Historischer Vortrag:Sündenreiche Kirche

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Hinter der Kirche St. Vitus in Au soll ein Bürgerpark entstehen. Doch der Boden ist belastet, weil sich dort einst eine Deponie befunden hat. (Foto: Marco Einfeldt)

So mancher Geistliche aus Au und Umgebung hat in der Reformationszeit ein ziemlich lasterhaftes Leben geführt

Von peter becker, Au

Die Reformationszeit mag über andere Regionen mit Sturm und Braus hinweggezogen sein, rund um die Marktgemeinde Au blieb das Leben beschaulich. Das ist die Quintessenz eines Vortrags von Beat Bühler. Der Vorsitzende des Geschichtsforums Freising hatte diesen anlässlich der Vorstellung des Vereins gehalten. Bühler beschrieb dabei die Geschichte von Au, das einst dem Landgericht Moosburg unterstand. Mit der Verleihung des Marktrechts 1349 ging auch die Halsgerichtsbarkeit in die Gemeinde. Damit durfte die Obrigkeit jeden Dieb hängen lassen, wenn sie denn seiner habhaft geworden ist.

Das Gebiet der Marktgemeinde ist in kirchenrechtlicher Hinsicht gespalten. Ein Teil gehört zur Erzdiözese München-Freising, der andere zur Regensburger. Letztere hatte also in der Pfarrei Au das Sagen, zu der auch die Ortschaften Halsberg, Osseltshausen und Rudelzhausen gehören. Die Pfarrkirche wiederum gehörte mitsamt den dazugehörigen Pfründen seit 1367 zum Kollegiatsstift Essing, das im heutigen Landkreis Kelheim liegt. Das Stift hatte den Geistlichen zu stellen. Die Erzdiözese überzeugte sich bei Visitationen, die unregelmäßig stattfanden, dass in der Pfarrei alles geordnet und mit rechten Dingen zuging. Bühler sagte, dass sich dies hauptsächlich auf die Finanzen und den ordentlichen Zustand der Pfarrei bezog.

So vermerkt eine Visitation aus dem Jahr 1508, dass der eigentlich für Sankt Vitus zuständige Pfarrer sich ständig im Kollegialstift Sankt Andrä auf dem Domberg im damaligen Fürstbistum Freising aufhielt. In Sankt Vitus vertrat ihn ein anderer Geistlicher, den er entsprechend angestellt hatte. Laut Bühler kümmerte solch ein Verstoß gegen die Residenzpflicht eines Seelsorgers niemanden. Der Geistliche hätte eigentlich in der Pfarrei wohnen sollen, für die er zuständig war.

Ein gewisser Simon Blumentaler taucht in einem weiteren Bericht über eine Regensburger Visitation in der Pfarrei Sankt Vitus auf. Auch er war quasi Subunternehmer, denn der eigentlich zuständige Kanonikus hielt sich ebenfalls in Freising auf. Der Geistliche, heißt es im Visitationsbericht, lebe mit einer Konkubine zusammen, die er wegschicken solle. Auch dies war im ausgehenden Mittelalter gang und gäbe. Ob der Geistliche der Aufforderung, die Lebensgefährtin wegzuschicken nachgekommen ist, wurde nicht überprüft. Offenbar scherte sich Blumentaler jedenfalls nicht groß um die Order, denn eine weitere Visitation von 1526 endet mit der Beschreibung ähnlicher Missstände und der Feststellung: "Die Gebäude sind alle in Ordnung." Blumentaler wirkte insgesamt 22 Jahre in Sankt Vitus, ohne dass sich jemand dafür interessierte, wie er sein Amt ausübte.

Seit 1550 war Georg Kniepe für die Pfarrei zuständig. Über ihn heißt es, dass er in jedes Wirtshaus und auf jede Hochzeit gehe und dort sogar tanze. In der Kirche soll er eine offene Beichte gehalten haben, ohne Maria und die Heiligen zur Vergebung der Sünden anzurufen. Kniepe, fügte Bühler hinzu, habe den Akzent gesetzt, nur Gott allein könne den Menschen ihre Sünden vergeben.

Zu dieser Zeit war die Reformation im Heiligen Römischen Kaiserreich Deutscher Nation schon in vollem Gange. In Au kamen die reformatorischen Thesen von Luther damals nicht an. Das lag schlicht daran, dass die bayerischen Herzöge den Reformator als Ketzer betrachteten und die durch den Kaiser ausgesprochene Acht gegen Luther durchsetzten.

Friedrich Keydel fügte hinzu, dass in Zolling ähnliche Zustände geherrscht hatten wie in Au. Dort entspann sich vor Jahren ein Disput über die Inschrift zweier Grabsteine. Der eine trug den Namen eines Pfarrers, der andere den einer Frau. Es ging das Gerücht, dass jene wohl die Konkubine des Pfarrers gewesen sei. Dies wurde durch das Argument widerlegt, dass sie dann wohl kaum dessen Namen getragen habe. Keydel berichtete, dass es wohl auch einen Pfarrer in Zolling gegeben habe, der mit einer Konkubine zusammenlebte. Auf die Anweisung er solle sie wegschicken, antwortete er, bei der Frau handele es sich um eine Magd. Und man könne doch nicht von ihm verlangen, dass er sein Gesinde wegschicke.

© SZ vom 18.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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