Kampfmittel in der Erde:Explosive Angelegenheit

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Es dauert nicht nur lang, die zehn Tonnen Munition zu räumen, die in Freimann gefunden wurden - es ist auch gefährlich

Von Dominik Hutter, München

Die Kampfmittel im Boden sind teils einbetoniert. (Foto: Johannes Simon)

Daheimbleiben streng verboten: Wenn an diesem Montagmorgen um acht Uhr erstmals eine Sperrzone rund um das Haus am Zwergackerweg 3 eingerichtet wird, haben Dutzende Anwohner in Freimann erst einmal kein Zuhause mehr. 40 Werktage lang, jeweils für mehrere Stunden. So lange soll es dauern, bis die zehn Tonnen Kampfmittel und Munition, die im Garten des Gebäudes entdeckt wurden, entschärft und abtransportiert sind. Wer trotzdem zu Hause bleibt oder von außen ins Sperrgebiet eindringen will, muss sich auf "unmittelbaren Zwang" einstellen - die schärfste Variante im Verwaltungsvollzugsrecht: Dann schafft die Polizei störrische Anwohner notfalls mit Gewalt aus der Gefahrenzone. Es gehe nicht anders, argumentiert das Kreisverwaltungsreferat.

Denn was Experten da am Ostende des früheren Freimanner Schießplatzes in einem ehemaligen Löschwasserbassin gefunden haben, ist im wahrsten Sinne des Wortes hochexplosiv: Infanterie- und Artilleriemunition, Granaten und Minen aller Art, darunter auch Panzerminen. Pionierkampfmittel. Munition jeden Kalibers plus Panzerbrandmunition, deren Weißer Phosphor sofort als Zünder aktiviert und entflammt wird, wenn er mit Sauerstoff zusammenkommt.

Teile der Sprengkörper sind in einem Betonfundament eingeschlossen, das erst mit Hilfe eines Baggers aufgebrochen werden muss. Die Aktion ist also durchaus heikel, zumal nach Behördenangaben 90 Prozent der Kampfmittel über funktionsfähige Zünder verfügen, die jederzeit eine Explosion auslösen können. Allein die pure Masse macht die Entschärfung so langwierig und kompliziert. Laut einer Broschüre, die unter anderem vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie verantwortet wird, explodieren bundesweit ein bis zwei Sprengsätze pro Jahr ohne Fremdeinwirkung im Boden.

Eine Überraschung ist der unbequeme Fund aus dem Zweiten Weltkrieg allerdings nicht - die betroffene Hausbesitzerin und die Behörden sind seit 2012 alarmiert. Damals wurde bei Bauarbeiten auf dem Nachbarareal alte Munition gefunden. Die Stadt verpflichtete daraufhin auch die Besitzerin des Hauses Zwergackerweg 3, tätig zu werden, wie Andreas Mickisch berichtet, der zuständige Hauptabteilungsleiter im Kreisverwaltungsreferat. Die Dame sei jedoch juristisch gegen die Aufforderung vorgegangen. Vergebens. Jetzt muss die Altlast geräumt werden.

Dass dafür nicht der Staat, sondern der Grundbesitzer aufkommen muss, ist aus Sicht der Behörden unstrittig. Eine entsprechende Bekanntmachung aus dem Innenministerium weist die Verantwortung dem sogenannten "Zustandsstörer" zu. Was im Fachjargon jemanden kennzeichnet, von dessen Besitz eine Gefahr ausgeht. Laut Mickisch ist die Eigentümerin, die selbst mit Kosten von bis zu 200 000 Euro rechnet, allerdings nur für einen Teil der Entsorgung zuständig. Abtransport und Vernichtung der dann entschäften Sprengsätze übernehme der Kampfmittelräumdienst auf Kosten des Freistaats. Wie Mickisch sagt, hat der Freistaat einen Sozialfonds für Härtefälle eingerichtet.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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