Hasenbergl:Ärztemangel 

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Alyssa-Maria kennt ihren Kinderarzt länger, diesmal ist sie zur U9 in seiner Praxis. Neue Patienten muss Stefan Hammann oft abweisen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Vorstellung des überversorgten Münchens entspricht nicht überall der Realität. Im 24. Stadtbezirk ist ein Pädiater statistisch für siebenmal so viele Kinder zuständig wie sein Kollege in Schwabing

Von Simon Schramm, Hasenbergl

Stefan Hammann arbeitet am Limit. "Ich fahre um 7 Uhr in die Arbeit und bin um 22 Uhr fertig", sagt der Kinderarzt aus dem Hasenbergl. Wie viele Fachkollegen Hammann im Bezirk hat? Einen. Richtig gelesen: Zwei Kinderärzte, und zwar für 8663 Kinder bis 14 Jahren. Zum Vergleich: Im 12. Stadtbezirk Schwabing-Freimann kommen 15 Kinderärzte auf 8.030 Kinder bis 14 Jahren. Hammann betreut auch junge Bewohner bis 18 Jahren, damit vergrößere sich sein Bereich noch einmal, sagt er.

Vor drei Jahren hatte Hammann eine Praxis im Bezirk übernommen. Seitdem führt er eine Liste: Auf dieser sind alle Patienten verzeichnet, die er nicht neu aufnehmen kann, um die Qualität seiner Betreuung nicht zu vermindern. Der Kinderarzt erzählt, Eltern würden ihn manchmal schon schimpfen und bedrohen. Verständlich, meint der Arzt, schließlich gehe es um die Gesundheit ihrer Kinder.

Die Situation von Stefan Hammann offenbart, dass die Vorstellung des überversorgten Münchens in bestimmten Vierteln nicht der Realität entspricht. Während sich in der Innenstadt die Niederlassungen häufen, leiden manche Viertel an der Peripherie an Ärztemangel. Der Mangel im 24. Bezirk (Feldmoching-Hasenbergl) bezieht sich nicht nur auf Kinderärzte. Wieder eine eindeutige Statistik über die allgemeine Ärztedichte: Im zwölften Stadtbezirk kommen 287 Einwohner auf einen Arzt. Im 24. Bezirk sind es 1291 Bürger pro Arzt.

Wie sollen Ärzte dazu motiviert werden, im Hasenbergl zu arbeiten?

Mit der Frage, wie man dem Ärztemangel entgegenwirken könnte, und weiteren sozialen Herausforderungen beschäftigte sich die Regionsveranstaltung des sozialen Vereins Regsam (Regionale Soziale Arbeit in München) am Donnerstagabend. Es kamen viele sozial Engagierte und Ansprechpartner aus dem Bezirk zusammen, die in Arbeitsgruppen die Gelegenheit hatten, über Lösungen zu diskutieren.

In Bezug auf den Ärztemangel stellte Katharina Fränkel von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern fest, dass der Versorgungsgrad einer Stadt nicht differenziert betrachtet wird. Um das per Gesetz zu ändern, wäre aus Sicht vieler Teilnehmer die Bundespolitik gefordert - die Problematik soll darum den für den Münchner Norden verantwortlichen Bundestagsmitgliedern offensiver nahe gebracht werden. Dennoch stellte sich die Frage, wie Ärzte dazu motiviert werden könnten, im Hasenbergl zu arbeiten. Oft äußerten die Teilnehmer der Gruppe das Argument, finanzielle Anreize zu schaffen, etwa durch Boni. Ein Bürger kritisierte die zu hohen gewerblichen Mieten für eine Praxis. Somit seien die Wohnbaugesellschaften gefordert, hier Angebote zu schaffen - eine Gemeinschaftspraxis könne sich beispielsweise für den Vermieter lohnen.

Nicht nur die Kinder - auch die Betreuung der Alten ist schwierig

Eine andere Schwierigkeit bei der sozialen Versorgung: Schon seit langem wartet der Bezirk auf das Alten- und Service-Zentrum, das am Stanigplatz geplant ist. Derzeit leistet der Seniorenpavillon der Diakonie Hasenbergl die nötige Seniorenbetreuung. Vorgeschlagen wurde, dort mehr Stellen einzurichten: Diese Kräfte könnten im Pavillon beginnen und dann im Servicezentrum weitermachen. Teilnehmer der Arbeitsgruppe hatten außerdem vorgeschlagen, in dem neuen Gebäude des Zentrums auch Arztpraxen anzusiedeln.

Allgemein scheint es im Bezirk notwendig, mehr für die bestehenden Einrichtungen zu werben. Es entstand die Idee für eine Internetplattform, auf der etwa wichtige Einrichtungen für Eltern oder Bürger mit Migrationshintergrund aufgelistet werden. Freilich müsste so eine Seite gepflegt und aktualisiert werden, wie Regsam-Moderatorin Friederike Goschenhofer anmerkte. Die Person, die das übernehmen soll, muss nun erst einmal gefunden werden.

Thema einer Arbeitsgruppe war außerdem, inwiefern der Zuzug von Geflüchteten den Bezirk verändert. Diskussionsergebnis: Es sollen gemeinsame Aktionen stattfinden, die Begegnungen ermöglichen und den persönlichen Austausch zwischen Geflüchteten und den Bezirksbewohnern fördert. Etwaige Ängste vor einer Unterkunft könnten so abgebaut werden.

© SZ vom 18.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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