Hadern:Ein Leben im Rhythmus der Pausenglocke

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Wie viele ihrer Vorfahren hat Heike Kunz als Lehrerin gearbeitet. Die längste Zeit hat sie dabei an der Canisiusschule verbracht, wo die leidenschaftliche Pädagogin auch eine Sanierung und einen Neubau managen musste. Jetzt geht sie in Ruhestand

Von Berthold Neff, Hadern

Es war kein weiter Sprung für Heike Kunz von Pasing nach Hadern. Aber es hat letzten Endes an einem Zufall gelegen, dass sie ihn tatsächlich wagte und dann auch den Großteil ihres Berufslebens hier verbrachte, als Lehrerin, Konrektorin und Rektorin an drei Schulen des Viertels am südwestlichen Stadtrand. Wäre sie evangelisch gewesen, wäre vielleicht alles ganz anders gekommen. Sie hätte als Kind die Oselschule gleich um die Ecke besucht, die damals noch den Evangelischen vorbehalten war, und wäre nicht zu den Englischen Fräulein an der Institutstraße gekommen. Und sie hätte dann auch nicht mit knapp 16 Jahren an der Kasse im Pfarrheim sitzen und darauf pochen können, dass gefälligst jeder Eintritt zahlen solle, der zum Fasching will. Einer dieser Typen hieß Alfons, stammte aus Hadern und wurde 1975 ihr Mann.

Und so kam es also dazu, dass Heike Kunz seit mehr als 30 Jahren insgesamt etwa 400 kleinen Hadernern das Lesen und Schreiben beigebracht und in drei Schulen pädagogische Akzente gesetzt hat, angefangen von der Grundschule an der Großhaderner Straße. Sieben Jahre wirkte sie hier und konnte sich schon in den Achtzigerjahren überzeugen, wie gut Ganztagsunterricht den Kindern tut. Und von ihrem Mann, der im Tagesheim arbeitete, wurde sie in dieser Einschätzung bestätigt, so dass sie heute, nach zwei weiteren Stationen, genau das in der Grundschule am Canisiusplatz verwirklicht sehen will. Hier wird sie am heutigen Freitag, an ihrem letzten Arbeitstag, in den Ruhestand verabschiedet.

Es ist also Zeit für Rückblicke, und die müssen, was den Lehrerberuf betrifft, bei Heike Kunz bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurückgehen, der von 1618 bis 1648 dauerte. Bis in jene finstere Epoche reicht der Stammbaum zurück, den ihre Mutter einst angefertigt hat. Daraus geht hervor, dass in dieser Familie so gut wie alle Lehrer gewesen sind. "Dann habe ich mich halt überzeugen lassen", sagt Heike Kunz. Sie wechselte vom Elsa-Brändström-Gymnasium an der Ebenböckstraße zur Pädagogischen Hochschule am Stadtpark und war bereits nach drei Jahren das, was schon bei ihren Vorfahren Tradition war: Lehrerin.

Ein Meilenstein in der Geschichte der Grundschule am Canisiusplatz waren die Sanierung des Altbaus und die Fertigstellung des Neubaus im Jahr 2014. (Foto: Catherina Hess)

Schon ihre erste Station führte sie in den Westen, allerdings ziemlich weit von München weg - nach Schwabmünchen, an eine kooperative Gesamtschule. Auch im Nachhinein findet Heike Kunz die Idee gut, Kinder nicht schon nach der vierten Klasse entweder ins Gymnasium, auf die Realschule oder in die Mittelschule zu zwingen, sondern ihnen mehr Zeit zur Reife und zur Entscheidung zu lassen. Dort nämlich wurden die Kinder auch noch in der fünften und der sechsten Klasse gemeinsam unterrichtet, in einer Orientierungsstufe. Erst danach wurde entschieden, wer welchen Zweig anstrebt. Und noch eines hat Heike Kunz dort erlebt: dass nämlich Gymnasial- und Grundschullehrer schon damals unterschiedlich bezahlt wurden - für die gleiche Arbeit, wohlgemerkt.

Lange hielt es sie allerdings nicht im Land zwischen Lech und Wertach, sie strebte zurück in ihre Heimatstadt. Zwei Jahre lang unterrichtete sie an der Fernpaßschule in Sendling-Westpark, wechselte danach zur Grundschule an der Großhaderner Straße und - nach sieben Jahren - als Konrektorin an die Canisiusschule. Mittlerweile waren ihre beiden Buben schon aus dem Gröbsten heraus, sie konnte sich mit voller Kraft der beruflichen Herausforderung widmen. Das Unterrichten machte ihr zwar unverändert Spaß, aber es reizte sie auch, als Rektorin neue Konzepte zu entwickeln und umzusetzen.

Diese Chance erhielt sie zunächst an der Grundschule an der Guardinistraße, und nach vier Jahren fügte es sich, dass der Rektorenposten an der Canisiusschule vakant wurde. Sie bewarb sich und wurde genommen. Aber auf was hatte sie sich bloß eingelassen? Auf das höchst ehrgeizige Unterfangen, neben ein 100 Jahre altes Schulhaus einen Neubau samt Turnhalle, Aula und Mensa zu setzen und danach das unter Denkmalschutz stehende Hauptgebäude rundum zu sanieren. Sie lernte in dieser Zeit die Feinheiten des Baurechts kennen, die Besonderheiten der Statik. Im Frühjahr 2012, ein Jahr nach der 100-Jahr-Feier der Schule, wurde der erste Spatenstich für das 21-Millionen-Euro-Projekt gesetzt, Ostern 2014 war zumindest der Neubau fertig.

Die scheidende Rektorin Heike Kunz (rechts) gemeinsam mit ihrer Nachfolgerin Anja Hefele. (Foto: Catherina Hess)

Die Eröffnung des generalsanierten Altbaus wird die Rektorin nicht mehr im Amt erleben, aber bei der für Pfingsten anberaumten Feier sicher bei den Ehrengästen zu finden sein. Heike Kunz ist stolz darauf, was die Experten der Stadtverwaltung hier aus dem Boden gestampft haben. "Das war eine sehr gute Zusammenarbeit." Sie ist froh, dass die räumlichen Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, dass hier moderner Unterricht stattfinden kann. Jedes Klassenzimmer verfügt über Beamer und interaktive Whiteboards, also digitale Tafeln, die mit einem Computer verbunden sind. Die Räume sind hell, von Licht durchflutet. Es gibt einen Speisesaal und eine moderne Küche, von der Dachterrasse und aus den oberen Klassenräumen genießt man einen wunderschönen Blick über ganz Hadern. Und es deutet alles darauf hin, dass der Canisiusplatz, derzeit wegen der Sanierung ohnehin gesperrt, für immer vom Verkehr befreit wird, was für die Sicherheit der Schulkinder äußerst wichtig wäre.

Es ist also alles dafür bereitet, dass auch die von Heike Kunz gesetzten pädagogischen Schwerpunkte fortgeführt werden, etwa die kooperative Sprachförderung. Erstklässler, deren sprachliche Kompetenz noch ausbaufähig ist, erhalten hier spezielle Hilfen, damit solche Lern- und Entwicklungsstörungen, die auf sprachliche Defizite zurückzuführen sind, gar nicht erst auftreten. Und ihre Nachfolgerin Anja Hefele wird sicher auch alles dafür tun, dass die Kinder zum Lesen angeregt werden. Und es wird auch in Zukunft sicher so sein, dass diese Schule fest ins Viertel integriert sein wird, unterstützt von vielen örtlichen Vereinen, Initiativen und dem Bezirksausschuss.

Heike Kunz wird, nach diesem Freitag, erst einmal versuchen, Abstand zu gewinnen, "ich muss jetzt meinen eigenen Rhythmus finden". Also nicht mehr um 6 Uhr aufstehen, um kurz nach 7 Uhr in der Schule sein. Öfter Skifahren, mehr Zeit für den Enkel. Mehr Zeit auch, ihrem Mann, der Vorsitzender des Geschichtsvereins Hadern ist, beim Stöbern in der Vergangenheit zu helfen. Und ab und zu an die Schule zu denken: "Vielleicht gelingt es mir, ein Schulmuseum einzurichten."

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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