Weil sie sich in einer Fernsehsendung kritisch über die bayerische Justiz und die psychiatrische Begutachtung von Straftätern geäußert hat, muss die Münchner Psychiaterin Hanna Ziegert jetzt mit erheblichen beruflichen Problemen rechnen. Die Staatsanwaltschaft München I hat die Fachärztin, die seit mehr als 30 Jahren im ganzen Bundesgebiet als forensisch-psychiatrische Gutachterin tätig ist, in mehreren Verfahren "wegen Besorgnis der Befangenheit" abgelehnt.
Begründet werden die Ablehnungen mit dem Auftritt Ziegerts in der Fernsehsendung "Beckmann", die sich mit dem Fall Gustl Mollath beschäftigte. Die Staatsanwaltschaft habe "Grund zu der Annahme, dass die Sachverständige eine innere Haltung hat, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend und nachhaltig beeinflussen kann", heißt es in der von Staatsanwalt Bernhard Pichl unterzeichneten Ablehnungsverfügung.
In seiner Talkshow am 15. August hatte der Moderator Reinhold Beckmann den soeben aus der Psychiatrie entlassenen Gustl Mollath, dessen Anwalt Gerhard Strate, den SZ-Mitarbeiter Uwe Ritzer und Hanna Ziegert zu Gast. Mollath berichtete von seinen Erfahrungen in den sieben Jahren, die er im bayerischen Maßregelvollzug verwahrt wurde. In der Diskussion ging es auch um die Kritik an verschiedenen psychiatrischen Sachverständigen, die ihre Gutachten über Mollath lediglich nach Aktenlage erstattet hatten, weil Mollath sich einer Exploration verweigert hatte.
Auf die Frage Beckmanns, ob das ein Fehler Mollaths gewesen sei, hatte Ziegert geantwortet: "Ich weiß nicht, ob ich mich jemals begutachten lassen würde." Ausschlaggebend dafür sei, dass der Proband zum Sachverständigen Vertrauen habe, "und das ist wahrlich nicht selbstverständlich, dass ich zu jedem dieser forensischen Psychiater Vertrauen entwickeln kann". Die Auswahl von Gutachtern durch Staatsanwaltschaft und Gericht richte sich zwar nicht immer, aber jedenfalls "immer mal wieder" danach, welches Ergebnis hinsichtlich der Frage der Schuldfähigkeit vom Auftraggeber gewünscht werde, sagte Ziegert.
Viele Gutachter seien darauf angewiesen, Aufträge von der Staatsanwaltschaft zu bekommen, und achteten deshalb darauf, "nicht in Ungnade zu fallen". Das seien "Dinge, die jedem, der in der Szene arbeitet, ganz genau bekannt sind". Zu den von Mollath scharf kritisierten Zuständen im bayerischen Maßregelvollzug sagte Ziegert: "Ich habe das Gefühl, dass die Bedingungen, der Maßregelvollzug in Bayern vielleicht doch etwas anders ist als in anderen Teilen Deutschlands. Ich habe manchmal das Gefühl, es geht um Mailand und Sizilien, und Bayern wäre dann Sizilien."