Landgericht München I:Zum Betteln gezwungen

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Sie zwangen Rumänen mit Todesdrohungen und Gewalt zu betteln. Dafür mussten sich drei Hintermänner vor Gericht verantworten - und kamen mit milden Strafen davon.

Christian Rost

Die Staatsanwaltschaft hatte sie wegen Menschenhandels und schwerer räuberischer Erpressung angeklagt. Drei Rumänen mussten sich als Köpfe einer aggressiven Bettlerbande am Montag vor dem Landgericht München I verantworten. Sie sollen Landsleute nach München gelockt und mit Gewalt und Todesdrohungen zum Betteln gezwungen haben.

Ein Bettler in Münchens Innenstadt: Drei Rumänen sollen Landleute mit Todesdrohungen und Gewalt zum Betteln gezwungen haben. Sie wurden zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. (Foto: Robert Haas)

Trotz dieser massiven Vorwürfe war der Prozess nach wenigen Stunden beendet - ganz im Sinne der Angeklagten, die mit je zwei Jahren auf Bewährung davonkamen. Die Münchner Polizei ist über dieses Urteil nicht glücklich: "Es hat sicher keine große abschreckende Wirkung", sagte ein Präsidiumssprecher.

In München tauchen die rumänischen Bettlerbanden alle paar Wochen auf. Am Dom und vor vielen anderen Kirchen, in der Fußgängerzone, am Stachus und rund um den Hauptbahnhof sehe man Menschen am Gehsteig sitzen, die mit angeblichen, dramatisch zur Schau gestellten Gebrechen, einem Kind im Arm oder in Begleitung eines bedauernswerten Hundes an die Hilfsbereitschaft von Passanten appellierten, beschreibt Polizeisprecher Peter Reichl die Situation.

Weil die Beamten wissen, dass es sich in diesen Fällen nicht um notleidende Menschen handelt, die Geld für ihren Tagesbedarf sammeln, sondern um organisierte Banden, deren Köpfe die Einnahmen abgreifen, wird das Schauspiel auf den Straßen nicht geduldet. Die Polizei nimmt den falschen Bettlern das Geld als Sicherheitsleistung ab und stellt Strafanzeige.

Dabei sei es immer wieder erstaunlich, so Reichl, wie rasch die Gebrechen bei den Kontrollen verflögen. "Auf der Flucht vor den Beamten hat schon so mancher seine Krücken weggeworfen."

Die bettelnden Rumänen leben in ständiger Angst - vor der Polizei und vor allem vor den Hintermännern, die sie zu den erniedrigenden Handlungen zwingen. Im aktuell vor der siebten Strafkammer verhandelten Fall wurden drei Männern im Alter von 26 bis 33 Jahren beschuldigt, im Juni dieses Jahres sieben Landsleute unter falschen Versprechungen nach München gebracht zu haben.

Die Frauen und Männer wurden als Erntehelfer mit einem Monatsverdienst von 800 Euro angeworben. Einquartiert wurden die Arbeitswilligen dann in einem wilden Zeltlager in einem Waldstück an der Geiselgasteigstraße. Dort teilte man ihnen nach der Ankunft mit, dass sie zunächst die Fahrtkosten in Höhe von je 400 Euro abarbeiten müssen. Sie erhielten kopierte Bettelkarten und wurde angewiesen, eine Notsituation ihrer Familien wegen eines Hochwassers in Rumänien vorzutäuschen.

Eine Rumänin, die sich weigerte, soll massiv gewürgt worden sein. Einem Mann drohten die Hintermänner laut Anklage, man werde seine Familie "auslöschen". Vom Zeltlager wurden die Rumänen dann nach München und in umliegende Orte gebracht, um Geld zu sammeln. Dabei nahm jeder von ihnen 20 bis 80 Euro pro Tag ein, die sie bis auf einen Minimalbetrag von fünf Euro an die Angeklagten abgeben mussten.

Ein Bettler vertraute sich der Polizei an. Die drei Hintermänner kamen in Untersuchungshaft. Das milde Urteil - wegen Nötigung und Bettelbetrugs - handelten die Prozessbeteiligten in einem Rechtsgespräch aus. Die Kammer wollte sich offenbar eine langwierige Beweisaufnahme ersparen, bei der Vernehmungen in Rumänien nötig geworden wären.

© SZ vom 21.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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