Konzert:Ganz eigene Melange

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Andreas Ottensamer beweist bei der Germeringer Klassik-Reihe, wie variabel die Klarinette gespielt werden kann

Von KLAUS MOHR, Germering

Zuerst planten der Vater und seine zwei Söhne, alle drei herausragende Klarinettisten, einen Auftritt als Gruppe "The Clarinotts". Dann starb der Vater, die beiden Söhne blieben übrig. In dieser Formation war das Konzert der Klassik-Reihe in Germering angekündigt. Doch dann erkrankte Daniel Ottensamer kurzfristig, so dass am Ende nur Andreas Ottensamer, Sol-Klarinettist der Berliner Philharmoniker, mit dem Pianisten Christoph Traxler als Unterstützung auf der Bühne des Orlandosaals stand.

Die Frage, ob die Reduzierung auf eine Klarinette nun einen Verlust darstellt, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Wer Andreas Ottensamer in Germering jedoch gehört hat, der war geradezu gefangen von der Konzentration, mit der hier musiziert wurde und der Variabilität des Klarinettentons. Bei vielen Instrumenten und auch bei der Stimme gehört es zu den Qualitätsmerkmalen, dass Registerübergänge möglichst unhörbar sind. Die Tonqualität der Klarinette beinhaltet automatisch, dass hier verschiedene Register hörbar erklingen, und dass sich Ausdruck aus dem jeweils spezifischen Klang ergibt.

Andreas Ottensamer klassifizierte das Programm des Abends als "atmosphärisch", wozu der Akzent auf der amerikanischen Musik und dem Jazz beitrage. Tatsächlich hatte der Abend eine Geschlossenheit, die abseits ausgetretener Pfade angesiedelt war. Dennoch war eine ungeheure Vielfalt an stilistischen Strömungen zu erleben, die beeindruckend zu einer ganz eigenen Melange zusammengeführt war. Die Musik von Claude Debussy ist in besonderer Weise prädestiniert, eine Atmosphäre zu schaffen, die oft schwebend wirkt. Das traf auch auf seine Première Rhapsodie zu, die eingangs zu hören war. Der Kopfsatz (Rêveusement lent) ließ den Klang erst einmal allmählich entstehen und hatte auch einen Schwerpunkt auf den leisen Tönen. Das glitzernde Farbenspiel der Klarinette mutete im Zusammenspiel mit dem Klavier so an, als ob sich die Linie der Klarinette auf einer Wasseroberfläche bewegen würde. Von Impulsen und rhythmischer Wandlungsfähigkeit war das folgende Animé geprägt, während im Scherzando die Frage von Nähe und Distanz zwischen beiden Instrumenten immer wieder neu definiert wurde.

Kammermusik findet sich im Schaffen von Leonard Bernstein so gut wie nicht, so dass es nicht verwundert, dass seine Klarinettensonate bereits zu Studienzeiten entstand. Dennoch atmen die zwei Sätze bereits die für ihn typische melodiöse Führung und den subtilen Umgang mit einer jazzig angehauchten Rhythmik. Aus dieser Mischung entstand ein eigenartig fesselnder Klanggestus, der ein gewisses Suchtpotenzial beinhaltete. Swingend gerieten auch zwei Songs für Klavier solo von George Gershwin, wobei Christoph Traxler die raffinierte Balance beider Hände im ersten Stück genauso auskostete wie die große virtuose Geste im zweiten. Béla Kovács gehört sicher nicht zu den sehr bekannten Komponisten, hat aber ein sicheres Gespür für musikalische Effekte, die nicht banal wirken. Sein Stück "After You, Mr. Gershwin" lebte nach einem virtuosen Beginn von der fein differenzierten Abstimmung zwischen beiden Instrumenten, die sich oft im gleichen Klangregister trafen. Grelle Tonspitzen krönten den Schluss, nachdem zuvor Schnipser und Stampfer den Rhythmus akzentuiert hatten.

Französisches Klangraffinement bewies nach der Pause die Klarinettensonate von Francis Poulenc, und in drei Gnossiennes von Eric Satie spürte der Pianist anschließend überzeugend diesem Idiom auf der Tastatur nach. Viel Beifall und eine Zugabe zum Schluss.

© SZ vom 14.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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