Auswärtiges Amt:Berlin wollte Gaddafis Sohn schonen

Als der Sohn des früheren libyschen Diktators Gaddafi nach München kam, hätte er sich neue Aufenthaltspapiere besorgen müssen - was er nicht tat. Doch die Behörden leiteten kein Verfahren gegen ihn ein. Das Auswärtige Amt legte dem bayerischen Innenministerium nahe, bei der Einreise von Saif al-Arab Gaddafi ein Auge zuzudrücken.

Christian Rost

Die Behörden haben den lange in München lebenden Sohn des früheren libyschen Despoten Muammar al-Gaddafi entgegen der bisherigen Darstellung der Staatsregierung doch bevorzugt behandelt. Das Auswärtige Amt legte dem bayerischen Innenministerium nahe, bei der Einreise von Saif al-Arab Gaddafi ein Auge zuzudrücken.

Der damals 24-Jährige war 2006 mit einem italienischen Touristenvisum nach München gekommen und hätte sich neue Aufenthaltspapiere besorgen müssen, was er aber nicht tat. Wie Justizministerin Beate Merk (CSU) nun auf Anfrage der Landtags-Grünen mitteilte, sei wegen der "erheblichen außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik in Libyen" kein Visumverfahren gegen Gaddafi eingeleitet worden.

Dieses Argument führte das Auswärtige Amt in einem Schreiben vom 10. Juli 2007 an das Innenministerium an. Darin wies es selbst darauf hin, dass Gaddafi junior nicht mit den erforderlichen Papieren eingereist war. "Im Rahmen der Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde" solle aber auf die Nachholung des Visumverfahrens verzichtet werden, hieß es aus Berlin. Das Außenministerium hielt die Erteilung einer einjährigen Aufenthaltserlaubnis für "angemessen".

Auch später kam Gaddafi problemlos an Aufenthaltsgenehmigungen; auf die sonst üblichen sicherheitsrechtlichen Befragungen verzichteten die Behörden. Den freundlichen Umgang mit dem Wüstensohn beeinträchtigte auch nicht dessen gleichgültige Einstellung gegenüber deutschem Recht: Bis 2010 wurde gegen ihn elfmal ermittelt. Wie berichtet, ging es neben diversen Verkehrsdelikten auch um Waffenschmuggel bis hin zur Anstiftung zum Mord. Abgesehen von den Verkehrssachen blieb dies alles folgenlos, weil kein Tatverdacht festgestellt wurde.

Gaddafi wurde zu den Vorwürfen nie vernommen; selbst als es um einen Transport von Sturmgewehren nach Paris in seinem Auto ging, musste sich die Polizei auf Anweisung der Staatsanwaltschaft München I zurückhalten. So erhielten die Ermittler keine Genehmigung zur Überwachung von Gaddafis Telefonen. Es erfolgte lediglich eine Ermahnung von höchster Stelle: Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer traf sich mit dem Libyer im Hotel "Bayerischer Hof" zur Aussprache - und ließ sich zum Essen einladen.

Der Umgang der Behörden mit Gaddafi, der angeblich 2011 bei einem Raketenangriff in Tripolis starb, wird derzeit von der Nürnberger Staatsanwaltschaft untersucht. Sie ermittelt seit September gegen einen Münchner Kollegen, Oberstaatsanwalt August Stern, wegen des Verdachts auf Strafvereitelung im Amt und Geheimnisverrat.

Stern hatte einige Wochen vor einer Hausdurchsuchung von Gaddafis Villa in Waldperlach die libysche Botschaft informiert - angeblich um abzuklären, ob Saif al-Arab Gaddafi diplomatische Immunität genießt, was nicht der Fall war. Die Suche nach Waffen erwies sich dann als Flopp. Die Nürnberger Ermittlungen gegen Stern dauern an. Sollten sie bis Juli nicht abgeschlossen sein, träte die Verjährung ein.

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