Fußball-Bundesliga:Ein Schuss, ein Tor, ein Schrei im Studio

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Die Reporter fallen sich ins Wort, wenn Stürmer Treffer erzielen oder Schiedsrichter Elfmeter pfeifen. Live-Fußball im Radio ist faszinierend. Am Samstagnachmittag läuft wieder "Heute im Stadion" - seit dieser Bundesliga-Saison moderiert Philipp Eger die Sendung

Von Gerhard Fischer

Am Anfang der zweiten Halbzeit ruft Philipp Eger zur Regie hinüber: "Wie lange Anmod Katsche?" Dazu muss man wissen: "Anmod" bedeutet Anmoderation. Und Katsche ist nicht der frühere Fußballer Katsche Schwarzenbeck, sondern der Reporter Thomas Kattenbeck. Eger will also wissen, wie lange die Anmoderation dauern soll, bevor er zu Kattenbeck ins Stadion geben kann.

Christoph Deumling, der die Sendung "Heute im Stadion" 20 Jahre moderiert hatte, hörte im Sommer auf. Eger, bisher Live-Reporter wie Kattenbeck, folgte nach und wechselt sich - wie schon Deumling - mit Uwe Erdelt ab. Es ist ein Aufstieg. Die Fußball-Bundesliga am Samstagnachmittag im Radio ist Kult in Deutschland.

Es ist Philipp Egers dritte Sendung. Drei Leute befinden sich im kleinen Heute-im-Stadion-Studio, das ein Glaskasten in einem großen Raum ist: Eger, Sonja Weinfurtner, die ihm hilft, bei Torschützen und Spielständen auf dem Stand zu bleiben, und eine Technikerin. Vor Eger sind Monitore aufgebaut, Mikrofone, Tastaturen und Regler. Etwas erhöht - an die Wand montiert - hängt ein Fernseher. Eger kann dort auf Sky die Spiele verfolgen.

Nur noch wenige Sekunden bis 15 Uhr. Philipp Eger hat die Hände auf den Oberschenkeln, als würde er sie niederdrücken müssen, um keinen Frühstart zu riskieren. Erst liest der Kollege Werner Bader die Nachrichten des Tages, dann, um 15.03 Uhr, ist Eger dran: Er sagt das Wetter an, danach die Verkehrsnachrichten, dann kommt Fußball. Wer spielt gegen wen, wer ist verletzt, wer ist gut drauf, wer ist in der Krise?

Dass mit den Live-Reportern von 15.30 Uhr an die Zeitabsprachen klappen, dafür sorgt in der Regie Florian Hecht, der außerhalb des Glaskastens hockt. Er ist so etwas wie der Spielgestalter. Er gibt klare Anweisungen, spielt den Reportern und dem Moderator die Bälle zu. Es muss immer auf die Sekunde genau passen: die Schalte ins Stadion, der Einsatz von Eger, die Nachrichten, die Musik, alles. "Das ist eine große logistische Herausforderung", sagt Hecht.

Eger trippelt mit den Füßen, reibt mit den Händen auf den Oberschenkeln auf und ab. Anspannung. Aber seine Moderation klingt locker. "Mein Abschlag geht Richtung Augsburg", sagt er, "Achtung André, der Ball kommt." André ist der Reporter André Siems. Der flachst zurück: "Schlampiges Zuspiel von Philipp Eger." Eger spricht sehr deutlich, Vorgänger Deumling war ein Charismatiker, aber manchmal auch ein Verhaspler.

Sonja Weinfurtner zeigt auf den Bildschirm. Ein Tor ist gefallen. Eger kriegt nicht immer mit, wenn ein Tor fällt, weil er manchmal gerade moderiert oder mit der Regie kommuniziert. Dann reagiert er auf die Statistik-Frau und meldet den Treffer. Schön ist es, wenn man live ein Tor einfängt. Heute hat der Reporter in Köln Glück. "War doch perfekt", ruft Florian Hecht in den Raum. Es herrscht eine lockere Stimmung, man zieht sich auch gegenseitig auf.

Eger sagt: "Wir gehen alphabetisch weiter - erst FCA, dann FCB, jetzt FCI." Das ist nicht improvisiert. Er hat sich die Formulierung über den FC Augsburg, den FC Bayern und den FC Ingolstadt zurecht gelegt. "Das gehört für mich zu einer guten Vorbereitung", sagt er. Das zahlt sich aus. Eger wirkt souverän, trotz der Anspannung.

Schlussphase. Schalt-Konferenz aus allen Stadien. Die Reporter fallen sich ins Wort, wenn Tore geschossen, Elfmeter gegeben, rote Karten verteilt werden. Live-Fußball im Radio ist faszinierend, kein Medium kann so dramatisch sein.

Einige Tage später, in einem Café in der Nähe des Rundfunkplatzes. Philipp Eger, der in Erlangen wohnt, ist für einen Tag beim BR in München und hat am Telefon gesagt, er habe eine zeitliche Lücke zwischen 14 und 15 Uhr, die man mit dem Interview füllen könne. Er sieht sehr jung aus, so vis-à-vis am Tisch, jünger als 39. Und er ist nett. Aber er wirkt gehetzt, nicht so sehr wie im Studio, aber ein bisschen. Ist es ein stressiger Tag für ihn? Sitzt ihm der Termin um 15 Uhr im Nacken?

Natürlich kenne er "Heute im Stadion" bereits sehr lange, sagt er, schon der Opa habe zugehört. Er selbst kam als Jugendlicher dazu; Eger war damals Fan des FC Bayern und von Mönchengladbach. Oh ja, er hörte die Sendung gerne, und irgendwo geisterte auch der Gedanke herum, Sportmoderator zu werden. "Aber es war noch kein konkreter Berufswunsch", sagt er.

Eger machte Abitur, studierte in Augsburg Politik und Volkswirtschaft - und jobbte beim Lokalradio und beim Bayerischen Rundfunk. Nach dem Studium stieg er ganz beim BR ein, als Sport-Moderator bei Bayern 3 (unter anderem beim Magazin am Sonntagnachmittag) und als Reporter aus dem Stadion. Den FC Bayern hat er zu vielen Auswärtsfahrten in der Champions League begleitet.

Was waren da die skurrilsten Geschichten? Eger überlegt. "Die Bayern spielten in Moskau", sagt er dann, "ich kommentierte das Spiel mit André Siems, aber das Stadion war leer - ein Geisterspiel, wegen einer Strafe für ZSKA." Das sei schon kurios gewesen. Auf der BR-Homepage findet man noch ein Stadion-Erlebnis von Eger, das bizarr ist: "Während ich im Fürther Stadion hoch konzentriert die Schlussphase kommentiere", erzählt er da, "dreht sich ein Zuschauer vor mir um und fragt mich nach Feuer für seine Zigarette. Ich hatte keins."

Als Christoph Deumling aufhörte, was geschah da? Er sei gerade auf dem Weg nach Turin gewesen, erzählt Eger, Bayern spielte dort Champions League, als er einen Anruf bekommen habe. Klaus Kastan war dran, der BR-Sportchef. Kastan fragte Eger, ob er sich vorstellen könnte, Heute im Stadion zu moderieren. "Ich überlegte nicht mal 0,3 Sekunden", sagt er.

Ist das wie im Fußball, dass man sozusagen vom Spieler zum Trainer wird - als Reporter ist man bloß für sich verantwortlich, als Moderator fürs Ganze? "Ja, der Vergleich passt", sagt Eger. Er bleibt übrigens auch noch Live-Reporter. Er moderiert nur jede dritte Sendung.

Vor der ersten Sendung habe er zwar gut geschlafen, erzählt er, aber er sei schon nervös gewesen. Schließlich ist "Heute im Stadion" eine der größten Herausforderungen beim Rundfunk. Nicht jeder Radiomensch kann das, nicht jeder mag das machen. Es ist sehr hektisch. Drei Stunden lang. "Man kann nicht die komplette Sendung im Kopf haben", sagt Eger, "ich mache das in Etappen von je einer halben Stunde." Trotzdem sei "Heute im Stadion" das "Intensivste, das ich jemals gemacht habe". Aber er habe von Anfang an "ein Super-Gefühl" gehabt; es sei genau so schön, wie er es sich vorgestellt hatte. Und er habe "von Sendung zu Sendung innerlich mehr Ruhe". Am nächsten Samstag, 19. November, wird Philipp Eger die Sendung wieder moderieren.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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