Sport:Zusammen schweben

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Im Takt: Hanna und Robert Valentiner beim Tanzen im Sportzentrum Puchheim (Foto: Johannes Simon)

Hanna und Robert Valentiner tanzen seit 37 Jahren als Paar. Zumindest mit den Wettbewerben ist jetzt Schluss

Von Karl-Wilhelm Götte, Puchheim

Ehe sich Hanna und Robert Valentiner zum Langsamen Walzer in Tanzhaltung aufstellen und übers Parkett schweben, stehen bei ihnen Aufwärmübungen auf dem Programm. Er tanzt allein die Schritte des Walzers durch den Tanzsaal des Tanzsportclubs (TSC) Alemana Puchheim, sie macht zunächst Lockerungsübungen vor dem großen Spiegel im Raum. Fünf bis zehn Minuten wärmt sich das Tanzpaar regelmäßig auf. Das Ehepaar aus Gröbenzell hat jede Menge Erfahrung damit, wie die Abläufe aussehen müssen, damit gleich der erste Tanz stimmt. Die Valentiners tanzen seit 37 Jahren zusammen, jetzt haben sie mit dem Turniertanz aufgehört. Das lebenslange Tanzen geht jedoch weiter.

Zu seinem letzten Turnier ist das Ehepaar noch einmal weit gereist. An der Ostsee in Heiligenhafen hatten sie sich wieder einmal mit den besten Paaren aus Deutschland in der D-Klasse der über 55-jährigen Standardtänzer gemessen. Dabei sprangen ein zweiter und ein dritter Platz heraus. "Den Quickstep, den letzten Tanz, ja unseren letzten Turniertanz im Leben haben wir gewonnen", blickt Hanna Valentiner mit Stolz zurück. Tanzpaare tun sich leichter, wenn sie in etwa gleich groß sind. Bei den Valentiners ist das indes schwieriger: Er misst 1,88 Meter und sie ist mit 1,65 Metern eher klein. Bei gleicher Größe klappt es mit der waagerechten Ausführung der Arme besser und damit ist die Tanzhaltung perfekter.

Die Sehnsucht nach der perfekten, sagen wir nach einer schönen Tanzhaltung, treibt jedes Paar um. Auch Hanna und Robert Valentiner haben einst in einer Tanzschule mit dem Tanzen begonnen. In Tanzschulen werden häufig in erster Linie Figuren unterrichtet, die Haltung ist oft zweitrangig. Haltung zu unterrichten, ist mühsam und kostet Zeit, deshalb kommt sie in der Regel in Tanzschulen zur kurz. In den Tanzsportclubs ist das anders. Hier sind häufig ehemalige Turniertänzer als Trainer am Werk, die besonders auch die Haltung der Paare im Blick haben. Der Mann bietet seiner Partnerin mit seinen Armen einen Rahmen an, der möglichst stabil und gleich bleibt. Die Tänzer schauen sich beim Tanzen nicht an, das würde jede Haltung kaputt machen. Die Köpfe werden nach links und nach rechts gelegt; jeder Kopf hat sein eigenes "Fenster". Anfänger brauchen mehrere Jahre im Standardtanzen, um diese Stabilität möglichst über den gesamten Wiener Walzer oder Tango aufrechtzuerhalten.

Die Valentiners begannen ursprünglich in einer Münchner Tanzschule mit Rock 'n' Roll. Da waren beide um die 30 Jahre alt. Rock 'n' Roll war der Wunsch von Robert Valentiner, danach hatte er seiner Frau einen Kurs im Standardtanzen versprochen. Beim Rock 'n' Roll waren sie das älteste Paar, trotzdem haben sie auch die akrobatischen Teile getanzt. 1981 wurden sie dann Mitglied bei Alemana Puchheim. Robert Valentiner war als Heizungsbaumeister tätig und musste frühmorgens um 4.30 Uhr aufstehen, da war es mit dem Tanztraining am Abend manchmal sehr schwierig gewesen. Hanna Valentiner arbeitete nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes als Versicherungsangestellte Teilzeit. Bei Alemana Puchheim, einem sehr sportlich ausgerichteten Tanzsportclub, machte das Paar bald enorme Fortschritte und gewann reihenweise Breitensportwettbewerbe und Siegerpokale.

Zum Ende ihrer Tanzkarriere stiegen die Valentiners dann auch in den Turniersport ein. Dabei erhöhte sich das Training an drei Tagen auf fünf bis sechs Stunden. Trainiert wurden sie vom Ehepaar Alona Uehlin und Anton Skuratov, einem der besten jungen Standardpaare in Deutschland. Auch hier stellten sich in den Seniorenwettbewerben Erfolge ein. Drei Tänze gilt es in der D-Klasse zu absolvieren: Langsamer Walzer, Tango und Quickstep. Alle Tänze dauern jeweils 90 Sekunden. Das ist anstrengend, besonders wenn sie in perfekter Haltung den Wertungsrichtern vorgeführt werden müssen. "Der Quickstep, ein schneller Tanz, ist unser Lieblingstanz geworden", sagt Hanna Valentiner und ihr Mann nickt. Mit 70 und 73 Jahren treten die Valentiners nun etwas kürzer. Doch immer noch sind sie jeden Sonntagmorgen zwei, drei Stunden im Alemana-Tanzsaal im Puchheimer Sportzentrum zu finden.

Tanzen ist auch als Freizeitvergnügen bestens zum Streiten geeignet, zumal das Tanzpaar das gemeinsame Hobby immer Körper an Körper absolvieren muss. Besonders auch Ehepaare sind vor nicht selten lautstarken Kontroversen gefeit. "Es liegt immer am anderen, ich habe bei einem temperamentvollen Paar schon beobachtet, dass die Partnerin Schuhe nach ihrem Mann geworfen hat", erzählt Hanna Valentiner und lacht. So weit ist es bei ihnen nie gekommen. Beide haben einen "Mittelweg gefunden", wie sie übereinstimmend sagen. Sie akzeptieren, dass man/frau nicht jeden Tag in gleich guter Form ist. "Wir verzeihen uns Fehler", bestätigt auch Robert Valentiner. Nach dem Rücktritt vom Turniersport geht das Gröbenzeller Ehepaar das gemeinsame Tanzen gelassener an. "Wir sind nicht mehr so verbissen", meint Hanna Valentiner. Aber der Ehrgeiz, dass der rhythmisch nicht einfache Fünferschritt beim Tango gut aussieht und beim Langsamen Walzer die Schwebephase lang genug ist, ist immer noch vorhanden. Ein Motto, das trägt: Zusammen schweben - ein ganzes Leben lang.

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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