmut J. Englmann", steht dort.

Auch eine Protest-Stele gab es schon

Schon gigantisch, was sich in der nahezu drei Jahrzehnte währenden Regentschaft Englmanns alles getan hat. Und alles nur "Für unsere Bürger", wie auf der rechteckigen Stele an der Aschheimer Umgehungsstraße zu lesen ist. Der Obelisk ohne Spitze erinnert freilich auch an einen Gemeinderatsbeschluss "Unter 1. Bürgermeister Helmut J. Englmann" - "zur Aufstellung des Bebauungsplans am 15.03.2005 zum Bau dieser Entlastungsstraße am 02.08.2007". Die Gemeindeverbindung zwischen Kirchheim und Aschheim wurde freilich nicht an einem Tag im August 2007 fertiggestellt, sondern in den Jahren 2009/2010. Das steht natürlich auch auf der Stele.

In der Emmeranstraße stand lange Zeit übrigens ein sogenannter Gegen-Obelisk erboster Bürger. Auch Aschheims Sozialdemokraten haben sich in ihrem Blatt "Roter Löwe" einst mit den Englmann-Stelen auseinander gesetzt. Mit dem Hinweis, dass es für die Bauma-Stele "keinen Gemeinderatsbeschluss" gegeben habe. Aber wer will so kleinlich sein. Tassilo III. und Karl der Große hätten auch nicht um Erlaubnis gefragt.

© SZ vom 26.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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