Freizeit in München:Ideen für die Isar: Wem gehört der Fluss?

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  • Die Isar ist an vielen Stellen renaturiert - und so beliebt, dass sie in Gefahr ist.
  • Die einen träumen von neuen Zugängen, die anderen wollen das Gewässer stärker abschirmen.
  • Bei allen Plänen geht es doch immer um das eine Ziel: die Bedürfnisse von Menschen und Natur unter einen Hut zu bringen.

Von Thomas Anlauf

Die Mönchsgrasmücke singt ihr Morgenlied. Der Gesang ist deutlich zu hören, Manfred Siering deutet durch die Büsche zum Fluss. "Sie sitzt auf der Insel in der Weide", sagt der 69-Jährige. Siering trägt eine graue Jacke gegen den morgendlichen Regen, in der Hand hält er sein Fernglas.

Mit einer kleinen Gruppe steht der Vorsitzende der Ornithologischen Gesellschaft in Bayern in der kleinen Grünanlage am Vater-Rhein-Brunnen, er will den Frühaufstehern zeigen, wie viele Tiere und Pflanzen hier an der Isar leben - mitten in München. Fast in Reichweite sitzt eine Wacholderdrossel in einem Kirschbaum. "Die schlägt sich hier den Bauch voll", sagt Siering.

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Morgens um sechs, wenn München noch schläfrig ist, können Neugierige die anderen Bewohner der Stadt am besten beobachten: den Wanderfalken, der über der Ludwigsbrücke kreist; Fische, die durchs klare Wasser huschen; und mit etwas Glück den dicken Biber, der mit seinem Weibchen in einem Bau auf der Museumsinsel lebt.

Im Februar 2015 gab es einen Aufschrei unter Naturschützern, als das Ufer der Insel gerodet wurde. Sie befürchteten, dass das Biberpaar geflohen war. Ein paar Monate später demonstrierte der Biber jedoch eindrucksvoll, dass er sich nicht so leicht vertreiben lässt. Er nagte einfach eine große Weide südlich der Museumsinsel um.

Den Biber scheint die Nähe zum Menschen nicht sonderlich zu stören. Denn an heißen Sommerwochenenden herrscht in seiner Nachbarschaft Hochbetrieb. Ein Steinwurf weiter südlich sitzen dann Hunderte, manchmal sogar Tausende Münchner und genießen den Sommer. Und ein paar hundert Meter weiter nördlich, zwischen Ludwigsbrücke und Kabelsteg, ist oft schon am frühen Nachmittag kein Fleck mehr auf den Kiesbänken frei.

Die Menschen sind oft rücksichtslos der Natur gegenüber

Dabei liegt der Abschnitt der kleinen Isar im Landschaftsschutzgebiet. Baden ist hier eigentlich nicht erlaubt, aber viele halten sich nicht daran. Manfred Siering findet das traurig. "Die Leute kennen keine Natur mehr", sagt er. Nicht nur an der kleinen Isar stört ihn das manchmal rücksichtslose Verhalten der Münchner gegenüber der Natur. Besonders im Süden, rund um den Flaucher, fordert er strenge Auflagen, damit die Natur vor den Menschen geschützt wird. "Man muss mit Bußgeldern arbeiten", findet er.

Aber wem gehört eigentlich die Isar? In der Frage gehen die Meinungen weit auseinander. Strenge Umweltschützer sind der Ansicht, dass die Natur an der Isar viel besser vor Feiernden und Badenden abgeschirmt werden sollte. Mitarbeiter des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) haben am Flaucher das Vorkommen von Schmetterlingen und in den gesamten Münchner Isarauen die Wuchsorte seltener Büsche und Bäume untersucht. "Die Ergebnisse belegen, dass die Artenvielfalt erschreckend zurückgegangen ist", warnte LBV-Geschäftsführer Heinz Sedlmeier im Frühjahr.

Demgegenüber betonte Münchens Umweltreferentin Stephanie Jacobs kürzlich bei einer Versammlung des Bundes Naturschutz (BN), dass 80 Prozent aller Arten, die es in Bayern gebe, in München vorkommen. Wildtiere sind auf dem Vormarsch in die Stadt. Während rund um München auf monotonen Maisfeldern die Artenvielfalt dramatisch zurückgeht, siedeln in der Stadt Tiere in den vielen Grünzügen - auch an der Isar.

Die geglückte Renaturierung der Isar hat dazu beigetragen, obwohl damit die Flussufer so attraktiv für die Münchner geworden sind, dass sich dort an Wochenenden Zehntausende aufhalten. Das Problem ist aber nicht unbedingt die große Menschenmenge, sondern das Verhalten einiger "Saubären", wie Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Leute bezeichnet, die ihren Müll einfach am Ufer liegen lassen.

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Am Montag will er eine neue Aufklärungskampagne vorstellen, die für eine saubere Isar wirbt. Denn der Stadt geht es gar nicht darum, möglichst viele Verbote zu erlassen, sondern die Badenden und Feiernden zu sensibilisieren, ihren Dreck wieder mitzunehmen. Die Renaturierung der Isar dient nämlich neben einem besseren Hochwasserschutz vor allem den Menschen - eine "höhere Qualität für Freizeit und Erholung", heißt es in der Zielvorgabe des Isar-Plans.

Dieser Raum für Freizeit und Erholung ist enorm wichtig in einer immer dichter besiedelten Stadt wie München. Eine aktuelle Studie des Forschungsprojekts "TEEB - Naturkapital Deutschland" kommt zu dem Ergebnis, dass insbesondere in wachsenden Städten wie München "der Bedarf an urbanen Freiräumen als Orte, die eine individuelle Freizeitgestaltung ermöglichen", steige, diese darüber hinaus aber auch "Begegnung, Austausch und interkulturelle Vielfalt fördern". Parks, Gewässerränder, Gemeinschaftsgärten, Naturerfahrungsräume müssten frei und kostenlos zugänglich sein. Sie hätten "bedeutende soziale Funktionen".

Aus diesem Grund diskutieren Stadträte und Initiativen seit Jahren darüber, wie die innerstädtische Isar noch attraktiver für Münchner werden kann. Es gibt zahlreiche Ideen und Pläne wie breite Treppen zum Fluss, Balkone und Sitzmöglichkeiten. Unter Federführung des Umweltreferats wird bis Ende 2017 eine Machbarkeitsstudie erstellt, ob und wo ein öffentliches Flussbad in der großen Isar entstehen könnte.

Die Isar gehört Mensch und Tier

Da für das Bad genügend Wassertiefe vorhanden sein muss, wird vermutlich besonders der kanalisierte Bereich am Deutschen Museum genau untersucht, der auch aus ökologischer Sicht weniger problematisch ist. Umweltreferentin Stephanie Jacobs ist es "wichtig, das richtige Maß zwischen Freizeitgestaltung und Naturschutz an der Isar zu finden". Ein Flussbad könnte auch den Effekt haben, dass viele Münchner, die bislang am Flaucher oder unerlaubt in der kleinen Isar baden, dann lieber in eine öffentliche Einrichtung mit Umkleidekabinen und Bademeistern gehen - was wiederum der Natur am Fluss zugute kommen würde.

Wem gehört die Isar? Denen, die still den Fluss genießen wollen, denen, die dort joggen oder schwimmen, und auch denen, die dort friedlich feiern, ohne Saubären zu sein. Aber sie gehört auch den anderen Münchnern: den Wildtieren in der Stadt.

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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