Karolinenplatz:Israelisches Generalkonsulat im alten Naziviertel

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Links die Baustelle, rechts der alte Führerbau. (Foto: Florian Peljak)
  • In zwei Monaten wird das neue israelische Generalkonsulat auf historischem Grund eröffnet, mitten im alten Parteiviertel der Nazis.
  • Am Karolinenplatz wird erstmals Parteiverkehr möglich sein: Wer einen Pass verlängern oder Visa bekommen will, muss nicht mehr eigens nach Berlin fahren.
  • Der Generalkonsul will die Beziehungen zwischen Israelis und Deutschen vertiefen.

Von Kassian Stroh

Am liebsten wäre es Dan Shaham gewesen, er hätte hier wenigstens einen Raum schaffen können, der die ganze Breite des Hauses einnimmt. Ein Zimmer mit Fenstern zu beiden Seiten. Im Süden sähe man dann von dort aus den Karolinenplatz, umgeben von alten Nazi-Bauten. Und im Norden die Gebäude der Technischen Universität, der Hochschule für Fernsehen und Film. Im Süden Historie, sagt Shaham, im Norden Moderne. Doch einen solchen Raum wird es nicht geben im neuen israelischen Generalkonsulat, dafür ist es dann insgesamt doch zu klein.

Dabei hätte solch ein Raum ganz gut illustriert, was Dan Shaham wichtig ist. In zwei Monaten wird das neue Generalkonsulat auf historischem Grund eröffnet, mitten im alten Parteiviertel der Nazis. Nebenan der "Führerbau", errichtet zu Repräsentationszwecken für Adolf Hitler, oder das NS-Dokuzentrum, gebaut auf den Ruinen der Parteizentrale der NSDAP. Es lässt sich als später Triumph der Opfer über die Täter interpretieren, wenn hier der Staat Israel seine diplomatische Vertretung für Süddeutschland betreibt. Aber Shaham wäre dies zu wenig. Der Generalkonsul sieht seine Aufgabe ja vor allem darin, die Beziehungen zwischen Israelis und Münchnern, Bayern und Deutschen zu vertiefen, die wirtschaftlichen, kulturellen, persönlichen. Und das zeigt sich an den Ideen, die Shaham für sein neues Haus hat.

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Zunächst einmal ist dies ein schnöder Verwaltungsbau, bis vor einem Jahr belegt von der Staatlichen Lotterieverwaltung. Die hatte das repräsentative Haus zum Karolinenplatz hin, einst Parteigericht der Nazis, später um zwei Bürotrakte im Garten ergänzt. Einer davon wird nun für das Konsulat weitgehend entkernt, modernisiert und umgebaut. Etwa 1000 Quadratmeter an Fläche haben die Israelis dort bald - für sie ein Segen. Seit sie 2011 ihr Konsulat in München öffneten, hausten sie in einem kleinen Bürotrakt an der Brienner Straße.

Am Karolinenplatz wird nun erstmals auch Parteiverkehr möglich sein: Wer einen Pass verlängern oder Visa bekommen will, muss dafür nicht mehr eigens nach Berlin fahren. Auch die Abteilung für Wirtschaft und Handel wird deutlich aufgewertet. Das Gebäude gehört dem Freistaat, das Generalkonsulat wird Mieter. Etwa acht Millionen Euro teuer ist der Umbau, die Kosten teilen sich der Freistaat und Israel. Repräsentative Räume für Empfänge oder größere Veranstaltungen wird es auch künftig nicht geben. "Braucht man auch nicht", sagt Shaham - weniger weil er ohnehin nicht so der Typ ist fürs diplomatische Zeremoniell, sondern weil es dafür doch genügend andere Räume zu mieten gebe in München.

Noch ist der Umbau hier in vollem Gange. Doch Shaham macht sich bereits viele Gedanken über die Gestaltung im Innern. Im Eingangsbereich sollen bayerische und israelische Steinplatten verlegt werden. Kunstwerke aufzuhängen könnte sich Shaham vorstellen, auch Videoinstallationen. Aber was? Dort in den vier Nischen zum Beispiel, er deutet hinüber, "was sollen wir dort zeigen?" Etwas altes Jüdisches? Ein Hightech-Produkt aus Israel? Welches Bild präsentiert der Staat von sich, was inspiriert seine hier lebenden Repräsentanten - solche Fragen stellt sich Shaham. "Wir sind seit vier Jahren hier, wir suchen noch", sagt er. "Es ist wie immer in Israel: Wir haben mehr Fragen als Antworten."

Generalkonsul Dan Shaham in seinem Büro - am 10. November soll die Eröffnung des Hauses stattfinden. (Foto: Florian Peljak)

Eines aber weiß er bereits: Einige Wände sollen Fotografien schmücken. Bilder, die Deutsche in Israel gemacht haben, von Israelis. Dazu ruft das Konsulat einen Wettbewerb aus: Die besten Einsendungen sollen hier die Flure schmücken. "Ein deutscher Beitrag zu unseren inneren Räumen", sagt Shaham. Ihm geht es einerseits um den Austausch darüber, wie Deutsche Israel und seine Bewohner wahrnehmen. Andererseits um die Überwindung von Stereotypen. "Normalerweise kennt man hier die Bilder von Ultraorthodoxen oder von Soldaten", klagt Shaham. Dabei gebe es in seinem Land so viel mehr.

Symbolisch ist auch das Eröffnungsdatum: der 10. November. Da wird es einen Festakt geben in der Hochschule für Musik, in jenem "Führerbau" eben, abends auch ein Konzert deutscher und israelischer Musiker. Auf der städtischen Kunst-Insel am Lenbachplatz wird ein Werk des Fotografen Roland Fischer enthüllt. Ganz bewusst habe man nicht den 9. November gewählt, den Jahrestag der gewalttätigen Nazi-Ausschreitungen gegen Juden in der Pogromnacht. "Das ist ein Tag von Trauer und Gedenken, und das soll er auch bleiben", sagt Shaham. Am Tag danach sei dann Platz für den Blick nach vorne. In Israel hat das Tradition: Das Land begeht vor seinem Unabhängigkeitstag stets den Gedenktag für seine gefallenen Soldaten.

Wer die Baustelle besichtigt, bemerkt: Fertig wird sie bis dahin nicht. Tatsächlich bezogen werden die Büros wohl später. Doch auf so viel Symbolik legt Shaham doch Wert, als dass er die Eröffnung verschöbe. Die Lage im Nazi-Viertel, das historische Datum - "das zusammen war für uns ein relevantes Zeichen", sagt Shaham.

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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