Gefühlslage in Attaching:"Wir sind nichts wert"

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Drei Journalistik-Studenten schildern in einem Dokumentarfilm den Kampf gegen die dritte Startbahn am Münchner Flughafen

Kerstin Vogel

So ein bisschen sind Sonnenschirme in Attaching schon zu einem Symbol geworden, zu einem Symbol für das, was den Dorfbewohnern bevorsteht, wenn die dritte Startbahn am Münchner Flughafen tatsächlich gebaut werden sollte. Dann nämlich dürfen handelsübliche Schirme in den Attachinger Gärten nicht mehr aufgestellt werden - sie würden den Böen, die von den Wirbleschleppen der Flugzeuge erzeugt würden, nicht standhalten: Für Windstärke sechs sind normale Sonnenschirme nicht gemacht.

Am Dienstagabend dienten drei solcher Schirme bei einer Veranstaltung der Bürgerinitiative in der Attachinger Sporthalle als Dekoration - und natürlich lachten die rund 250 Besucher, als BI-Sprecher Franz Spitzenberger die künftige Sturm-Problematik noch einmal skizzierte. Schwarzer Humor hilft ja manchmal. Wie wenig witzig die Situation der Attachinger allerdings wirklich ist, das haben drei Journalistik-Studenten der Universität Eichstätt in den vergangenen Wochen recherchiert. Ihre Erkenntnisse haben sie in einem Film verarbeitet, der am Dienstag in der Sporthalle gezeigt wurde.

Sogar ein Kamerateam des ZDF-Länderspiegels hatte die Veranstaltung in den Freisinger Ortsteil gelockt - und der Film von Sabine Cygan, Christine Memminger und Martin Moser bot den Besuchern tiefe Einblicke in die Attachinger Problematik. Denn wenn der Flughafenausbau so kommt, wie es die Betreiber planen, dann wird es in Attaching künftig vieles nicht mehr geben: Keine spielenden Kinder im Garten, keinen Kramerladen, in dem sich die Dorfgemeinschaft trifft, keine Fußballspiele in der Sportanlage - und für junge Leute auch keine Möglichkeit mehr, sich in Attaching niederzulassen. Nicht bei bis zu 500 Überflügen am Tag und Lärmpegeln von mehr als 86 Dezibel. Auch die völlig absurde Situation der Familie Plötz ist Thema in dem Film, deren Garten im festgelegten Entschädigungsgebiet liegt, ihr Wohnhaus nebenan aber nicht.

Dass zwischendrin immer wieder Flughafenchef Michael Kerkloh zu Wort kommt, der von "wenigen tausend Betroffenen" spricht, denen "zum Teil nur etwas mehr Fluglärm zugemutet" werde und die man "fast schon alle persönlich kennt", wird im Publikum nur noch höhnisch kommentiert. "Wir sind nichts wert", resümiert eine Zuschauerin nüchtern - das ist wohl das, was in dem Ort alle empfinden. Aufgeben aber will man nicht, nicht bevor nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Klar hoffen die Attachinger, dass die Münchner Bürger die dritte Startbahn bereits beim Bürgerentscheid am 17. Juni zu Fall bringen. Doch anders als in dem Film dargestellt, sehen sie diese Abstimmung nur als einen möglichen Hebel, um den Flughafenausbau zu verhindern. Schließlich sind auch noch zahlreiche Klagen gegen das Projekt anhängig und auch an dieser Front wollen die Startbahngegner natürlich weiterkämpfen.

Im Mai sei die Klageerwiderung der Flughafengesellschaft bei der Bürgerinitiative eingegangen, berichtete Michael Buchberger - und eine erste Sichtung der Argumente habe auch schon einige Seltsamkeiten zutage gefördert: So sei plötzlich nur noch von 400 statt 513 täglichen Landungen über Attaching die Rede, bei den Starts gehe die Flughafengesellschaft nun von 78 pro Tag möglichen Flügen aus - die allerdings in nur 200 Metern Höhe, sagte Buchberger - und lieferte mit Blick auf den anstehenden Bürgerentscheid den Münchnern einen kleinen Anhaltspunkt für das, was den Attachingern damit bevorstehe: Das Restaurant des Olympiaturms befinde sich in rund 190 Metern Höhe.

© SZ vom 08.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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