Asylbewerber:Bangen um die Anerkennung

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Die Flüchtlinge in der Aufnahmeeinrichtung im Fliegerhorst empfinden das monatelange Warten als zermürbend. Sie klagen über zu wenig Information und verschwundene Behördenpost

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Haben Flüchtlinge erst einmal die Dependance der Erstaufnahmeeinrichtung der Regierung von Oberbayern im Fliegerhorst erreicht, sollten sie eigentlich zufrieden sein. Sie sind in Sicherheit untergebracht, werden zumindest mit allem Lebensnotwendigen versorgt und es läuft ein rechtsstaatliches Asylverfahren an. Trotzdem sind viele, die hier leben, weiterhin sehr verunsichert und damit auch unzufrieden. Das liegt daran, dass sie weiter in der Luft hängen. Sie machen sich Sorgen um ihre zurückgelassenen Familien und sie warten sehnsüchtig auf die Anerkennung als Flüchtling.

Angst vor der Abschiebung

Eines lernt man in der Dependance schnell: So lange die Anerkennung als Flüchtling, also der offizielle Flüchtlingsstatus fehlt, so lange gibt es keine Chance, in eine feste Dauerunterkunft eingewiesen. So lange das nicht geschehen ist, müssen die Wartenden jeden Tag befürchten, nach der Dublin-Vereinbarung in das EU-Land abgeschoben zu werden, über das sie in die EU eingereist sind. Also vor allem nach Italien oder Ungarn. Dort wollen sie aber auf keinen Fall hin, dann wären alle Anstrengungen der oft Monate dauernden Flucht vergeblich gewesen. "Dann lieber zurück in den Krieg nach Syrien als nach Italien", beteuert einer der Männer.

Hängepartie

Zieht sich diese Hängepartie in der Massenunterkunft, in der bis zu siebenhundert Menschen leben und fast täglich neue Bewohner kommen und gehen, über Monate hin, ist das zermürbend. Zudem gibt es kaum Betätigungsmöglichkeiten. Diese Verunsicherung ist nach Ansicht von Bewohnern der Einrichtung ein Grund, weshalb es hier seit der Eröffnung wiederholt zu Tumulten kam, die von Polizisten geschlichtet werden mussten.

Im Gespräch mit der SZ erläutern mehrere Betroffene, die wegen ihrem noch laufenden Verfahren anonym bleiben wollen, was ihrer Ansicht nach schlecht oder falsch läuft in der Fürstenfeldbrucker Dependance. Ihr Resümee: Es gibt ein Bündel von Probleme, das aus ungeklärten Zuständigkeiten, der Überlastung von Behörden und Beteiligten sowie aus Kommunikationspannen resultiert. Wie soll ein Iraker, Afrikaner oder Syrer sich damit zurecht finden, wie deutsche Behörden arbeiten? Einmal abgesehen von den Verständigungsschwierigkeiten.

Die Sprachprobleme beginnen bei ganz einfachen Dingen. So verkehren andere Behörden mit der Brucker Erstaufnahmeeinrichtung nicht per E-Mail, sondern per Post. Weil diese Post nicht beim Empfänger ankomme, gingen immer wieder für die Verfahren entscheidende Unterlagen verloren, heißt es. Überschwänglich gelobt wird dagegen die Arbeit der Caritasbetreuer und der Asylhelfer.

Trotz aller Probleme beteuern die Flüchtlinge eines: dankbar zu sein für die Aufnahme und die Zuwendung, die sie hier finden. Mit am Schlimmsten empfinden sie, dass zu häufig Informationen zu lange oder ganz ausblieben und Schriftstücke gar nicht oder verspätet zugestellt würden. So komme es vor, dass ein Asylbewerber zu einem Gespräch nach München bestellt wird, um dort zu erfahren, dass er eigentlich schon vor einem Monat in ein festes Quartier hätte umziehen müssen. Nur sei die entsprechende Benachrichtigung bei ihm nie angekommen. Das Nachsehen hat der Flüchtling, dessen Unterkunft längst anderweitig vergeben wurde.

Mit solchen Erfahrungen steigt der Frust. Sie ziehen aber auch Angst und Misstrauen nach sich, wecken Gefühle wie das, in einem undurchschaubaren System nur ein Spielball unbekannter Mächte und Menschen zu sein. Völlig zermürbend wird der Aufenthalt in dem mit einem Zaun von der Kaserne abgegrenzten Bereich, wenn die Flüchtlinge über Monate hinweg mitbekommen, dass andere Asylbewerber, die das gleiche Schicksal haben wie sie, fast täglich die erlösende Nachricht erhalten, die Dependance verlassen zu können, sie aber weiter hingehalten werden. Eine Antwort auf die Frage "Warum bleiben wir länger als ein Vierteljahr hier?", bleibe man den Asylbewerbern schuldig, sagt einer der Betroffenen. Die Standardantwort laute, es liege am Computersystem, berichtet ein Akademiker aus dem Nahen Osten.

Je länger die Wartezeit dauert, umso mehr schwindet die Chance, die in der Krisenregion zurückgelassene Familie nachkommen zu lassen. Schließlich hatte man ja mit dem Versprechen, die Familie nachzuholen, die Heimat verlassen. Somit kann selbst nach der Anerkennung als Flüchtling der Ablauf der nächsten bedrückenden Frist beginnen, in der Frau und Kinder noch legal nachreisen könnten. Und auch in dieser Situation setzt sich bei einigen der Betroffenen der gleiche Eindruck fest, man tut zwar etwas, aber alles dauert viel zu lange. Und die Vorgänge blieben intransparent.

Selbst nach der Anerkennung als Asylbewerber kann die Hängepartei weitergehen. Dann sind andere Dinge zu klären. Man muss eine Wohnung finden, in einer Flüchtlingsunterkunft der Regierung oder des Landkreises kann man dann nicht mehr bleiben. Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz gibt es auch nicht mehr. Plötzlich sind dann andere, die Kommunen zuständig, das sind Aussichten, die auch schon mal einen Bürgermeister in Bedrängnis bringen.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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