Interview:Risikobereit für den Frieden

Interview: In seinem Büro in der Nähe des Freisinger Schleiferbachs findet Clemens Ronnefeldt die Ruhe, die er für seine Arbeit braucht.

In seinem Büro in der Nähe des Freisinger Schleiferbachs findet Clemens Ronnefeldt die Ruhe, die er für seine Arbeit braucht.

(Foto: Marco Einfeldt)

Konflikte können diplomatisch gelöst werden, davon ist Clemens Ronnefeldt überzeugt. Jetzt ist er mit dem Peter-Becker-Preis der Universität Marburg ausgezeichnet worden. Seine Botschaft: Man muss an den Ursachen ansetzen.

Von Clara Lipkowski, Freising

Der Blick aus dem Büro geht in verschneite Gärten. Geordnet stehen hier und da Bücher, die Möbel sind aus rotbraunem Holz, zum Gespräch gibt es Tee. Friedensreferent Clemens Ronnefeldt hat sich in der Nähe des Schleiferbachs ein idyllisches Plätzchen geschaffen. Er sagt: "Ich brauche Ruhe zum Arbeiten." Sein Einsatz für den Versöhnungsbund führt ihn in die Krisenregionen der Welt, so auch in Städte, in denen die Terrormiliz IS gewütet hat. Aus seiner Erfahrung in der Friedensarbeit sagt er: "Konfliktlösung ist ohne Gewalt möglich, wenn man bereit ist zu Geduld, Hartnäckigkeit und Zivilcourage." Am Freitag wurde er für sein Engagement mit dem Peter-Becker-Preis der Universität Marburg ausgezeichnet, der alle zwei Jahre vergeben wird.

SZ: Herr Ronnefeldt, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Auszeichnung. Haben Sie nach 25 Jahren in der Friedensarbeit damit gerechnet?

Clemens Ronnefeldt: Nein, ich war total überrascht und freue mich natürlich sehr darüber. An der Universität Marburg hatte ich bereits mehrere Vorlesungen gehalten und ein paar Jurymitglieder haben sie wohl gehört und fanden gut, was ich mache.

Sie erhalten ein Preisgeld von 2500 Euro. Was haben Sie damit vor?

Das weiß ich noch nicht (lacht). Die Entscheidung hat Zeit.

Wie muss man sich Ihre Arbeit vorstellen?

Ich arbeite an der Basis: Ich fahre dahin, wo die Krisen sind. In Delegationen mit Kollegen aus verschiedenen Ländern sprechen wir mit Friedens- und Menschenrechtsorganisationen, Politikern, Gewerkschaftlern und Religionsvertretern. Wichtig ist: Es bringt nichts, nur mit Leuten zu sprechen, die schon friedensbereit sind. Zurück in Deutschland, verbreite ich diese Informationen in Fachartikeln und Vorträgen etwa an Universitäten, um für zivile Konfliktlösungen zu werben.

Was haben Sie bisher erlebt?

Von 1994 bis 2001, also auch während des Kosovo-Jugoslawienkriegs, war ich mit Zivildienstleistenden in Flüchtlingslagern auf dem Balkan. Seit 2002 engagiere ich mich im Nahen und Mittleren Osten, dafür war ich mit Delegationen in Syrien, Libanon, Iran, Ägypten, Jordanien, Israel und Palästina.

Und was haben Sie schon erreicht?

Wir konnten einer Familie in Bethlehem helfen, eine kleine Schneiderei zu eröffnen, damit sie überleben kann. In Jordanien gibt es Schulen, die Jugendliche zu Schreinern oder Mechatronikern ausbilden, ich werbe für deren finanzielle Unterstützung. Damit wollen wir dem sogenannten IS zuvorkommen: Es ist bekannt, dass er dort junge Leute ohne Perspektive verführt. Einer irakischen Flüchtlingsfamilie in Amman konnte ich mit Spenden aus Deutschland helfen. Mein Schwerpunkt ist aber nicht humanitäre Hilfe, sondern politische Aufklärung und Präventionsarbeit.

Wie konkret helfen solche kleinen Initiativen dem globalen Frieden?

Das ist vielleicht nichts Weltbewegendes, aber es gilt, an den Ursachen anzusetzen. Sind Menschen in Not, machen sie sich auf den Weg. Vermeiden wir das, können wir Konflikte vermeiden. Ich schreibe auch Dossiers mit Kollegen, in denen wir der EU, Deutschland und der Zivilgesellschaft Vorschläge zum Handeln machen. Und ich habe die Minister Gerd Müller und Sigmar Gabriel aufgefordert, Rüstungsexporte zu stoppen. Denn, wer Rüstung exportiert, wird Flüchtlinge ernten.

Was kam zurück von der Spitzenpolitik?

Wohlwollendes Aufnehmen (lacht). Der ungerechte Welthandel ist vermutlich allen Ministern bewusst. Aber wichtiges haben wir in der Friedensbewegung mit der Aktion "Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel" erreicht: Rund 200 Panzer nach Saudi-Arabien wurden bis heute nicht ausgeliefert.

Wohin hat Sie Ihre jüngste Reise geführt?

Ich war 2016 in Ankara und den Kurdengebieten in Diyarbakır, Cizre und Mardin. In Ankara haben wir mit Vertretern der prokurdischen Partei HDP gesprochen. Präsident Erdoğans AKP wollte uns nicht empfangen. In Diyarbakır trafen wir Anwälte, Ärzte und Menschenrechtler, in Cizre die Bürgermeisterin. Sie war des Amtes enthoben worden. Man warf ihr vor, sie habe zum Bürgerkrieg aufgerufen. Dabei hatte sie nur ihre Besorgnis darüber in einem Interview geäußert.

Wie verständigen Sie sich unterwegs?

Die wichtigsten Floskeln kann ich in der jeweiligen Landessprache. Wenn es ins Detail geht, sprechen wir Englisch oder Kollegen übersetzen.

Sie reisen oft nach Israel und ins Westjordanland. Bekommen Sie Probleme bei der Einreise?

Die Bundesregierung gewährt Menschen, die dort beruflich unterwegs sind, einen zweiten Pass. Einen nutze ich nur für Israel. Das geht ganz gut. Scharfe Befragungen kenne ich aber auch.

Wann wurde es gefährlich auf Reisen?

Einmal waren wir zur Menschenrechtsbeobachtung bei einer friedlichen Demonstration an einer Sperranlage nahe Ramallah. Unerwartet wurde das Tor der Sperranlage geöffnet und von israelischer Seite mit Tränengas auf uns geschossen. In Diyarbakır wurden wir einmal vom Militär kontrolliert. Plötzlich war unser Van umzingelt, Soldaten richteten Maschinengewehre auf uns. Im Wagen könne Sprengstoff sein, hieß es. Ein Kollege konnte klären.

Haben Sie unterwegs keinen Schutz, wie etwa die UN-Blauhelme?

Die Blauhelme sind in offizieller Mission unterwegs. Dass wir als Friedensmission einer Nichtregierungsorganisation kommen, müssen wir erst erklären. Manchmal vermeiden wir es, uns zu erkennen zu geben. Diplomatische Verstimmungen unseretwegen will wohl niemand, etwa wenn uns etwas zustoßen würde.

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