SZ-Adventskalender:In der Abwärtsspirale

Lesezeit: 2 min

Schicksalsschläge stellen Familien auch im Landkreis vor schwer lösbare Probleme. Der SZ-Adventskalender hilft ihnen

Von Gudrun Regelein, Freising

Treffen könne es fast jede Familie, "das geht sehr schnell", sagt Beate Drobniak, die Leiterin der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit (Kasa) der Diakonie Freising. Eine schwere Erkrankung, der Verlust des Arbeitsplatzes, ein Unfall oder der Tod eines Elternteils könne Familien sehr plötzlich in große Not bringen. Gerade, wenn diese keine großen Ersparnisse hätten. Dann müsse nicht nur der Schicksalsschlag verarbeitet werden: "Auch die angespannte finanzielle Situation ist zusätzlich eine riesige Belastung", sagt Drobniak.

So wie bei der alleinerziehenden Mutter Doris Schiller (Name geändert). Sie ist an Krebs erkrankt - unheilbar, inzwischen wird sie palliativ versorgt. Sie hat zwei erwachsene Kinder und zwei jüngere, eines davon ist gerade in die Schule gekommen. "Der Druck, der auf dieser Familie lastet, ist wahnsinnig groß", sagt Beate Drobniak. Die Mutter sorge sich nicht nur um die Kinder und darum, wie es mit ihnen weitergeht, sondern müsse auch mit ihrer Todesangst zurechtkommen. "Das ist für die Frau - und auch für ihre Kinder - eine absolut grenzwertige Situation", schildert Drobniak.

Für die Mutter, die in ihren körperlichen Aktivitäten schon sehr eingeschränkt ist und sich nur noch mühsam fortbewegen kann, habe man mit viel Mühe eine Haushaltshilfe genehmigt bekommen. Trotz der finanziell sehr angespannten Situation möchte Doris Schiller keine Sozialleistungen beantragen. "Sie kommt nicht damit klar, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen", erzählt die Kasa-Leiterin. Doris Schiller schämt sich. "Wir versuchen, ihr Leben ein Stück weit leichter zu machen." Hausbesuche bei der todkranken Frau gehören genauso dazu, wie die Kinder aus ihrer Isolation zu befreien, in die sie durch die Erkrankung der Mutter gerieten. Mittlerweile besuchen die beiden eine Gruppe für Kinder, die in einer ähnlichen Situation sind. Sie können dort spielen und in dieser Zeit die Krankheit der Mutter, die sonst ihren Alltag dominiert, vergessen.

Eine Familie in einer existenziell bedrohlichen Situation gerate schnell in eine Abwärtsspirale, sagt Drobniak. "Von Monat zu Monat steht weniger Geld zur Verfügung, irgendwann steht man dann an dem Punkt, dass man nicht mehr alle Rechnungen bezahlen kann." Das passierte auch einem Ehepaar, das Hilfe in der Beratung der Diakonie suchte. Der Sohn des Paares ist seit einem schlimmen Motorradunfall schwer behindert. Seitdem kümmern sich seine Eltern um ihn. "Sie haben sich absolut auf ihren Sohn fokussiert. Das ging soweit, dass der Vater deswegen sogar seinen Arbeitsplatz verlor", erzählt Drobniak. Die Kosten für die täglichen Fahrten zu der weit entfernten Spezialklinik, in der ihr Sohn monatelang behandelt wurde, summierten sich stetig - bis sich die Eltern irgendwann entscheiden mussten: Entweder weiter zu ihrem Sohn zu fahren oder die Rechnung für die eigenen Heizkosten zu bezahlen. Sie entschieden sich für die Besuche. In der Folge konnte das Ehepaar wochenlang nicht heizen - bis die Diakonie die Rechnung schließlich von Spenden bezahlte.

Durch einen Schicksalschlag verliere eine Familie schnell den Boden unter den Füßen, sagt Drobniak. Die Planungssicherheit gehe verloren und enorme Zukunftsängste entwickelten sich. Wichtig in dieser Situation sei Sensibilität im Umgang mit den Betroffenen, findet sie. Diese Sensibilität wünsche sie sich oft auch von den Mitarbeitern in den Behörden.

© SZ vom 09.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: