Tag des offenen Denkmals:Zur Teestunde in der Luxusvilla

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Bei der Denkmal-Tour dürfen Besucher einen Blick in die prachtvollsten Villen des Landkreises werfen - und erfahren spannende Details über das Leben vergangener Jahrhunderte.

Karin Eilks

Ein kleiner Weg führt direkt von Sigrid Tuchtenhagen-Strüvens Grundstück an die Amper. Dorthin, wo früher ein Badehaus stand. Von dem Garten mit dem perfekt gestutzten Rasen und den Kletterrosen kann man zwischen Bäumen den Fluss schimmern sehen.

Ein Höhepunkt beim "Tag des offenen Denkmals" im Landkreis Fürstenfeldbruck ist das Schloss Höhenroth. (Foto: Günther Reger)

"Diese herrliche Lage am Amperhochufer war der Grund, dass sich so viele Künstler und wohlhabende Leute hier Häuser gebaut haben", sagte Kreisbaumeisterin Reinlinde Leitz, als sie am Sonntag zusammen mit Kreisheimatpflegerin Susanne Poller und etwa 60 Gästen das Grundstück der Villa "Schloss Höfen" in Grafrath besichtigte.

Gleich mehrere private Villen konnten die Teilnehmer der Bustour zum "Tag des offenen Denkmals" besichtigen. Es sei gar nicht schwer gewesen, die Besitzer der Häuser zu überzeugen, sagte Leitz, die im Brucker Landratsamt vor 25 Jahren die erste Kreisbaumeisterin Bayerns wurde. "Ich kenne die alle, weil sie sich an mich wenden müssen, wenn sie etwas sanieren wollen."

Die Villen entlang der Amper von Emmering über Fürstenfeldbruck, Grafrath bis Kottgeisering seien größtenteils ab 1900 entstanden, erzählte Leitz. Wohlhabende Maler, Literaten und Privatiers seien ihrer Sehnsucht ins Grüne gefolgt.

Die mehrstündige Bustour hatten Leitz und Poller zum 18. Tag des offenen Denkmals organisiert. Seit es diesen Tag, an dem Menschen kulturelles Erbe erleben können, in Deutschland gibt, beteiligt sich auch der Landkreis Fürstenfeldbruck daran. "Schloss Höfen" war am Sonntag eine der ersten Stationen.

Während die Busgäste Kaffee aus englischem Porzellan tranken und Muffins aßen, erzählte Tuchtenhagen-Strüven, dass sie und ihr Mann die Jugendstil-Villa mit Wintergarten, die sich 1914 ein Bankier erbauen ließ, vor gut 20 Jahren gekauft hätten. Nachdem das Haus mehrmals den Besitzer gewechselt und zuletzt 15 Jahre leer gestanden habe, hätten bereits Pläne für eine Reihenhaussiedlung auf dem Grundstück existiert. "Wenn das kein Denkmal mehr wäre, würde das Haus hier längst nicht mehr stehen", sagte die Besitzerin.

Ein weiterer Höhepunkt der Tour war das ebenfalls am Grafrather Amperhochufer gelegene "Schloss Höhenroth". Bereits um 1869 habe ein Münchner Bildhauer das dreigeschossige Gebäude mit Mansardendach errichten lassen, erzählte der Besitzer Klaus Scheicher, als er seine Gäste über das Anwesen führte. Das kleine Schloss mit einem Turm im neubarocken Stil sei vermutlich 1874 dazugekommen. Viele der späteren Hausherren hätten - oft erfolglos - eine Pension dort betrieben. 1907 sei Höhenroth bei einer Zwangsversteigerung in den Besitz des Grafen Nikolaus von Pückler gegangen.

"In sechs Jahren Arbeit haben wir alles mit den alten Plänen wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt", sagte Klaus Scheicher, der das Anwesen 1982 von einem Neffen Pücklers gekauft hat. Der Hausherr führte seine Gäste sogar in das Schloss hinein, wo er ihnen die originalgetreue Stuckdecke, das Treppenhaus und den Speiselift zeigte.

Während Reinlinde Leitz die Tour zusammengestellt hatte, war Susanne Poller vor allem der frühen Tourismusmetropole Bruck auf den Grund gegangen. So erfuhren die Gäste während der Busreise, dass die Fahrt von München nach Fürstenfeldbruck mit der Postkutsche einst sieben Stunden dauerte. Kein Wunder, dass 1840 ein wahrer Tourismusboom ausbrach, als man mit der neuen Bahn nach Maisach und von dort mit der Kutsche weiter in die beliebte Fürstenfeldbrucker Flusslandschaft fahren konnte. Plötzlich habe die Fahrt nur noch vier Stunden gedauert, sagte Poller.

Bereits um 1800 seien dann auch die ersten Literaten und Künstler aus München ins Ampertal gekommen, um dort Freilichtstudien zu betreiben, berichtete Poller. Mit ihnen seien auch die ersten Touristen angereist, im Laufe des Jahrhunderts seien es immer mehr geworden. Oft seien sie für mehrere Wochen und Monate zur Kur geblieben.

"Das Publikum war bunt gemischt", sagte Poller, "neben Adel, Großbürgern und Künstlern verbrachten auch Beamte und Angestellte ihre Ferien in der Sommerfrische." Sie hätten beispielsweise im Gasthaus zur Post oder im Marthabräu, aber auch in Privatquartieren gewohnt. Attraktionen seien neben der Amper Cafés, Brauereien, Kirchen, das Kloster Fürstenfeld oder der Engelsberg gewesen.

Als 1875 die Bahnlinie zwischen München und Buchloe in Betrieb ging, sei Fürstenfeldbruck sogar in gut 40 Minuten zu erreichen gewesen. "Zu den Sommerfrischlern mischten sich nun auch Großstädter, die eine Landpartie unternahmen - einen Sonntagsausflug ins Grüne", erzählte Poller.

Besonders beliebt sei der Ausflug an den Ammersee gewesen. "Die Amperschifffahrt war die einzige öffentliche Verkehrsverbindung zwischen dem Ammersee und dem nächstgelegenen Bahnhof Grafrath", sagte sie. Man sei mit der Bahn nach Grafrath gefahren und von dort zu jener Anlegestelle gegangen, wo heute noch immer das "Wirtshaus Dampfschiff" steht.

© SZ vom 14.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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