Brexit:Ein Brite in der Warteschlange

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Seit 15 Jahren lebt Martin Adams in Gröbenzell. Wegen des nahenden Brexit will er die doppelte Staatsbürgerschaft beantragen. Ob das klappt, ist ungewiss. Denn die Mühlen im Fürstenfeldbrucker Ausländeramt mahlen langsam

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Menschen aus Großbritannien genießen den Ruf, höflich und distinguiert und mit einer guten Prise des sprichwörtlichen britischen Humors ausgestattet zu sein. Dieser britische Humor ist Martin Adams vergangen. Vielleicht liegt es daran, dass er ein gebürtiger Schotte ist - oder daran, dass er nach 35 Jahren in Bayern, davon 15 Jahre in Gröbenzell, längst ein halber Deutscher ist. Definitiv "not amused" ist der 59-Jährige über die Bearbeitungszeiten der Ausländerbehörde im Landkreis, die ihm einen Strich durch seine Lebensplanung machen könnte.

"Wie ein schlechter Traum" erwischte Adams die Kunde vom Brexit, also vom Entschluss der britischen Regierung, der Europäischen Union adieu zu sagen. Konnte sein, was nicht sein durfte? Aber schnell war klar, dass er mit dem Entschluss klar kommen muss, mag er sich selbst auch immer "als Europäer gefühlt" haben. Was bedeutete der Brexit für ihn? Seine Aufenthaltserlaubnis würde er deshalb nicht verlieren, da ist er sich sicher. Schließlich ist er in Deutschland längst verwurzelt und führt in Greifenberg im Nachbarlandkreis die deutsche Niederlassung eines amerikanischen Lieferanten von Autowerkstatt-Einrichtungen mit 14 Mitarbeitern. Was aber, wenn er sich einmal entschließen sollte, in die Toscana zu ziehen? Mit einem britischen Pass könnte das Probleme geben.

Martin Adams ist Geschäftsführer einer im Nachbarlandkreis ansässigen Unternehmensfiliale mit 14 Mitarbeitern. (Foto: Hunter Deutschland)

Noch sind die Brexit-Verhandlungen im vollen Gange - am Montag traf sich Premierministerin Theresa May erneut mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Dabei ging es zumindest am Rande auch um die Briten, die im Ausland leben. Offen ist weiterhin, ob konsularische Sonderregelungen beschlossen werden. "Sicher ist sicher", dachte sich Adams: EU-Bürger können zusätzlich die Staatsbürgerschaft eines zweiten EU-Landes annehmen, wenn sie dort bereits seit mindestens acht Jahren wohnen. Mit einer zusätzlichen deutschen Staatsbürgerschaft bliebe alles beim Alten für ihn. Der Haken: Das geht eben nur für EU-Bürger. Wenn der Brexit vollzogen ist, dann ist Martin Adams kein EU-Bürger mehr und der Zug ist abgefahren.

Zunächst machte sich Adams keine großen Sorgen. Mit dem Brexit wird ja frühestens im März 2019 gerechnet. Noch viel Zeit, dachte er. Bis er versuchte, die Sache mit der doppelten Staatsbürgerschaft ins Rollen zu bringen. Und schnell wurde klar, dass das mit 2019 knapp werden könnte, dass die Mühlen mancher Behörden sehr langsam mahlen und dass auch EU-Bürger nicht auf verkürzte Bearbeitungszeiten hoffen dürfen. Eine erste Anfrage ans Fürstenfeldbrucker Landratsamt blieb unbeantwortet. Mitte Juni versuchte es Adams noch mal. Erst auf die dritte Anfrage, mit der sich der Gröbenzeller direkt an Landrat Thomas Karmasin wandte, erhielt er überhaupt eine Antwort. Vor ein paar Wochen las Adams in der SZ etwas über die langen Bearbeitungszeiten in der Ausländerbehörde. Er weiß nun, dass da nicht ausnahmsweise etwas schief gelaufen ist, dass er kein Einzelfall ist. Seine Verärgerung hat dadurch noch zugenommen. "Das frustriert mich schon", sagt er. Bei einem EU-Bürger wie ihm liege die Sache doch sehr klar, was müsse denn da monatelang geprüft werden? Als frühesten Termin für ein Beratungsgespräch und die Abgabe der erforderlichen Unterlagen hat ihm die Behörde Mitte Oktober den 19. März 2018, 9 Uhr zugewiesen - mit dem Hinweis, dass er anschließend "mit einer Bearbeitungszeit von mindestens einem Jahr" rechnen muss. Begründet wird dies mit "der personellen Situation und mit steigenden Antragszahlen". Der entscheidende Stichtag ist die Prüfung kurz vor dem Abschluss des Verfahrens, in Adams Fall dürfte das frühestens im März 2019 sein. Adams wies mehrmals auf den Zeitdruck hin und auf die mittlerweile bestandene Sprachprüfung und den bestandenen Einbürgerungstest. Doch obwohl es sich anscheinend nur um eine Formsache handelt, fand die Behörde keinen früheren Termin für den Briten. "Ich will den deutschen Pass, aber es könnte ganz schön knapp werden," bekräftigt Adams und schüttelt den Kopf. Wenn er einem Kunden sagen würde: "Wir haben einen personellen Engpass, kommen Sie in fünf Monaten wieder!", dann hätte er einen Kunden weniger. "In der Wirtschaft geht so was gar nicht."

Andreas Buchner, Sprecher des Landratsamts, räumt ein, dass Briten nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU keinen deutschen Pass mehr bekommen - auch wenn grundsätzlich noch die Möglichkeit von Einzelfallprüfungen besteht und sich die EU und Großbritannien noch auf völkerrechtliche Verträge einigen könnten. Ob eine "Übergangsregelung für Altfälle in Kraft treten" werde, "entzieht sich der Kenntnis der Behörde", so Buchner.

Die Regierung von Oberbayern als zuständige Aufsichtsbehörde sieht keinen Anlass für Kritik am Landratsamt wegen der langen Bearbeitungszeiten. Laut Sprecher Martin Nell gibt es "für Einbürgerungsverfahren keine spezifischen Fristen. "Derzeit sehen sich praktisch alle oberbayerischen Ausländerbehörden einer besonders hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt, die ihre Ursache unter anderen in den besonders hohen Zugängen 2015/2016 hat", schreibt Nell. Ein Blick über die Landesgrenze zeigt, dass es von der Einreichung der Unterlagen bis zum Entscheid über Einbürgerung oder doppelte Staatsbürgerschaft häufig bis zu sechs Monate dauert. Die Berliner Zeitung berichtete 2015 von einem Serben, dessen Einbürgerung in 87 Tagen erledigt war. Fürstenfeldbruck ist dennoch kein Einzelfall. In den entsprechenden Internetforen gibt es zahlreiche Klagen über die schleppende Bearbeitung in anderen Ausländerämtern. Ebenso wie in Fürstenfeldbruck gelingt es offenbar nicht, genügend zusätzliche Fachkräfte zu finden und zu schulen.

© SZ vom 05.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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