Thalkirchen:Welle der Begeisterung

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Die Hand am Ruder: Helga Lauterbach hält den Flößer-Kulturverein auf Kurs. Ziel ist ein Museum für das traditionsreiche Transporthandwerk. (Foto: Haas)

Die Vorsitzende des Flößer-Kulturvereins Helga Lauterbach wirbt für das große Ziel eines Flößermuseums in der Stadt. Favorisierter Standort ist das Maxwerk

Von Jürgen Wolfram, Thalkirchen

Das mag 'ne tolle Sause gewesen sein, die literarische Floßfahrt am 18. Juli. Gastgeberin Helga Lauterbach, der Schauspieler Anton Figl und der Dichter Klaus Grobholz trugen Passendes zur Isar von Paul Heyse und Lion Feuchtwanger vor. Gleichfalls mit von der Partie war Alt-Oberbürgermeister Christian Ude; er erzählte heitere Anekdoten über Sigi Sommer und Karl Valentin. Weil Badegäste am Georgenstein partout nicht müde wurden, seinen Namen zu skandieren, musste Ude seine unterhaltsamen Ausführungen unterbrechen - Fortsetzung folgte bei Höllriegelskreuth. Ersprießlich war's auch finanziell: Vom Überschuss der geistreichen Gaudi wird ein Votivbild aus dem 18. Jahrhundert restauriert, das Flößer einst auf ihrer Reise nach Wien begleitete.

Spektakuläre Aktionen sind ein Markenzeichen des 2013 gegründeten Flößer-Kulturvereins München-Thalkirchen. Referate renommierter Historiker und Lesungen mit Überraschungseffekten gehören ebenso zum Programm wie Exkursionen. Im November etwa führt eine Fahrt ins einzige deutsche Nepomuk-Museum nach Plattling. Eingeweihte wissen: Der Brückenheilige Nepomuk ist der Schutzpatron der Flößer. Ihm widmete der Kulturverein, dessen Vorsitzende die umtriebige Fachbuchautorin Helga Lauterbach ("Von Floßmeistern und Flößerbräuchen") ist, im vergangenen Herbst seine erste Schau einschlägiger Exponate. Verbunden war sie mit der Segnung einer Nepomuk-Figur in Hinterbrühl.

Begleitet von Wellen der Sympathie aus der Münchner Bevölkerung für das Projekt und mit Unterstützung der drei Flößereibetriebe im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, legt sich Lauterbachs Kulturverein seit seiner Gründung für ein Museum in die Riemen. Es soll umfassend an das traditionsreiche Transporthandwerk erinnern, idealerweise ergänzt um Illustrationen an der Floßlände in Thalkirchen. An ausgefallenen Exponaten fehlt's schon heute nicht. Die Standortsuche hat sich bisher als Unterfangen mit starker Gegenströmung erwiesen, doch gibt es neue Hoffnung. Sie richtet sich auf das Maxwerk, das älteste und kleinste Wasserkraftwerk Münchens. Dieses von viel Grün umgebene Anwesen im Stil eines Lustschlösschens steht leer, nur die Turbine ist noch in Betrieb. Aus der Sicht von Helga Lauterbach ist das Maxwerk "eine echte Option für ein Museum".

Was ihr und ihren Vereinsmitgliedern - 30 Prozent von ihnen sind intensiv mit der Flößereiforschung befasst - vorkommen muss wie eine Woge glücklichen Zufalls: In München wird gegenwärtig über Pläne zur Gestaltung der innerstädtischen Isar zwischen Corneliusbrücke und Luitpoldbrücke debattiert. Wobei sich für das Maxwerk eine Mischlösung aus Kultur und Gastronomie herauskristallisiert. "Ein solches Konzept würde für uns genau passen", sagt Lauterbach. Sie habe bereits "schöne Vorstellungen". Eine dieser Ideen dürfte im Fall ihrer Umsetzung Aufsehen bei Einheimischen wie Touristen erregen: Dem Verein schwebt vor, auf der Wiese vor dem Kleinkraftwerk ein 18 Meter langes Originalfloß zu Schauzwecken aufzubauen. Stadtbaurätin Elisabeth Merk und den Oberen der Stadtwerke München hat Lauterbach den Wunsch bereits angetragen. Der Authentizität verpflichtet, wie sie sich fühlt, ließ sich die Vereinsvorsitzende dabei von einem Floßmeister begleiten.

Für das große Ziel eines Flößermuseums in München wirbt Lauterbach, wo sie nur kann. Gute Argumente hat sie dabei zur Hand wie ein Flößer schäbige Witze: Die deutsche Unesco-Kommission nahm das Flößerwesen im Dezember 2014 in seine Kulturerbe-Liste auf, unzählige Kommunalpolitiker stehen hinter dem Vorschlag, das öffentliche Interesse wächst nachweisbar springflutartig. Als die Stadt München 2008, zu ihrem 850. Geburtstag, ein Floß am Rindermarkt platzierte, zog das von allen Attraktionen mit die meisten Leute an. Historiker betonen seit langem die überragende Bedeutung der Flößerei für die Entwicklung der Landeshauptstadt. Ihre Blütezeit waren die 1860er-Jahre. Bis zu 11 000 der überwiegend mit Kalk und Holz beladenen Wasserfahrzeuge legten damals in München an, registriert von der Ländinspektion. Noch zu Zeiten des Ersten Weltkriegs wurden an der Zentrallände in Thalkirchen rund 45 000 Tonnen Bauholz angelandet, herbeigeflößt aus dem Oberland. 1909 erhielt der Umschlagplatz in Thalkirchen sogar einen Isartalbahn-Anschluss. Bis der Lkw sich als Haupttransportmittel durchsetzte, war dies eine unschlagbare Kombination. Heute machen Flöße nur noch für Vergnügungsfahrten die Leinen los; um die 800 sind es durchschnittlich pro Jahr.

Lauterbach ist eine Cousine des 1996 gestorbenen Schriftstellers und Journalisten Sigi Sommer. Die Affinität zum Fluss haben sie stets geteilt. Unvergessen geblieben ist Lauterbach, Jahrgang 1943, ihre erste Begegnung mit der Isar. Während Eltern und Nachbarn in der Kirche dem Gottesdienst lauschten, spielte sie als Dreijährige mit anderen Kindern in einem Hinterhof an der Bruderhofstraße, wurde dabei aber irgendwie in Richtung Schinderbrücke und Kiesinsel abgetrieben. Als Väter und Mütter später laut schimpfend dort auftauchten, wusste sie: An diesem Ufer, das Wortjongleur Sigi Sommer einst "Arbeitslosen-Lido" nannte, ist's gefährlich.

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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