Fasching:Die Marathon-Glücksbringer

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Kindergarten, Seniorenklub, Schönbrunn, Möbelgeschäft, Faschingsball: Das Olchinger Prinzenpaar absolviert an sechs Tagen etwa 50 Auftritte und Besuche. Es wird überall sehnsüchtig erwartet. Und überall tickt die Uhr

Von Stefan Salger

Um 22.36 Uhr am Samstagabend lassen sich Ihre Lieblichkeit und Seine Tollität vom Applaus aus dem Olchinger Sportheim tragen. Der Ball der Daxer Löwen war der letzte Termin an diesem Tag. Feierabend, der Reisebus wartet draußen mit laufendem Motor, während Helfer mit routinierten Griffen Scheinwerfer und die Musikanlage einladen. Hinter dem Olchinger Prinzenpaar Franziska I. und Daniel III. liegen Audienzen und Auftritte ohne Ende. Seit dem Unsinnigen Donnerstag sind sie in einem engmaschigen Terminkorsett gefangen, jede Minute zählt. Rein ins Auto, raus aus dem Auto, rein in den Reisebus, raus aus dem Reisebus. Überall blicken sie in erwartungsvolle Gesichter. Immer gut gelaunt sein, immer lachen, immer winken. Erst am Faschingsdienstag, spät in der Nacht, wird alles auf einen Schlag vorbei sein. Sie werden wie aus einem Traum erwachen. Das Märchen Aschenputtel, das dem Showprogramm Cinderella den Namen gegeben hat, wird buchstäblich auf den Kopf gestellt: Aus Prinzen werden Bürgerliche, aus Franziska I. wird Franziska Riedl, aus Daniel III. wird Daniel Hartig. Beide werden noch ein paar Tage Urlaub haben, um den Übergang in den Büroalltag etwas abzumildern. Aber das ist noch ferne Zukunftsmusik.

Die Showtanzgruppe Spirit of Motion und Franziska I. sowie Daniel III. präsentieren im Seniorenklub ihr Programm "Cinderella". (Foto: Stefan Salger/oh)

Es ist ein wahrer Marathon, den sie bis dahin absolvieren - immer begleitet von Martina Klein, der Präsidentin der Olchinger Faschingsgilde, meist von Hofmarschall Guido Amendt und sehr oft von der Showtanzgruppe Spirit of Motion. Ein kräftezehrender Marathon, den sie freiwillig mitmachen und von dem vor allem andere profitieren: Kindergartenkinder, Senioren, Bewohner von sozialen Einrichtungen, aber natürlich auch alle, die Feste und Umzüge im Fasching besuchen.

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(Foto: Stefan Salger)

"Wohnt ihr beide in einem richtigen Schloss?" Franziska Riedl und Daniel Hartig beantworten im Kindergarten Dreikäsehoch geduldig jede Frage.

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(Foto: Stefan Salger)

Hofmarschall Guido Amendt erklärt, warum Aktivseniorinnen-Chefin Rosina Schwojer den Faschingsorden verdient hat.

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(Foto: Stefan Salger)

Ein Gardetänzer nutzt die Zeit bis zur Weiterfahrt für ein kleines Nickerchen

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(Foto: Stefan Salger)

Die Zuschauerim Franziskuswerk Schönbrunn sind begeistert von der Show.

Wer das Prinzenpaar eine Zeit lang begleitet, der sieht, was es leistet. Am Donnerstag dreht es im Kinderhaus Dreikäsehoch am Schwaigfeld vor den großen Augen kleiner Bienen, Kapitäne und Cowboys ein paar Runden auf dem Parkett. "Ihr dürft mal das Kleid der Prinzessin anfassen", sagt die Leiterin Heike Kleppel, "aber nicht dran zupfen!" Ein paar Mutige wagen sich vor und fragen, ob das Prinzenpaar in einer Kutsche fährt und ob es in einem Schloss wohnt. Wann die Prinzessin an diesem Tag aufgestanden ist, fragt niemand. Die Antwort wäre gewesen: um 4.45 Uhr. Denn solche Tage wollen vorbereitet sein. Um 9.11 Uhr ist das Prinzenpaar im Kindergarten angekommen, um 9.29 Uhr geht es weiter zu den nächsten Kindergärten. Um 8.20 Uhr hat der offizielle Tag begonnen, um 19.30 Uhr, und damit ausnahmsweise recht früh, wird er nach dem Auftritt gemeinsam mit der Garde auf dem Weiberfasching in der Cantina enden. Bis zum Abend des Faschingsdienstags stehen fast 50 Auftritte, Termine und Besuche bei Sponsoren wie Möbelgeschäften oder Einkaufszentren auf dem Programm, auch in Nachbarlandkreisen und in München. Franziska I. und Daniel III. wissen ein eingespieltes Team hinter sich. Die Faschingsgilde Olching, die sich selbst als große Familie sieht, zählt 120 Mitglieder, 30 davon sind entweder Tänzer oder aktive Helfer, das Alter reicht vom Dreijährigen bis hin zu Wolfgang Sammet. Der ist 71 Jahre alt, lässt keine Proklamation und Inthronisation aus und fährt seit gut 25 Jahren regelmäßig im Bus von Auftritt zu Auftritt mit.

Prinzenpaare im Landkreis

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(Foto: Stefan Salger/oh)

Faschings-Prinzenpaare gibt es im Landkreis in Olching, Fürstenfeldbruck und Germering. In Olching regieren Franziska I. und Daniel III. von der Olchinger Faschingsgilde. Die Olchinger Bürokauffrau Franziska Riedl, 23, ist auch im richtigen Leben liiert mit IT-Systemkaufmann Daniel Hartig, 25, aus Gernlinden. Beide tanzen in der Showtanzgruppe "Spirit of Motion" mit. Dort sind zwei weitere Männer vertreten, die bereits selbst Prinzen waren. Der andere Faschingsverein im Ort, die Olchinger Tanzfreunde, stellt traditionsgemäß das Kinder-Prinzenpaar. Dem Kindesalter sind OTF-Prinzessin Ana I. und Prinz Max IV. in dieser Faschingssaison aber schon entwachsen: Ana ist 19 und ihr Prinz Max 17 Jahre alt. In Germering stellt der Schautanzverein Fun Unlimited traditionell das Prinzenpaar. Diesmal heißen sie Tina I. und Andy IV. Tina Kraut war schon als Kind beim Faschingstanz dabei. Andy Belgradt ist ein Newcomer bei Fun Unlimited. Der Verein stellt auch das aktuelle Kinderprinzenpaar. Maurizio I. und Isabel III. sind beide neun Jahre alt. Maurizio begeistert die Narrenschar immer wieder mit einer verwegenen Breakdance-Sequenz. Arbeitsteilung gibt es auch in Fürstenfeldbruck. Jedes Jahr wechselt das offizielle Prinzenpaar der Stadt zwischen den beiden Vereinen Heimatgilde "Die Brucker" und den Brucker Faschingsfreunden. Diesmal sind wieder die Faschingsfreunde dran. Samia I. und Denis I. heißen die Regenten. Samia Hanisch, 24 und Denis Peschek, 26, sind "alte Hasen" bei den Faschingsfreunden. Sie tanzen beide seit 2008 in der Schaugarde mit. Samia Hanisch gehörte zudem zwei Jahre den Teenies an. Sie ist Bankangestellte, er arbeitet als Kfz-Mechatroniker. Für den Prinzen geht ein lang gehegter Traum in Erfüllung. Beide engagieren sich auch in der Vereinsführung der Faschingsfreunde und haben dort Vorstandsämter inne. Die Heimatgilde stellt mit Sebastian I. und Lenja I. das Kinderprinzenpaar.

Nach dem Auftritt bei den BRK-Aktivsenioren Olching erklären die 23-Jährige, die 2006 selbst Kinderprinzessin und elf Jahre lang Tänzerin bei Kids und Next Generation war, und ihr zwei Jahre älterer Partner, warum sie all die Strapazen auf sich nehmen und sich dafür sogar noch selbst an den Kosten für ihre Kostüme beteiligen. Eigentlich ist es ja ganz einfach. Die Strapazen sind nur die eine Seite, die andere Seite, das ist die große Freude zu tanzen, aufzutreten und zu sehen, was man damit bei anderen Menschen bewirken kann. "Irgendwann kommt auch der eigene Körper in den Modus, dann geht das ohne Probleme", sagt Daniel Hartig. Dann bewährt es sich, seit dem Spätsommer dreimal die Woche trainiert zu haben. Im Bus, bei der Fahrt zum nächsten Auftritt, können man sich ja "auch mal fünf Minuten zurückziehen", ergänzt Franziska Riedl. Kaum zu glauben, wenn man mitbekommt, mit welcher Begeisterung die ganze Truppe selbst im Bus zu Gassenhauern wie "Hulapalu" Rambazamba macht. In den beiden vergangenen Nächten ist die bekennende Langschläferin auf je vier Stunden Schlaf gekommen. Einziger Luxus: Weil Prinzessin und Prinz keine Uhren tragen, müssen sich die anderen ums Zeitmanagement kümmern. Etwa Guido Amendt. Der 44 Jahre alte Hofmarschall kann auch ziemlich gut erklären, wie man dem Fasching mit Haut und Haaren erliegen kann. Der promovierte Marketingspezialist ist Geschäftsführer einer kleinen Brauerei. Um den Jahreswechsel herum aber verdrängt der Fasching den Arbeitsalltag, wo immer sich eine Lücke auftut. Seine Frau Nadja und die sechsjährige Tochter Dina sind oft mit dabei. Amendt war vor 21 Jahren der erste Olchinger Faschingsprinz. Er weiß, dass so eine Rolle, mal abgesehen vom Spaß, auch "Soft Skills" bringt. "Man lernt ganz viel fürs Leben und für den Beruf." Aber das allein ist es natürlich nicht. Für ein paar Minuten oder Stunden den Menschen Freude und Glück zu bringen, das sei die wirkliche Erfüllung des zeitintensiven Hobbys. Am eindrucksvollsten für ihn waren Auftritte bei Menschen mit Behinderung. "Die geben dir so viel Freude zurück".

So ist das auch um 18.45 Uhr in Schönbrunn. Hier bestätigt sich, dass die Auftritte, nüchtern ausgedrückt, ein Geschäft auf Gegenseitigkeit sind. Freude bringen, begeisterten Applaus ernten. Aus den Boxen tönt es "Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben", die Gäste tanzen mit, jubeln dem Hausmeister und dem "Bufdi" zu, die mit Faschingsorden ausgezeichnet werden. Seit 20 Jahren wird die Faschingsgilde hier gebucht. Eine tolle Sache, sagt Caritas-Fachdienstleiterin Riccarda Schamberger, die sehr wohl weiß, dass die Bewohner auch ein erstklassiges Publikum sind. Hier ist der Fasching ein Highlight. Hier sammeln die Bewohner Programmhefte der Vorjahre und die Autogrammkarten der Prinzenpaare und Showtanzgruppen.

Am Samstagabend ist dann trotzdem erst mal Schluss mit lustig. Aber die Uhr tickt unerbittlich. Nächste Zwischenstation der Prinzenpaar-Polonaise: Sonntag, 11.30 Uhr, in der örtlichen Tanzschule.

© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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