Haidhausen:Vierjährige vor Absturz bewahrt

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In diesem Wohnhaus rettete ein Passant die Vierjährige. (Foto: Ales)

Das Mädchen sitzt auf dem Fenstersims im dritten Stock und brüllt: Passanten spannen vorsorglich eine Fußmatte als Sprungtuch. Erst ein beherzter Tritt löst die Situation auf.

Von Susi Wimmer

Als Regisseur ist Andreas E. mit Dramen bestens vertraut. Unter anderem auch deshalb, weil er sich gerade selbst mit zwei Kampagnen für Flüchtlinge ("Deutschland kann das" und "Flüchtlingen helfen") engagiert und viel Leid und Not gesehen hat.

Am Donnerstagabend aber wurde der 49-Jährige unfreiwilligerweise selbst zum Held eines Dramas, das in der Pariser Straße mit einem Happy End gekrönt wurde: Er rettete ein vierjähriges Mädchen, das auf einem Fenstersims kniete, und in die Tiefe zu stürzen drohte.

Andreas E. war an dem Tag gerade von einem Dreh aus Spanien zurückgekehrt, war hundemüde und wollte nur noch heim und ins Bett. In Haidhausen ging er um die Straßenecke und traf in der Pariser Straße vor einem Gitarrenladen auf einen Pulk von Menschen, die alle nach oben starrten.

Das Mädchen sprach nur Englisch

Sein Blick wanderte ebenfalls die Hauswand entlang nach oben, und dann stockte dem dreifachen Familienvater der Atem: Auf der Brüstung im dritten Stock saß im geöffneten Erkerfenster ein Kind, beugte sich nach vorne und brüllte ganz aufgeregt. Die Leute riefen zurück, sie solle bitte reingehen, doch schnell war klar, die Kleine sprach nur Englisch.

Die Angestellten von MJ Guitars hielten schon vorsorglich ihre große Fußmatte gespannt, quasi als Sprungtuch für den Ernstfall. "Go back into the room", rief ihr Andreas E. zu, und fing an zu organisieren: Er wies Passanten an, die Feuerwehr zu rufen, an der Haustüre zu klingeln - und rannte dann selbst ins Haus hinein.

Im dritten Stock angelangt, stand schon eine Frau vor der Türe, die ihm erzählte, dass das Mädchen auf die Türklingel nicht reagiere. Also entschloss sich der Regisseur, die Türe einzutreten, "was aber bei weitem nicht so einfach ist, wie es im Film immer aussieht", erzählt er. Es gelang ihm nur, eine Kassette der alten Tür herauszutreten.

Sie kam zur Tür und ließ sich trösten

Das machte das vierjährige Mädchen neugierig. Sie kam zur Tür, reckte ihr Händchen durch den Spalt und ließ sich trösten. Sie erzählte, dass ein Bekannter ihrer Mutter auf sie aufpassen sollte, sie aber allein in der Wohnung eingeschlossen habe und sie zu ihrer Mama wolle. "Geh mal zurück", sagte ihr Andreas E. Dann trat er einen etwa 30 Zentimeter breiten und 60 Zentimeter hohen Spalt in die Türe und schlüpfte in die Wohnung.

Er nahm die Kleine auf den Arm und gab den Leuten vor der Türe Entwarnung. Als der Babysitter, der wie er sagte "nur kurz in der Apotheke" gewesen war, wieder zurückkehrte, war er zunächst sauer - später dann erleichtert. Gemeinsam gingen sie in die Gaststätte zwei Häuser weiter, wo die Mutter in der Küche arbeitete. "Auch sie war anfangs völlig konsterniert", erzählt der Retter.

Es wurde dann doch später, bis Andreas E. an jenem Tag nach Hause kam. Einen Tag später, sagt er, komme ihm alles irreal vor, wie im Kino. "Aber ich habe einfach nur das gemacht, was jeder in der Situation tun würde", meint er. Den Einwand, dass Andere nicht gehandelt hätten, lässt er unkommentiert. Aber wie heißt es so schön im Film? Ende gut, alles gut.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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