Wohnen im Alter:Fußballweltmeister im barrierefreien Bruck

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Weltmeister neben Schrankwand: Manuela Topolski stellt Sepp Maier (links) das betreute Wohnen im Brucker Westen vor. (Foto: Günther Reger)

Torwartlegende Sepp Maier lässt sich betreutes Wohnen eines Werbepartners erklären, will aber lieber weiter in Anzing wohnen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Kein Zweifel, der Mann hat zwar graue Locken. Aber er ist gut zu Fuß. Im Sauseschritt geht's durch Schlafzimmer, Küche, Bad und Gemeinschaftsraum. Nur im Fitnessraum gönnt er sich auf dem Massagesessel eine kurze Pause. Der drahtige Mann in dunkelblauer Daunenjacke und schwarzer Jeans ist Sepp Maier, seines Zeichens Fußballweltmeister von 1974. Am Mittwochvormittag ist er für eine Stippvisite ins Betreute Wohnen gekommen, nur einen Steinwurf entfernt vom Geschwister-Scholl-Platz.

Wie bitte? Betreutes Wohnen? Sepp Maier? Klingt wie ein gefundenes Fressen für Boulevard-Medien und Schlagzeilen wie "Aus dem Strafraum in die barrierefreie Zone" oder "Anzinger Katze landet auf dem Bettvorleger einer Dreizimmerwohnung." Mag der ansehnliche Tross aus Journalisten, Kamerateams und Fotografen auch auf eine gute Story schließen lassen - die Wahrheit ist profaner: Maier, der vor ein paar Tagen seinen 72. Geburtstag gefeiert hat, ist seit diesem Jahr Werbegesicht des Wohnbau-Unternehmens Erlbau. Und das hat die Anlage am Kurt-Huber-Ring mit ihren längst verkauften 41 Wohnungen errichtet und baut in Karlsfeld im Landkreis Dachau ein ähnliches Projekt. Mit Hilfe des prominenten Gasts wolle man zeigen, dass Betreutes Wohnen zu Unrecht ein Imageproblem habe, sagt Manuela Topolski. Die Torwartlegende, die mit 699 Pflichtspielen für den FC Bayern Lichtjahre vor Konkurrenten wie Oliver Kahn liegt, wohnt in einer Villa im Landkreis Ebersberg. Schnell wird klar, dass sie dort auch bleiben will. Als die Erlbau-Sprecherin Maier in einer Wohnung, deren Besitzer im Urlaub sind, fragt, ob er sich denn vorstellen könne, sich in einem solchen Wohnzimmer das nächste Champions-League-Spiel der Bayern anzuschauen, da legt der sein Gesicht in noch tiefere Falten: Wos, i? Na, i no ned!" Manchmal erinnert das "Probewohnen" an einen Auftritt des dressierten Zirkusbären Ben, der den Circus Louis Knie jüngst nicht zum Gastspiel nach Bruck begleiten durfte, sich aber mit gut einstudierten Kunststücken auf dem Tretroller oder dem Balancierbrett einen Namen gemacht hatte. Der - deutlich schlankere - Sepp Maier lässt sich geduldig einen Erlbau-Meterstab in die Hand drücken, um auszumessen, ob sein Kühlschrank in die barrierefreie Küche passen würde ("ja, dad bassn"). Auf der Terrasse stellt er dennoch fest, dass er noch nie in einem Mehrfamilienhaus gewohnt hat und eine Stadt wie Bruck eher nichts für ihn ist (guad is' scho, aber mei Gegend is ned"). Dass er somit auf Bingo- oder Singabende, Kaffekränzchen und eine sicherlich vorzügliche Betreuung verzichten muss, scheint er verschmerzen zu können - zumal er "die Spielwiese" daheim dieser zu kleinen und zu weichen Matratze vorzieht.

Draußen wartet derweil die 16-jährige Lena, die unter der Jacke ein Lewandowski-Trikot trägt. Seit 9 Uhr wartet sie schon und hofft noch auf ein Autogramm. So recht will auch sie sich nicht vorstellen, dass die Torwartlegende Betreuungsbedarf hat.

© SZ vom 24.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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