Landgericht München:Im Drogenrausch

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Freiheitsstrafe für 34-Jährigen, der einen Mann zu Tode geprügelt hat

Von Susi Wimmer

Zwei Bekannte in einer Wohnung, Alkohol und Drogen werden in rauen Mengen konsumiert - und am Ende der Nacht ist einer tot. Der Freund wählt den Notruf, er bestreitet jegliche Auseinandersetzung, zudem hat der Tote so viel Morphin intus, dass dies seinen Tod erklären würde. Und trotzdem verurteilte die erste große Schwurgerichtskammer am Landgericht München I den 34-jährigen Selcuk A. am Dienstag wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren, die er in einer Entziehungsanstalt antreten wird. Neben erschütternden Zeugenaussagen von Nachbarn, die "furchtbare Schmerzensschreie und Wimmern" gehört hatten, war vor allem das Gutachten von Randolph Penning ausschlaggebend. Der Rechtsmediziner, der sich seit 30 Jahren mit dem Forschungsschwerpunkt "Drogentote" beschäftigt, konnte minutiös darlegen, dass das 50-jährige Opfer nicht nur gestürzt war, wie es der Verurteilte hatte Glauben machen wollen.

Mit dem Ausspruch "Undank ist der Welt Lohn" eröffnete der Vorsitzende Richter Michael Höhne die Urteilsverkündung. Tatsächlich hatte der alkoholabhängige Ralf A. im Juni 2015 den ihm entfernt bekannten Selcuk A. aus reiner Gutmütigkeit bei sich aufgenommen. A. kam gerade aus dem Knast und war bei seiner Mutter und anschließend bei einer Freundin aus der Wohnung geflogen. Am 2. Juni nahm Ralf A. den Obdachlosen mit in seine Wohnung in Hadern, zwei Tage später war Ralf A. tot. Er starb nach Schlägen oder Tritten gegen seinen Hals, und nachdem Selcuk A. sich auf seinen Brustkorb gekniet hatte, während er bäuchlings auf dem Bett lag. Das Motiv für die Tat blieb im Dunkeln, was für die Kammer aber kein Grund war, "die Täterschaft in Frage zu stellen".

Für den einschlägig vorbestraften Selcuk A. war es nach eigenen Worten "ein Sechser im Lotto", dass er bei A. schlafen und konsumieren konnte. Die Männer vertrieben sich die Zeit mit Fernsehen, Musik, Alkohol und Drogen. Ralf A. war bei den Nachbarn bekannt, dass er laut herumkrakeelte. Wenn er nüchtern war, soll er laut Zeugen aber so liebenswert gewesen sein, dass sich keiner über ihn beschwerte. Auch in der Nacht auf den 4. Juni waren Schreie aus seiner Wohnung zu hören, "endlaute Geräusche" und dumpfe Schläge, sodass besorgte Nachbarn doch die Polizei riefen. Denen öffnete Selcuk A. um 1 Uhr früh die Türe und gab höflich Auskunft, dass alles in Ordnung sei. Zu dieser Zeit dürfte sein Freund gerade gestorben sein. Der Leichnam wies Abwehrverletzungen an den Unterarmen auf und unter anderem Verletzungen, die nur entstehen hätten können, wenn Ralf A. "fünf bis sechs Mal auf die gleiche Stelle gefallen wäre".

Mit der Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge war das Gericht dem Antrag von Staatsanwältin Simone Viellehner gefolgt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 21.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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