Germering:Umkehr statt Einkehr

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Weil mit der Eröffnung des neuen S-Bahnhofs der Bahnübergang gesperrt wurde, ist es für die Germeringer schwierig geworden, nach Freiham zu kommen. In Aubing wächst zudem der Widerstand gegen eine Unterführung

Von Karl-Wilhelm Götte

300 Meter oder 1,7 Kilometer: Der Unterschied ist für Steffi von Freyberg vom "Freihamer Wirtshaus" enorm wichtig, denn die Mitarbeiterin der Wirtschaft fürchtet um ihr Geschäft. Die Differenz resultiert aus dem neuerdings gesperrten Bahnübergang zur Freihamer Allee und dem Umweg, den die Germeringer Besucher des Wirtshauses jetzt machen müssen. Auf die Sperrung der Straße, die bisher auch für den Autoverkehr offen war, soll der Bau einer Fußgänger- und Radunterführung folgen, die allerdings von der Bürgerinitiative zur "Rettung der Freihamer Allee" abgelehnt wird. Sie sammelt Unterschriften für ein Bürgerbegehren.

Der Weg zum Gut Freiham ist versperrt. Hier soll eine Unterführung gebaut werden. (Foto: Günther Reger)

Seit gut zwei Wochen stehen die Germeringer am bisher beschrankten Übergang der S-Bahnline, der etwa 500 Meter von der Germeringer Stadtgrenze auf Münchner Flur liegt, verdutzt vor einem Zaun, der zusätzlich mit Kies auf beiden Seiten verstärkt ist. Die alternative Route über das Freihamer Gewerbegebiet kennen die wenigsten. Die führt in Richtung Neuaubing, um dann ins Gewerbegebiet abzubiegen und über die neu asphaltierte Centa-Hafenbrädl-Straße von Südosten das Gut Freiham und den Biergarten zu erreichen. Ein 1400 Meter langer Umweg über ein ödes Gebiet, mit der Idylle der Freihamer Allee mit seinen Kastanienreihen nicht zu vergleichen.

Viele Germeringer nutzen seit Jahrzehnten das Areal als Naherholungsgebiet. Jetzt fühlen sie sich abgeschnitten. Hans Hümmer wollte die Sperre anfangs nicht wahr haben. Bevor der Zaun kam, seien plötzlich die Halbschranken, mit denen der Übergang bis dato gesichert war, dauerhaft unten gewesen. "Sechs Stunden habe ich hinterher gehört", erzählt der Germeringer. Er wartete einige Minuten, aber die Schranken gingen nicht wie gewohnt hoch. Er nahm an, sie seien defekt und schaute nach links und nach rechts, sah in der Ferne keinen Zug kommen und ging dann über die Gleise. Auf der anderen Seite hatte sich die Polizei postiert und hielt Hümmer an. "Ich habe mit einer 20-Euro-Verwarnung gerechnet", sagt der Stammgast im Freihamer Wirtshaus. Doch dann kam für Hümmer das böse Erwachen: 373,50 Euro verlangte der Bußgeldbescheid.

Die Absperrung des Bahnübergangs ging einher mit der Eröffnung der neuen S-Bahnstation Freiham rund 600 Meter weiter Richtung München. Die Stadt München wollte trotz des neuen S-Bahnhaltes ursprünglich die Freihamer Allee mit einer Vollbeschrankung ausstatten und damit den Zugang zum Gut erhalten. "Dann kam ein Brief von der Deutschen Bahn", erzählt Marianne Langer. Sie wohnt in Aubing, ist als SPD-Mitglied stellvertretende Vorsitzende des Bezirksausschusses Aubing-Lochhausen-Langwied und gehört zur Bürgerinitiative, die das Bürgerbegehren erzwingen will.

Die DB Netz AG, um deren Grundstück es sich handelt, plädierte als Bauherr gegenüber dem Stadtrat für eine Unterführung. Besonders beim Zehn-Minuten-Takt morgens und abends von Montag bis Freitag müssten die Schranken durch den zusätzlichen S-Bahnhof Freiham länger unten sein als zuvor, argumentiert die Bahn. Von bis zu 36 Minuten pro Stunde ist in einer Sitzungsvorlage für den Stadtrat aus dem Jahre 2011 die Rede.

"Die Bahn wollte offenbar nicht für die Wartung und die Folgekosten für eine Vollbeschrankung aufkommen", vermutet Langer. Doch offenbar dürfe die Bahn auf ihrem Hoheitsgebiet alles diktieren, auch die Kosten für eine Unterführung. Jedenfalls sprach sich die Stadtratsmehrheit für den Bau der Unterführung aus, die etwa 1,8 Millionen Euro kosten wird. München trägt davon ein Drittel, also 800 000 Euro. Bei einer kompletten Schranke müsste die Landeshauptstadt nur 340 000 Euro aufbringen.

"Die Unterführung soll 80 Meter lang und 3,80 Meter tief werden", sagt Langer. "Das ist völlig überdimensioniert." Zudem sollen dafür mehrere alte Kastanienbäume gefällt werden, was die Bürgerinitiative am meisten stört. Auch die Erschließung Freihams für den Autoverkehr über die Centa-Hafenbrädl-Straße hält sie für verfehlt. Die Straße sollte nach der Auffassung der Bürgerinitiative nur ein Rettungsweg sein und nicht zusätzlichen Verkehr reinbringen.

Im Germeringer Rathaus herrscht Achselzucken vor. "Das ist München, die machen das einfach", erklärt der Bauamtsleiter Jürgen Thum. Die Stadt Germering als unmittelbarer Nachbar sei nicht in die Münchner Entscheidung mit einbezogen worden. Thum kann sich auch an keine offizielle Unterrichtung durch die Landeshauptstadt erinnern. Auch jene Germeringer Bürger, die die Unterführungsgegner unterstützen wollen, sind fast machtlos. Beim Bürgerbegehren können nur Münchner unterschreiben.

Der Bau der Unterführung ist für die nächsten zwei Jahre angekündigt. Doch Steffi von Freyberg vom Freihamer Wirtshaus ist da skeptisch: "Das wird einschlafen, weil es einfach zu wenig Leute betrifft." Trotzdem würden viele Gäste das Bürgerbegehren unterschreiben. 2200 Unterschriften sind nötig, um ein örtliches Bürgerbegehren des 22. Münchner Stadtbezirks Aubing-Lochhausen-Langwied auf den Weg zu bringen.

© SZ vom 30.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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