Hochbunker:Gewächshaus aus Beton

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Hinter den dicken Mauern des Hochbunkers an der Sonnwendjochstraße werden künftig "medizinisch-verwertbare Pfanzen" angebaut

Von Renate Winkler-Schlang

Der massive, achteckige Turm steht halb verborgen zwischen Kastanien, Ahornbäumen und Buchen in einem kleinen Grünzug. Auf der ungenutzten und verwunschenen Naturstein-Freitreppe wächst dunkelgrünes Moos, niemand geht hier ein und aus. Denn der Hochbunker an der Sonnwendjochstra- ße 54c steht leer. Noch. Das Kommunalreferat wird diese städtische Immobilie nun an ein Unternehmen vermieten, das in den abgeschirmten und kühlen Räumen mit Hilfe von Kunstlicht solche medizinisch nutzbaren Grünpflanzen züchten will, die auf offenem Feld nicht jedermann zugänglich sein dürfen. Die Firma hatte den Bunker schon einmal vor einigen Jahren für diesen Zweck gemietet und will es nun erneut versuchen. Wie das Unternehmen heißt, unterliegt dem Datenschutz, um welche "Kräuter" es sich andelt, ebenfalls . . .

Angesichts dieser Vergabeentscheidung kommt der Verein der Höhlenforscher Südbayern, der neben Lagerräumen für seine Ausrüstungsgegenstände auch ein kleines Museum hatte einrichten wollen, nicht zum Zuge - obwohl diese Variante vom Bezirksausschuss lieber gesehen worden wäre.

Der Bunker, gebaut im Jahr 1941, entstand nach Plänen von Karl Meitinger von Berlinger als Schutzraum bei Bombenalarm, konzipiert für 300 Menschen. Noch heute finden sich im Inneren an den Bunkerwänden mit Schablonen aufgebrachte Wegweiser. "11 Liegeplätze Sanitär- und Wachraum" steht im Erdgeschoss, "111 Sitzplätze", "Gasschleuse" steht dort zu lesen Vor den Toiletten altertümliches Vokabular: "Abort" und "Pissort".

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(Foto: Robert Haas)

Kahle Wände, leere Treppen: Bald sollen auf den Etagen Gärtner die Arzneimittel-Pflanzen betreuen.

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(Foto: Robert Haas)

Von außen ist das Gebäude von Bäumen umgeben.

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(Foto: Robert Haas)

Zeit-Zeugen: Im Inneren des Bunkers sind die mit Schablonen aufgebrachten Schriften noch immer zu sehen.

Heinz Geissel vom Immobilienmanagement des Kommunalreferates, der auch für die stadteigenen Bunker zuständig ist, hat eigens eine Taschenlampe mitgebracht, denn die Elektrik ist zwar nicht mehr original, aber alt. Die einst fluoreszierende Wandfarbe wurde längst überpinselt. Fenster gibt es nicht, nur kleine Lüftungsscharten, die innerhalb des zwei Meter dicken, laut Geissel sehr hochwertigen Stahlbetonmauerwerks im rechten Winkel ums Eck gehen. Diese Konstruktion sollte die Druckwellen von Bomben brechen.

Sehr viel mehr kann Heinz Geissel nicht zeigen, der Bunker ist bis auf eine kleine Holzbank fast leer, im staubigen Keller findet sich noch der massive Original-Ofen, das Rohr aber ist längst durchgerostet. Geissel weiß, nicht zuletzt von seiner Großmutter, wie viele Vorräte dort im Krieg gelagert wurden und dass bis zu tausend Menschen in Bombennächten angstvoll zusammengepfercht waren - mehr als das Dreifache der eigentlichen Kapazität. Auf dem Dach stand ehemals ein Flakgeschütz, das Ziegeldach wurde erst nachträglich aufgesetzt.

Heinz Geissel kennt jeden Winkel des alten Gebäudes. (Foto: Robert Haas)

Für Wohnzwecke oder umgebaut zum ein Hotel darf dieser Bunker nicht dienen, denn die Lokalbaukommission gewährt im Grünzug kein Baurecht, so Geissel. Er hatte 2013 nach einem Antrag der Grünen mit dem Titel "Öffnet die Bunker" eine Liste aller Hoch- und Tiefbunker und ihrer Nutzungen angefertigt.

In puncto Bunker an der Sonnwendjochstraße zählt nicht nur Geissels Großmutter zu den Zeitzeugen. 2013, beim Tag des offenen Denkmals, hatten Volkshochschule, Bezirksausschuss und der Stadtteilhistoriker Erich Kasberger den Bunker zugänglich gemacht und mit Filmen, markerschütternden Sirenenklängen und Ausstellungsplakaten zum Leben erweckt. Ein Plakat mit dem Titel "Bombardierung des Pfarrhofes in Berg am Laim" liegt zerknautscht und verstaubt noch in einer Ecke. Spontan und eindrücklich erzählten Besucher, die als Kind dort vor Luftangriffen Schutz gefunden hatten, von dieser Zeit erzählt. Einige erinnerten sich auch noch, dass nach Kriegsende dort ein Gemüse- und Blumenhändler seine Waren feilbot, danach später ein Farbengeschäft. Das Interesse der Bürger war so groß, die Schlange so lang, dass von morgens bis abends quasi pausenlos Führungen durch den Betonklotz geboten werden mussten. Die Veranstalter ernteten viel Lob und Dank.

Genau deshalb freute sich der Bezirksausschuss Berg am Laim gefreut, als die Höhlenforscher den Hochbunker mieten wollten, erklärt Robert Kulzer (SPD), der Vorsitzende. Wenigstens Erdgeschoss und ersten Stock hätte der Verein für die breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht. "Schade, dass der Bunker jetzt kommerzialisiert wird", sagt Kulzer - und ärgert sich, dass sein Gremium von dieser Entwicklung nicht einmal in Kenntnis gesetzt, geschweige denn zuvor gefragt wurde. "Das ist doch keine x-beliebige Immobilie", wettert der Gremiumschef.

Eine Sprecherin des Kommunalreferates erklärt dazu: "Gründe hierfür, dass die Höhlenforscher nicht zum Zug kamen, sind unter anderem, dass die Stadt städtische Immobilien nicht unter Wert vermieten oder gar unentgeltlich überlassen darf." Der Verein hatte offenbar auf eine subventionierte Miete gehofft, das Pflanzenzuchtunternehmen aber zahlt, was die Stadt fordert.

Offene Türen wird es in diesem imposanten Gebäude so bald nicht mehr geben - im Gegenteil. Es wird zum Hochsicherheitstrakt für Grünpflanzen.

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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