Wildschweine im Landkreis:Die Wühler zieht's nach Westen

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Vor allem rund um Moorenweis werden die Wildschweine zum Problem - die Jäger kommen mit dem Abschuss kaum nach. Das Landratsamt verlang nun Treibjagden.

Erich C. Setzwein

Sie kommen zu jeder Tages- und Nachtzeit, richten mehr oder weniger Zerstörung an, und nur in Ausnahmefällen werden sie zur Verantwortung gezogen. Die Folgen sind dann meistens tödlich für die Wildscheine, die durch den Landkreis ziehen. Fast 200 von ihnen wurden 2010 erlegt, im vergangenen Jahr könnten mehr abgeschossen worden sein. Die Zahlen werden erst in einigen Wochen bekannt gegeben. Klar ist aber jetzt schon durch Beobachtungen von Bauern, Jägern und Forstbesitzern: Die Rotten ziehen mehr durch den Westen des Landkreises als durch den Osten.

Die Wildschweine fühlen sich wie im Paradies", sagt Kreisjagdberater Rainer Grüter. Weil die Bauern mehr Mais anbauen - auch für Biogaskraftwerke -, findet das Schwarzwild beste Bedingungen vor. Nahezu unentdeckt können die Rotten in die bis an den Waldrand stehenden Maisfelder gelangen und sich während ihres Aufenthalts satt fressen. Relative Sicherheit und ein reiches Futterangebot sind laut Grüter aber nur zwei Gründe, warum es mittlerweile zu jeder Jahreszeit Frischlinge gibt. Eine weitere Ursache ungezügelten Wachstums der Wildschweinpopulation sei das Fehlen der Leitbache. Wurde eine solche Anführerin der Rotte versehentlich erlegt oder kam sie bei einem Verkehrsunfall um, "macht jeder, was er will". Die Rottenstruktur werde "unnormal".

Die "günstigen Umweltbedingungen" sind aber nicht nur auf eine Zunahme von Maisfeldern zurückzuführen, sondern auch auf ein reichhaltiges Nahrungsangebot im Wald. So geht die Jagdbehörde beim Landratsamt von einer Zuwachsrate beim Schwarzwild um 300 Prozent in den vergangenen Jahren aus. Insbesondere das vergangene Jahr habe mit vielen Früchten von Eichen und Buchen in den Wäldern dazu beigetragen, dass sich die "Schwarzkittel" sauwohl fühlen durften. "Sie sind regelrecht gemästet worden", sagte die Pressesprecherin des Landratsamtes, Pia Schmahl.

Nicht im gleichen Umfang wie die Population ist die Zahl der Abschüsse gestiegen. So verzeichnet das Landratsamt für das Jahr 2007/2008 98 erlegte Wildschweine, für 2009/10 86 Tiere und 2010/2011 197 Wildschweine. Deshalb seien "geeignete Maßnahmen" erforderlich, wie Schmahl es formulierte. Sie meint damit die revierübergreifenden Jagden. Denn Schwarzwild kennt weder Reviergrenzen, noch hat es eine Schonfrist. Insbesondere im Westen zwischen Moorenweis und Kaltenberg, wo laut Rainer Grüter im vergangenen Jahr die größten Schäden festgestellt worden sind, sollten die Jäger mehr Tiere erlegen - mehr noch als in den Jahren zuvor im Mammendorfer Raum.

Doch wo, wenn nicht an reich gedeckten Tischen der Schweine im Wald oder beim Wechsel zwischen Forst und Wiese könnten Jäger zum Schuss kommen? Sie klagen, das Ansitzen auf Schwarzwild sei langwierig, oft unergiebig und Nachtsichtgerät nicht erlaubt. Rainer Grüter weiß, dass es wohl auch nichts bringt, wenn die sonst nur bei Militär und Behörden verwendeten Restlichtverstärker verwendet würden. In der Schweiz, so Grüter, hätten entsprechende Versuche nicht den erwarteten Erfolg gehabt. Der Kreisjagdberater und die Jagdbehörde empfehlen deshalb gemeinsam organisierte Treibjagden. Weil dabei keine Reviergrenzen eingehalten werden können, muss vorher festgelegt werden, wem die Beute gehört. Das sei zivilrechtlich so festgelegt, sagt Schmahl.

Auch wenn die Bauern den Wildschweinen eine gute Nahrungsgrundlage geben, so sind sie gleichzeitig die Hauptgeschädigten, wenn die Schweine mit ihren Schnauzen durch die Anpflanzungen pflügen. Rainer Grüter berichtet von Landwirten, die den Jägern inzwischen entgegenkommen, sogenannte Schussgassen in den Maisfeldern anlegen und zwischen Anbaufläche und Waldrand Abstand lassen.

Welche Konzepte von Jägern, Forstleuten und Landwirten akzeptiert werden, das könnte sich bei der jährlichen Zusammenkunft der Kreisgruppe des Landesjagdverbandes in wenigen Wochen herausstellen. Dann werden auch die Abschusszahlen vorgelegt, die bis dahin ausgearbeitet sein sollen. In der Statistik wird eine Zahl erscheinen, die auch 26 Jahre danach immer noch nachdenklich stimmt: die jener Wildschweine nämlich, die als Spätfolge von Tschernobyl hoch mit Radioaktivität belastet sind.

© SZ vom 21.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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