Bildungspaket für den Landkreis:Gewaltiger Rechercheaufwand

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Neun Mitarbeiter des Landratsamtes ermitteln seit vier Wochen alle Basisdaten, die für das "Bildungspaket" für Kinder aus Hartz-IV- Familien benötigt werden.

Sabina Dannoura

Auf einem Flip-Chart steht "Deadline 31.12.2010" als ständige Mahnung. Bis dahin sollen die Listen vollständig sein: Welche Vereine gibt es, wer ist Ansprechpartner und wie ist er telefonisch oder per E-Mail erreichbar? Wie hoch sind die Mitgliedsbeiträge und gibt es ein Mindestalter, um beitreten zu können? Und welche Angebote halten die Schulen für die Förderung, Nachhilfekurse oder Mittagsverpflegung vor?

Umfangreiche Rechercheaufgaben haben Auszubildende und Beamtenanwärter des Landratsamts derzeit zu leisten (von links): Claudia Ilmberger, Sabine Lutz, Julia Zeitler sowie (vorne) Lena Weiß und Karl Burkard. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Rechercheaufwand für die 24 Gemeinden im Landkreis Freising ist gewaltig. Sieben Auszubildende des Landratsamts und zwei Beamtenanwärter ermitteln seit vier Wochen sämtliche Basisdaten, die für das "Bildungspaket" für Kinder aus Hartz-IV- Familien benötigt werden.

Zehn Euro pro Kind und Monat für Musikunterricht, den Sportverein oder den Malkurs; 100 Euro jährlich für Schulmaterial und 30 für den Schulausflug; Zuschüsse für Nachhilfe und ein Mittagessen an der Schule: Diese Leistungen sollen Kinder, deren Eltern Arbeitslosengeld II erhalten, in Form von Gutscheinen erhalten. Doch welche Angebote gibt es überhaupt im Landkreis Freising? "Auf den Internetseiten der Gemeinden kann man sich viele Infos holen, und auch viele Vereine haben Homepages", schildert Christian Fersch.

Der 18-Jährige gehört zu dem Team, das die Vereinsdaten in den Gemeinden zusammenträgt. Die jungen Leute haben sich ein Konzept gemacht, was sie jeweils abfragen wollen. "Wir haben mittlerweile mindestens 70 Prozent der Daten zusammen", schätzt die angehende Verwaltungsfachangestellte Claudia Ilmberger (20). Was nicht immer einfach gewesen sei, räumt Lena Weiß ein: "Viele Vereine haben auf unsere schriftlichen Anfragen nicht oder nicht zügig geantwortet, sodass wir gezwungen waren, anzurufen."

Erreichbar seien die Vorstände oft nur abends, deshalb sei sie an einem Donnerstag bis 19 Uhr im Landratsamt geblieben, um die Telefonate zu erledigen. "Ein Vorsitzender glaubte mir nicht, dass ich zum Landratsamt gehöre, weil ich so spät noch anrief", erzählt die 20-jährige Beamtenanwärterin schmunzelnd. Immer wieder sei man ihren Fragen auch skeptisch begegnet, "obwohl doch der Jahresbeitrag für einen Verein kein Staatsgeheimnis sein sollte".

Robert Winkler, Geschäftsführer der für den Landkreis Freising zuständigen Arbeitsgemeinschaft "Arbeit und Soziales", hört sich die Erzählungen der jungen Leute mit einem zufriedenen Lächeln an. "Ich bin saudankbar", sagt er strahlend. Obwohl durch die Blockade des Bundesrats die Einführung des "Bildungs- und Teilhabepakets" für Kinder von Hartz-IV-Bezieherin nicht zum 1. Januar umgesetzt werden kann, muss die Arge bis Jahresende ein "Basisangebot" bereithalten.

Personal, um die erforderlichen Daten von Vereinen und Schulen einzuholen, stellt die Bundesagentur für Arbeit jedoch nicht zur Verfügung. Winkler hatte noch vor sechs Wochen keine Ahnung, wie er diese Aufgabe bewerkstelligen sollte. Die Lösung brachte eine zufällige Begegnung des Arge-Geschäftsführers auf dem Flur mit Monika Teibl, Ausbildungsleiterin im Landratsamt.

Im Gespräch schlug Teibl vor, Azubis und Anwärter mit der Datensammlung als Projektarbeit zu betrauen. "Sie können dabei lernen, wie man ein Projekt angeht, wie man im Team arbeitet, sie lernen den Landkreis und telefonischen Kontakt mit Bürgern kennen", beschreibt Teibl den Nutzen für die jungen Kollegen. Seit 20. November wird im Azubi-Zimmer an den beiden Schreibtischen recherchiert. "Wir haben Teams gebildet, den Landkreis aufgeteilt - und dann ist es losgegangen", erzählt Julia Zeitler.

Gelernt haben sie dabei, dass Vereinsfunktionäre auf die Begriffe Gesetz, Hartz IV und Bildungspaket eher ablehnend reagieren. Karl Burkard, der die Daten bei den Schulen sammelt, versuchte es daher mit dem Stichwort "Markterkundung" und scheiterte ebenso. "Ich habe dann gesagt, das sei eine Abfrage des Landratsamts - und schon funktionierte es."

Er habe inzwischen etwa 90 Prozent der notwendigen Informationen zusammengetragen. Schwierig, ergänzt Lena Weiß, sei die Recherche in der Stadt Freising: "Es gibt an die 400 Vereine, die kann man in der Kürze der Zeit nicht alle erfassen." Deshalb habe sie sich auf Fußball- und Sportvereine, auf Musik- und Tanzschulen sowie Schützenvereine konzentriert.

Beamtenanwärter Karl Burkard wird auch noch nach der "Deadline" mit dem Thema beschäftigt sein: Er ist den ganzen Januar über freigestellt, um alle Daten auszuwerten. Wie er die vielen Infos am besten "aufdröselt", will er sich mit einem EDV-Spezialisten noch überlegen.

Für die Arge ist die Arbeit damit allerdings nicht erledigt: "Der Beratungs- und Leistungsaufwand steigt für uns mit dem Bildungspaket", betont Robert Winkler. Nach seinen Informationen sollen die Jobcenter bundesweit 1300 Stellen zusätzlich erhalten. Er lässt sich überraschen, was davon in Freising ankommt.

© SZ vom 05.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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