Streit im Asylbewerberheim:Mordversuch aus Heimtücke

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Der 40-jährige Pakistani erhält nach seinem Messerangriff auf einen Landsmann im Asylbewerberheim an der Wippenhauser Straße eine hohe Strafe.

Von Alexander Kappen, Landshut/Freising

Der 40-jährige Pakistani, der im Februar bei einem Streit in der Asylbewerberunterkunft an der Wippenhauser Straße in Freising einen 29-jährigen Landsmann durch einen Messerstich in den Oberkörper schwer verletzt hat, ist von der Schwurgerichtskammer des Landshuter Landgerichts am Mittwoch zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Nicht wegen versuchten Totschlags, wie es in der Anklage stand, sondern wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung. Sein 32-jähriger Mitangeklagter, der ebenfalls aus Pakistan stammt und ihn nach Ansicht des Gerichts angefeuert hat, muss 600 Euro Geldstrafe wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zahlen. Der Haftbefehl gegen ihn wurde aufgehoben.

Der Haupttäter und sein späteres Opfer waren einst offenbar befreundet, berichteten Mitbewohner als Zeugen. Irgendwann kam es jedoch zum Bruch - warum, vermochte niemand zu sagen. Am Tattag - die beiden Angeklagten hatten zuvor Whisky getrunken, waren nach Ansicht eines Gutachters aber nicht wesentlich in ihrer Einsicht- und Steuerungsfähigkeit eingeschränkt - kam es dann zum Streit zwischen dem 40-Jährigen und dem Geschädigten. Der Hauptangeklagte wollte den Jüngeren nicht mehr in den ersten Stock der Asylunterkunft lassen. Warum, das ging aus den Zeugenaussagen der Mitbewohner nicht hervor, die recht widersprüchliche und von den Polizeivernehmungen abweichende Angaben machten.

Potentiell tödlicher Stich in die Herzkammer

In jedem Fall sei der Streit aus einem nichtigen Grund entstanden, so der Vorsitzende Richter, Markus Kring. Das Gericht ging von einer "jedenfalls bedingten, wenn auch nicht absoluten Tötungsabsicht" aus. Kring erklärte: "Der Täter hatte nicht das Endziel der Tötung, aber den Vorsatz des potenziell tödlichen Stichs und wollte dessen Ausgang so hinnehmen, wie es eben kommt." Das Opfer habe den Stich in die Herzkammer nur haarscharf durch die schnelle ärztliche Versorgung überlebt. Wesentlich sei, dass der Täter das Messer bei der Auseinandersetzung an der Außentreppe des Wohnheims überhaupt dabei hatte, "obwohl er vom Rang in der Gruppe und körperlich dem Opfer überlegen war und - wenn er es nur hätte verletzten wollen - dafür kein Messer benötigt hätte". Es habe keine gegenseitigen Provokationen gegeben, sondern der Angeklagte sei von Anfang an einseitig aggressiv gewesen, während der 29-Jährige sich nicht von der Stelle rührte, nicht mit dem Angriff rechnete und somit arg- und wehrlos gewesen sei. Es handele sich demnach um Heimtücke.

"Nur ein Stich nach vorne" laut Verteidiger

Der Staatsanwalt ging ebenfalls von einem versuchten Heimtücke-Mord aus. "Alle Zeugen waren überrascht von dem Messer, das hat vorher niemand gesehen", sagte er. "Der Geschädigte musste zu keinem Zeitpunkt mit einem plötzlichen Messerangriff rechnen." Der Staatsanwalt beantragte zwölf Jahre Gefängnis.

Die beiden Verteidiger des 40-Jährigen waren überzeugt, dass der Angeklagte keine Tötungsabsicht hatte. Dagegen sprächen der nichtige Grund für den Streit und das kleine Messer mit einer Klingenlänge von 11,5 Zentimetern. Zudem seien die Tiefe und Intensität des Stichs nicht geklärt. Und nicht zuletzt sei es "kein gezielter Stich, sondern nur ein Stich nach vorne gewesen". Sie beantragten fünf Jahre wegen gefährlicher Körperverletzung.

Der Verteidiger des 32-Jährigen sah die Schuld seines Mandanten nicht als erwiesen an und beantragte Freispruch. Das Gericht war aber überzeugt, dass er aufgrund der Zeugenaussagen den Haupttäter aufgefordert hatte, zuzuschlagen. Dass er von "zustechen" geredet habe, sei jedoch nicht nachzuweisen.

© SZ vom 28.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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