Homosexualität bei der Polizei:"Ich oute mich nicht aggressiv"

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Johannes Träumer (links) und Harald Bayer von Velspol. Der Verein vertritt die Interessen homosexueller Polizisten. (Foto: Catherina Hess)

Homosexuelle Polizisten litten lange unter Vorurteilen, dummen Sprüchen und Benachteiligungen. Der Verein Velspol und andere haben geholfen, das zu ändern. Aber ganz reibungslos läuft der Dienst für Schwule auch heute noch nicht. Zwei Beamte aus München erzählen.

Von Florian Fuchs

Das Datum wird Harald Bayer nie vergessen, es war der 29. Februar 2000. Auf seiner damaligen Dienststelle in Gauting im Landkreis Starnberg hat er ein bisschen mit einem Kollegen geblödelt, auch ein paar Sprüche über Schwule sind gefallen. Dann hat ihn der Kollege darauf angesprochen: "Bist du schwul? Wenn es wirklich so ist, entschuldige ich mich für die Witze." Harald Bayer hat ein bisschen nachgedacht über den Satz, aber dann, nach Dienstschluss, als er alleine war mit dem Kollegen, da ist es aus ihm rausgeplatzt: "So. Und jetzt entschuldige dich mal." Es war sein erstes, sein kleines Outing bei der Polizei.

Der Kollege, schon damals ein guter Freund, war noch weitere acht Jahre der einzige bei der Polizei, der um Bayers Homosexualität wusste. Bis 2008 dauerte es, dass der Polizist Harald Bayer in der Arbeit völlig offen mit dem Thema umging. Inzwischen wissen in seiner Einheit alle Bescheid. Heute sagt er: "Ich hätte mich viel früher outen sollen, dann hätte ich mir einiges erspart."

Mit seinem Verein Velspol, in dem sich schwule und lesbische Beamte von Sicherheitsbehörden wie Polizei, Zoll und Bundespolizei zusammengeschlossen haben, kämpft Bayer nun für die Rechte von Homosexuellen in seinem Beruf und versucht auch Vorbehalte von Schwulen und Lesben gegen die Polizei abzubauen.

Johannes Träumer, auch im Vorstand von Velspol, stellt der Polizei im Freistaat dabei ein gutes Zeugnis aus: "Es hat sich in den letzten Jahren sehr vieles verbessert. Kein Kollege muss sich Sorgen machen, dass er Nachteile erleidet oder Probleme hat, bloß weil er schwul ist. Das gleiche gilt für Lesben." Allerdings war es ein langer Weg bis dahin - und ganz perfekt ist auch heute nicht alles.

Zu lange galt Homosexualtität als Straftat

Anfang der Neunzigerjahre, als Bayer zur Polizei kam, da war die Situation anders. Damals galt noch der Paragraf 175 im Strafgesetzbuch, der seit 1871 bestand und sexuelle Kontakte von Männern unter Strafe stellte. Zwar war er inzwischen entschärft worden, sodass nur noch "homosexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen" bestraft werden sollten. Aber wie sich das auswirkte, erlebte Bayer noch in der Ausbildung: Plötzlich führte die Kripo einen offen schwulen Kollegen ab. Es waren Gerüchte entstanden, nur weil er einen Jugendlichen, der sich ebenfalls in der Ausbildung befand, jedes Wochenende nach Hause fuhr.

1994 änderte der Bundestag das Gesetz, erst seitdem gelten für Schwule die gleichen Regeln beim Schutz von Minderjährigen wie bei Heterosexuellen: Das Schutzalter wurde einheitlich auf 14 Jahre festgelegt. "Das Problem ist", sagt Träumer, "dass der Paragraf 175 bis in die Achtzigerjahre hinein massiv von Polizisten verfolgt wurde. Das setzt sich fest in den Köpfen. Gerade ältere Kollegen haben deshalb heute noch manchmal ein Problem mit Schwulen."

Angst vor dummen Sprüchen

Für Bayer war nach dem Erlebnis in der Ausbildung klar, dass er sich auf seinen Dienststellen erst einmal nicht outen wird. "Ich hatte Angst vor dummen Sprüchen, vor Benachteiligung. Ich hatte einfach Angst davor, wie Kollegen reagieren würden." Als er 2008 zur Gründungsmannschaft von Velspol gehörte, war klar, dass er nun offen mit dem Thema umgehen wird. Der Verein tritt schließlich auch in der Öffentlichkeit auf. "Ich oute mich nicht aggressiv, ich spaziere nicht in eine Dienststelle und erzähle erst einmal allen, dass ich schwul bin. Aber wenn mich jemand fragt, dann antworte ich ehrlich."

Bayer und Träumer wissen von Fällen, in denen schwule Kollegen Ausreden erfanden, warum ihre angebliche Freundin nicht mit auf die Weihnachtsfeier konnte. Sie kennen Kollegen, die zum Schutz der eigenen Fassade behaupteten, dass sie mit einer Frau in den Urlaub fahren. "Wenn ich einen Freund habe, dann finde ich es heute schön, dass ich mich ganz normal von ihm von der Arbeit abholen lassen kann. Die Geheimniskrämerei fällt weg", sagt Bayer.

Diese Botschaft, sagt Träumer, ist eines der Hauptanliegen des Vereins schwuler und lesbischer Polizisten. Viele Kollegen machten sich unnötig Sorgen vor einem Outing. "Wir wollen Kollegen vermitteln, dass sie nicht die einzigen sind, und wir wollen Ansprechpartner zum Erfahrungsaustausch sein." Innerhalb der Polizei geben die Mitglieder von Velspol Tipps im Umgang mit schwulen und lesbischen Bürgern.

"Kein Schwuler muss heute noch Angst vor Polizisten haben."

Oder sie helfen bei Ermittlungen in der Schwulenszene, wie erst vor Kurzem im Todesfall eines Rentners, dessen Leiche in Ismaning in der Nähe eines Parkplatzes gefunden wurde, der als Anbahnungsort für Homosexuelle gilt. "Und wir versuchen in der Szene selbst aufzuklären", sagt Bayer. So gibt es immer noch Schwule, die etwa in einem Szenetreff bestohlen werden und bei der Anzeige dann von einem ganz anderen Tatort sprechen - weil sie wegen ihrer Homosexualität Angst vor Repressalien durch die Polizei haben. "So kann man natürlich keine Fälle aufklären", sagt Bayer, "kein Schwuler muss heute noch Angst vor Polizisten haben."

Natürlich ist Velspol aber auch politisch aktiv: Als sich der Landesverband gründete, traten Träumer und Bayer zusammen mit den anderen Mitgliedern für eine Gleichstellung beim Besoldungsrecht von Beamten ein. Und inzwischen gibt es auch einen permanenten Ansprechpartner im Innenministerium für die Anliegen von Velspol - obwohl dies nicht ganz so einfach war. Nach der Gründung, erzählt Träumer, habe der Verein Flugblätter an alle damals elf Präsidien in Bayern geschickt. Nur in München und Schwaben-Südwest seien die Infozettel tatsächlich verteilt worden. "Wir mussten oft ein bisschen nachbohren, aber inzwischen gibt es da keine Probleme mehr."

Rückhalt ist wichtig für die Seele

Vor allem das Polizeipräsidium München und Präsident Wilhelm Schmidbauer, sagt Bayer, seien sehr offen für Velspol gewesen. Pressesprecher Wolfgang Wenger habe als erster einen Artikel über Velspol in die hauseigene Zeitschrift gehoben und sich immer beim Christopher-Street-Day in München blicken lassen. "Es ist völlig klar, dass wir keine Unterschiede machen, egal ob Kollegen schwul, lesbisch, blau- oder rotkariert sind", sagt Wenger.

Einzelne Kollegen machen aber offenbar doch noch Unterschiede. In Berlin, erzählt Träumer, gab es mal einen Velspol-Polizisten, dem seine Kollegen demonstrativ nicht zur Seite sprangen, als er einen Schläger überwältigte. "Schwule gelten eher als feminin, die Kollegen wollten mal sehen, ob er auch alleine seinen Mann stehen kann." So etwas, sagen Bayer und Träumer, seien aber die absoluten Ausnahmen im Dienst. "Natürlich gibt es ansonsten mal Sprüche, aber das muss man nicht gleich alles an die große Glocke hängen, wir wollen ja nicht übertreiben."

Nur eine Situation gab es, über die ist Bayer heute noch sauer. In der Umkleide hat ein unbekannter Kollege mal eine schwulenfeindliche Zeichnung auf eine Kiste von ihm gezeichnet. Bayer ist danach zu seinem Chef gegangen. Dessen Ansage war klar: "Wenn man den Verantwortlichen erwischt, fliegt er." Dieser Rückhalt, sagt Bayer, sei wichtig für die Seele. Und ein Zeichen an einzelne Kollegen, die vielleicht auch heute noch ein bisschen rückständig denken.

© SZ vom 03.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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