Olchinger vor dem Schwurgericht:Eine eigene unverbindliche Art

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Die Anklage lautet auf Mordversuch an seiner Frau - doch der mutmaßliche Täter aus Olching gibt nur zwei Ohrfeigen zu

Ariane Lindenbach

Für Ismail D. steht viel auf dem Spiel. Befinden ihn die Richter der 1. Schwurgerichtskammer am Landgericht München II des versuchten Mordes an seiner inzwischen von ihm geschiedenen Frau schuldig, droht ihm eine mehrjährige Freiheitsstrafe. Seit Mittwoch sitzt der 2002 nach Deutschland gekommene Türke zum zweiten Mal wegen der selben Tat auf der Anklagebank - nur hieß der Vorwurf damals gefährliche Körperverletzung, jetzt versuchter Mord. Womöglich hat der Olchinger deshalb gestern völlig anders ausgesagt: Statt wie im Dezember vollumfänglich zu gestehen, räumte er am Mittwoch nur zwei Ohrfeigen ein.

Es ist ein bisschen wie ein Deja-vu: Der gleiche Saal B 266 am Landgericht München II, die selben Akteure - vom Angeklagten über seinen Verteidiger und den Dolmetscher auf der rechten Seite über die beiden Sachverständigen, die Nebenklagevertreterin, der Staatsanwalt auf der anderen Seite. Allerdings sitzen am Mittwoch fünf statt drei Richter an der Stirnseite, zwei davon in Zivil. Wegen des gravierenden Vorwurfs ist der Prozess an die 1. Schwurgerichtskammer verwiesen worden. Der Vorsitzende Richter ist nach wie vor Ralph Alt.

Doch statt das Geständnis zu erneuern, das der Verteidiger vor fünf Monaten für seinen Mandanten abgelegt hat, leugnet dieser nun in der neuen Verhandlung jegliche Gewalttat an seiner damaligen Frau - von den Ohrfeigen abgesehen. Weder will er die junge Frau, die in Deutschland aufwuchs und ihren Mann beim Besuch der Familie ihres Vaters in der Türkei 1999 kennenlernte, gewürgt, noch ihr ein Kissen auf das Gesicht gedrückt haben. Auch die von der Staatsanwaltschaft angesprochenen Morddrohungen im Beisein des damals drei Jahre alten Sohnes und später der Geschwister bestreitet der 37-Jährige jetzt.

Vom Richter auf den eklatanten Widerspruch angesprochen, redet sich der Angeklagte, der seit zehn Monaten in Untersuchungshaft sitzt, heraus - so wie er es schon zuvor in der mehr als vier Stunden dauernden Vernehmung bei etlichen Unstimmigkeiten gemacht hat. Es sei seine erste Verhandlung, er habe nur auf Rat seines Anwalts gestanden und gehofft, auch die anderen würden die Wahrheit sagen, wenn sie seine Entschuldigung hören. Für die Anwesenden ist es nicht das erste Mal an diesem Tag, dass sie Schwierigkeiten haben, dieser Logik zu folgen. Alt rechnet dem Angeklagten vor, dass es drei übereinstimmende Aussagen seiner Exfrau und deren Geschwister gibt, die von der ersten Vernehmung bis zur Verhandlung im Dezember konstant sind. Auf der anderen Seite gebe es nun zwei verschiedene Versionen von ihm. Eine Richterin ergänzt: "Sie können uns alles erzählen. Nur, Ihnen muss klar sein: Wir müssen Ihnen nicht alles glauben."

Die unverhohlenen Zweifel des Gerichts kommen nicht allzu überraschend. Hat der 37-Jährige schon in den Stunden davor mit Details aus seinem Leben zahlreiche Fragen aufgeworfen. So berichtet er erstmals, dass er schon einmal verheiratet war. Mittels sich vielfach wiederholender Fragen wird dem Angeklagten entlockt, wie lange diese Ehe dauerte und warum er sie bisher nicht erwähnt hat. "Ja, es gibt so viele Geschichten zu erzählen", erwidert er in seiner ihm eigenen, unverbindlichen Art. Angenehm klar, strukturiert und stringent ist dagegen die Aussage seiner ehemahligen Gemahlin. Die selbstbewusste junge Frau, die ihren Beruf liebt, bestätigt erneut, dass ihr Exmann sie am Pfingstmontag 2011 beinahe umgebracht hat.

Der Prozess ist auf drei Tage terminiert. Ob die mangels Geständnis genügen, ist offen. Denkbar ist laut Staatsanwalt, dass nun weitere Zeugen vernommen werden, die die Aussage des 37-Jährigen im Dezember gehört haben.

© SZ vom 19.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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