Obdachlosigkeit im Landkreis:Ohne Wohnung, ohne Perspektive

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Die Obdachlosigkeit wird zu einem immer drängenderen Problem. Das lässt sich auch an der chronisch ausgebuchten Notunterkunft in Fürstenfeldbruck ablesen. Viele Menschen können sich die hohen Mieten schlicht nicht leisten.

Karl-Wilhelm Götte

Die Obdachlosenunterkunft in der Kreisstadt ist chronisch überlastet. Ralf Grath, Leiter der Wohnungslosenhilfe der Caritas, sieht darin den Beleg für eine bedenkliche Entwicklung im Landkreis. Bei den Brucker Zeitgesprächen im Gemeindesaal der Gnadenkirche äußerte er sich besorgt über die zunehmende Zahl wohnungsloser oder von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen.

Im Hotel am Horst in Fürstenfeldbruck finden Obdachlose Unterkunft. (Foto: Günther Reger)

Die zehn Betten in der vom Landkreis finanzierten Notunterkunft "Kap" an der Kapuzinerstraße sind fast immer ausgebucht. Und auch in der neuen Fachstelle Wohnen, die seit Anfang Januar von der Caritas und der Arbeiterwohlfahrt an der Dachauer Straße für den Landkreis betrieben wird, melden sich viel mehr Menschen als erwartet. "In den ersten drei Wochen kamen schon etwa 50 Personen", so der Sozialpädagoge. Das würde aufs Jahr gesehen die bisher ermittelte Zahl von etwa 200 Menschen im Landkreis, die durch Wohnungslosigkeit im Jahre 2011 bedroht waren, erheblich übersteigen. "Es liegt wohl auch daran, dass diesen Personen bisher eine Anlaufstelle fehlte", so Grath. In der Fachstelle werde vor allem präventiv gearbeitet. "Wir greifen möglichst vor der Räumungsklage ein." Das sei sehr arbeitsintensiv, aber den Betroffenen könne so erfolgreicher geholfen werden. Einer Caritas-Erhebung zufolge haben im Jahr 2011 73 Menschen ihre Wohnungen verloren.

Wohnungslosigkeit entsteht häufig nach einer Trennung, nach einer psychischen oder suchtbedingten Erkrankung sowie einer Entlassung aus einer stationären Einrichtung oder Haftanstalt. Die Kommunen bringen Wohnungslose, die auf längere Zeit keine Bleibe haben, in Notunterkünften wie dem Brucker "Hotel am Horst" an der Maisacher Straße unter. Dort kostet ein Bett fast 20 Euro pro Tag. Die Zahl der "Menschen auf der Straße", also der klassischen Obdachlosen, schätzt Grath auf landkreisweit etwa 150. Der Schwerpunkt liegt in Fürstenfeldbruck. Die seit 17 Jahren bestehende Einrichtung ist abends von 18 bis 21 Uhr und danach nur zum Schlafen geöffnet. Die Aufgenommenen können sich duschen und Wäsche waschen. Zudem gibt es eine Kleiderkammer. In der Regel können Obdachlose dort eine Woche am Stück bleiben, in Ausnahmefällen bis zu einem halben Jahr. Für viele ist auch die Postadresse, unter der sie dann erreichbar sind, sehr wertvoll.

Im Kap herrscht striktes Alkoholverbot, dafür gibt es für Alkohol- und Suchtabhängige ein Beratungsangebot, mit dessen Hilfe sie wieder zurück in ein selbstbestimmtes Leben finden sollen. Das gelang auch bei einem Thüringer, der als Koch gearbeitet hatte und nach der Schließung des Lokals alkoholabhängig geworden war. Nach einer Therapie fand der Mann wieder eine Anstellung in seinem Beruf. Etwa ein Drittel der Gäste im Kap ist im Niedriglohnsektor beschäftigt - und kann sich trotz Arbeit keine eigene Wohnung leisten. In den nächsten Jahren könnte sich die Obdachlosigkeit angesichts fehlender Wohnungen im Münchner Raum weiter zuspitzen. Laut Statistik fehlten im Landkreis 2010 mehr als 1100 Wohnungen. 2017 könnten es Prognosen zufolge bereits 8700 Wohnungen, davon 4400 Mietwohnungen, sein. "Keine guten Aussichten für Menschen mit geringem Einkommen", so Grath. Deren Zahl wächst auch im Landkreis.

© SZ vom 07.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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