Amtsgericht:Von Jägern und Tierschützern

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Ein Schwan am Olchinger See wird erschossen. Nun wird der Schütze freigesprochen: Er ist Jäger, und der Vogel war krank

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Schwäne fühlen sich auf dem Olchinger See heimisch. (Foto: Günther Reger)

Soll ein krankes Wildtier seinem Schicksal überlassen werden oder soll man es mit allen bekannten medizinischen Mitteln behandeln und ihm das Leben retten? Diese beiden grundverschiedenen Ansätze stehen hinter der Aufregung um einen Jungschwan, der vor einem Jahr von zwei jungen Jägern am kleinen Olchinger See erschossen worden ist. Nun musste sich der Schütze, ein 19 Jahre alter Gröbenzeller, wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz vor der Brucker Jugendrichterin verantworten. Die sprach den jungen Mann frei, da der glaubhaft versicherte, das Tier sei krank gewesen.

Ziemlich genau vor einem Jahr, am 21. Oktober, und damit neun Tage vor Ende der Schonzeit, hat der 19-Jährige den Jungschwan erschossen. Bei Tierschützern und in den sozialen Medien löste er einen Sturm der Entrüstung aus. Denn die Schwanfamilie hatte schon einige Berühmtheit erlangt: Ursprünglich am Lerchenauer See in München beheimatet, wanderten die drei, vermutlich gestört von den Motorbooten der Wasserwacht, in das Olympiazentrum. Den Marsch hatten engagierte Tierfreunde beobachtet.

Der Revierschwan am Olympiasee duldete jedoch keine Konkurrenz in seiner Nähe. Die Tierschützer bewachten Medienberichten zufolge zunächst das Zusammenleben, nach zwei Wochen siedelten sie die Tiere dann aber nach eigenen Angaben mit behördlicher Genehmigung und zusammen mit dem Tierschutzverein München an den kleinen Olchinger See um. Dort hatte laut einem Vogelschutzexperten in den letzten Jahren kein Schwan gelebt. Die Münchner Tierfreunde besuchten die Tiere auch an ihrem neuen Domizil. Sonst wäre vielleicht niemandem aufgefallen, dass plötzlich ein Schwan fehlte. So aber wurde der Abschuss des jungen Höckerschwans angezeigt.

Der nun Angeklagte erklärt in der Verhandlung, seinem Jagdkumpan und ihm sei der Schwan krank vorgekommen; er sei dünn gewesen und habe gehumpelt. Als "sehr klein und abgemagert" beschreibt ihn der Freund. Laut dem Gröbenzeller, der kurz davor den Jagdschein gemacht hatte, sei man in einem kurzen Gespräch übereingekommen, "dass das einzig sinnvolle ist, den Schwan zu töten". Er habe das erledigt. Dann entdeckten die jungen Jäger ein Geschwür am Fußballen, sie brachten das Tier zu einem befreundeten Veterinär.

"Er war vergleichsweise klein", bestätigt der Tierarzt, der den Schwan oberflächlich untersucht hatte. Das Geschwür am Ballen - für Wildtiere sehr ungewöhnlich, die Tierschützer erklären es aber mit dem langen Marsch durch München - war nach seiner Einschätzung mittel ausgeprägt und könnte Hinweis auf eine andere Erkrankung, etwa einen Hüftschaden sein. Als die Prozessbeteiligten Fotos des Schwans anschauen, spricht ein Zuhörer dazwischen. Er sei als Zeuge geladen gewesen und nun wieder ausgeladen. Er habe sein Notebook dabei mit Aufnahmen des Tieres. Der Mann, wie sich zeigt einer der Tierschützer, wird von Jugendrichterin Anna Kappenschneider harsch unterbrochen. Wenn er nicht leise sei, werde er des Saals verwiesen und erhalte ein Ordnungsgeld. Genau das passiert schließlich auf Antrag der Staatsanwältin: der Tierfreund muss 200 Euro bezahlen und den Saal verlassen.

"Es ist gut, wenn sich junge Jäger so viele Gedanken machen", und sogar ihren Jagdschein durch einen Schuss während der Schonzeit riskieren, um ein Tier von seinem Leid zu erlösen, lobt eine Sachverständige des Jagdverbandes das Verhalten der jungen Männer. In seiner Ausbildung habe er gelernt, kranke Tiere zu erkennen. Nichthandeln könnte ihm sogar als Tierschutzverstoß ausgelegt werden.

"Das Verhalten ist aus meiner Sicht nicht strafbar", resümiert die Staatsanwältin. Ihrem Antrag auf Freispruch folgen Verteidiger und Richterin. "Der Angeklagte hatte einen vernünftigen Grund, diesen jungen Schwan zu erschießen", sagt die Richterin.

© SZ vom 27.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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