Kritik einer Gerichtsgutachterin:Wehleidige Staatsanwälte

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Gutachterin Hanna Ziegert (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Gerichtsgutachterin Hanna Ziegert hat es gewagt, den Umgang von Richtern, Staatsanwälten und ihren eigenen Kollegen mit psychisch kranken Straftätern zu kritisieren. Statt sich zu hinterfragen, reagieren die Staatsanwälte nach dem Beleidigte-Leberwurst-Prinzip.

Ein Kommentar von Hans Holzhaider

Dass es in jedem Berufsstand hervorragende, durchschnittliche und auch weniger brillante Vertreter gibt, ist eine Binsenweisheit und bedarf eigentlich keiner besonderen Beweisführung. Das gilt für Friseure und Automechaniker ebenso wie für Strafverteidiger, Staatsanwälte und natürlich auch für jene zahlenmäßig überschaubare Gruppe von Psychiatern, die von den Gerichten mit der Erstattung von Gutachten über die Schuldfähigkeit von Straftätern beauftragt werden.

Die Münchner Psychiaterin Hanna Ziegert wird von den meisten Sachkennern als eine hervorragend fachkundige, außerordentlich sorgfältig arbeitende Gutachterin geschätzt. Sie ist allerdings auch dafür bekannt, dass sie kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn sie Defizite beschreibt, sei es bei ihren eigenen Kollegen oder im Umgang der Justiz mit psychisch kranken Straftätern.

Dass Richter und Staatsanwälte bestimmte Erwartungen an psychiatrische Sachverständige haben und diese sich in vielen Fällen an diesen Erwartungen orientieren, ist keine böswillige Unterstellung, sondern tägliche Realität. Dass an bayerischen Gerichten ebenso wie im Straf- und Maßregelvollzug oft mit härteren Bandagen gearbeitet wird als in anderen Bundesländern, weiß jeder, der auch in Gerichtssälen nördlich des Mains unterwegs ist.

Wenn Hanna Ziegert sich in einer Fernsehsendung in diesem Sinn äußert, würde man sich wünschen, dass die Betroffenen vielleicht mal selbstkritisch in sich gehen. Aber das ist nicht die Art der Münchner Staatsanwaltschaft. Die reagiert nach dem Beleidigte-Leberwurst-Prinzip und holt den großen Knüppel aus dem Sack: In drei Verfahren hat die Staatsanwaltschaft Ziegert wegen "Besorgnis der Befangenheit" als Gutachterin abgelehnt. Der Verdacht liegt nicht ganz fern, dass der Anstoß zu dieser Strafaktion von ziemlich weit oben in der Behörde gekommen ist. Ein Armutszeugnis.

© SZ vom 05.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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