Insolvenz des Cotton Club:Wahnsinn mit Methode

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Halligalli wie früher in New York: Das wollte der Cotton Club im Ungererbad bieten. (Foto: M.C.Hildebrand/Cotton Club)
  • Einen Tag vor Heiligabend war Schluss: Der Mannheimer Produzent Matthias Hoffmann musste Insolvenz für die Dinnershow "Cotton Club" anmelden.
  • Wer über die Ticketagentur Eventim gebucht habe, kann sein Geld so gut wie abschreiben, wer seine Karten direkt bei der Cotton Club GmbH erworben hat, steht nicht besser da.
  • Viele der teilnehmenden Musiker und Artisten warten noch auf ihre Gage.

Von Franz Kotteder

Und nun ein Beitrag aus der Abteilung "Bayerische Witze mit Bart". Sagt der Meister zum Lehrling: "Heit mach' ma amal Insolvenz, damit Du des aa lernst!" Wäre der Witz nicht schon so alt, dann hätte er auch gut Ende 2014 im Ungererbad spielen können. Dort legte die "Cotton Club Dinnershow GmbH & Co KG" eine fulminante Insolvenz mit derart vielen Geschädigten hin, dass man schon fast von einem Musterbeispiel sprechen mag. Obendrein hat einer der Hauptpersonen bei der ganzen Sache durchaus schon mannigfaltige Erfahrungen mit diversen Formen der Insolvenz vorzuweisen. Insofern gäbe er als Meister in dieser Hinsicht sicher einen prächtigen Lehrherrn für einen Azubi ab.

Vom Mannheimer Impresario Matthias Hoffmann ist die Rede. Der 61-Jährige hat schon viele Shows produziert - und auch viele in den Sand gesetzt. Sein jüngster Coup war eben die "Cotton Club Dinnershow", die von November 2014 bis März dieses Jahres zeitgleich in Frankfurt und München laufen sollte. Zu einem Varieté-Programm, angelehnt an den legendären New Yorker Nachtclub Cotton Club, gab es jeweils ein viergängiges Menü, in Frankfurt kreiert vom Sternekoch Nelson Müller, in München von Stefan Marquard und Holger Stromberg.

Ende des Cotton Club
:Zahlen, bitte!

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Von Franz Kotteder

Die Vergangenheitsform ist wichtig, denn genau einen Tag vor Heiligabend war Schluss mit dem ganzen Zelttheater: Hoffmann konnte seine laufenden Kosten nicht mehr bezahlen. Seither warten nicht nur viele Gläubiger auf ihr Geld. Auch Kartenkäufer wissen nicht, ob sie jemals die 99 bis 159 Euro (sowie jeweils 100 Euro mehr für die geplante Silvestergala) für ihre Karten erstattet bekommen.

Steuerzahler mus wohl für verwüstete Wiese bezahlen

Und die Wiese im städtischen Ungererbad, auf der das Dinnerzelt aufgestellt worden war, ist nach wie vor verwüstet. Die Stadtwerke als Vermieter wollen laut Pressestelle "wegen des laufenden Insolvenzverfahrens" nicht sagen, welche Kosten dem Steuerzahler nun entstehen. Die Frage, welche Vorschrift es verbiete, die Schadenshöhe zu nennen, blieb unbeantwortet.

Aus für Cotton Club
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Ziemlich klar lässt sich hingegen sagen, dass die Kartenkäufer leer ausgehen werden. Der Mannheimer Rechtsanwalt Rainer Bachert ist der vom Gericht eingesetzte Insolvenzverwalter und sichtet gerade die Unterlagen. Eines kann er jetzt schon sagen: "Das ist sehr, sehr bescheiden, was da an Insolvenzmasse da ist." Viel Geld sei in die Ausstattung der Zelte geflossen, "wenn sie das rausreißen, ist das nicht mehr viel wert".

Kartenbesitzer können ihr Geld so gut wie abschreiben

An die 600 Gläubiger und Kartenkunden hätten sich bisher an ihn gewandt, weitere können jetzt über die Homepage www.cottonclub-dinnershow.de ihre Ansprüche anmelden. An beiden Standorten seien wohl um die 5000 Karten verkauft worden, gut 2000 davon in München. Wer über die Ticketagentur Eventim gebucht habe, könne das Geld abschreiben: "Eventim hat ja auch entsprechende Forderungen an den Veranstalter." Wer seine Karten direkt bei der Cotton Club GmbH erworben hat, steht nicht besser da: "Das Geld wurde praktisch komplett für die laufenden Kosten ausgegeben."

Klingt nicht so, als ob da noch viel zu holen wäre. Tatsächlich ermittelt inzwischen auch die Mannheimer Staatsanwaltschaft. "Fünf Kunden und ein Gläubiger haben Anzeige wegen Insolvenzverschleppung und Betrugs gestellt", sagt Pressesprecher Peter Lintz. Ob auch Anklage erhoben wird, ist allerdings fraglich. Zuerst müsste Hoffmann ja nachgewiesen werden, dass er den Wagen mit voller Absicht an die Wand gefahren hat. Das dürfte schwierig sein.

Fest steht: Hoffmann hat mit hohem Risiko gespielt. Das fing schon Anfang 2014 an, da beantragte er nämlich, ein Zelt auf dem ehemaligen Trambahndepot an der Laimer Zschokkestraße aufstellen zu dürfen, für eine Cotton-Club-Dinnershow mit dem Starkoch Johann Lafer. Das Dumme an der Sache war: Lafer wusste gar nichts von seiner neuen Karriere als Zeltkoch.

Danach versuchte Hoffmann, Eckart Witzigmann ins Boot zu holen. Mit dem Drei-Sterne-Koch hatte er 2001 bis 2005 bereits die Dinnershow "Palazzo" gemacht. Man schied damals im Streit, der Palazzo meldete Insolvenz an. Witzigmann ist seither nicht gut auf Hoffmann zu sprechen und wollte folgerichtig seinen Namen nicht für den Cotton Club hergeben.

Musiker und Artisten warten auf ihre Gagen

Schließlich fand Hoffmann für Frankfurt Nelson Müller und für München Marquard und Stromberg als Ersatz. Die drei fühlen sich mittlerweile ebenso als Opfer der gewagten Geschäfte des Mannheimer Produzenten wie viele der teilnehmenden Musiker und Artisten, die noch auf ihre Gage warten. Holger Stromberg hatte Hoffmann sogar schon damit gedroht, der Premiere am 6. November fernzubleiben. Der Grund: Hoffmann war mit einer Rate der vereinbarten Abschlagszahlung im Verzug geblieben. Stromberg sagt: "Wir hatten irgendwann das Gefühl, dass das ein Typ ist, der erst zahlt, wenn man ihm droht."

Protest gegen den "Cotton Club"
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Tatsächlich muss Hoffmann mächtig improvisiert haben. Mal flog der Gitarrist aus der Showband, um dessen Gage einzusparen, mal wurde eine Vorstellung kurzfristig abgesagt, wenn zu wenig Karten verkauft waren. Überhaupt war der Cotton Club kein Renner. Von den 450 Plätzen waren oft nur ein Drittel besetzt. Die Lieferanten für Besteck und Geschirr standen einmal kurz vor Beginn mit dem Lieferwagen vor der Tür, um ihre Ware wieder abzuholen, weil die Rechnungen nicht bezahlt waren. "Und gegen Ende zu", sagt eine Bedienung, "war die Hälfte der Weinkarte durchgestrichen, weil die Händler sich weigerten, weiter auf Rechnung zu liefern."

Hoffmann ging bereits mit mehreren Shows insolvent

Wie das Geschäftsmodell von Hoffmann aussieht, ist fraglich. Er selbst ist seit Weihnachten nicht mehr zu sprechen, aber eines kann man sagen: Mit Insolvenzen kennt er sich aus wie kein Zweiter. Selbst für die risikoreiche Veranstalterbranche, in der viele mal va banque spielen, hat er erstaunlich oft Schiffbruch erlitten. In den Neunzigerjahren ließ er die "Drei Tenöre" José Carreras, Placido Domingo und Luciano Pavarotti durch die Welt touren und setzte nach eigenen Angaben 300 Millionen Dollar mit ihnen um. Dann kam die Anklage wegen Steuerhinterziehung. Fünf Jahre und neun Monate Haft lautete das Urteil in erster Instanz, später wurden daraus immerhin noch 15 Monate.

Danach folgten Witzigmanns Palazzo und eine Show mit Jamie Oliver, beide endeten ebenso mit der Insolvenz wie die Akrobatikshows "India, India" und "Afrika! Afrika!"; letztere ließ Hoffmann von André Heller konzipieren. Sie war international ein beachtlicher Zuschauererfolg - aber offenbar kein finanzieller. Mehr als zehn Mitarbeiter klagen derzeit noch ausstehende Gehälter und Gagen bis zu 50 000 Euro ein.

Es werden jetzt mit dem Cotton Club wohl noch einige weitere Gerichtsverfahren dazukommen. Und das ist alles leider kein Witz.

© SZ vom 24.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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