Als der Strom kam:Pioniere mit Hut

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Das zwischen 1903 und 1907 errichtete alte Uppenborn-Kraftwerk war die erste 50000-Volt-Anlage in Deutschland und hat die enge Partnerschaft zwischen Moosburg und den Münchner Stadtwerken begründet. (Foto: oh)

Vor etwa 100 Jahren entstanden die ersten Kraftwerke samt der zugehörigen Kanäle in der Gegend um Moosburg. Für die damalige Zeit war das eine planerische und handwerkliche Mammutaufgabe

Von Karlheinz Jessensky, Moosburg

"Als bei uns der elektrische Strom kam." Das klingt wie die Fernsehserien "Als die Bilder laufen lernten" und ist irgendwie seelenverwandt. Es waren jedenfalls Pioniertaten, die von den Erbauern von Kraftwerken und Kanälen rund um Moosburg vor rund 100 Jahren geleistet wurden. Karl A. Bauer hielt zu dem Thema einen Vortrag, und man wartet schon auf sein nächstes, das da lautet: "Der Erste Weltkrieg aus Front- und Heimatsicht."

Seit den 1980er Jahren beschäftigt sich Bauer mit historischen Vorgängen in seiner Heimatstadt Moosburg und deren Umgebung. Das "alte" Moosburg hat es ihm angetan, seine Forschungen haben beachtliches Format und seine zahlreichen Wort- und Bildvorträge längst einen eingefleischten Freundeskreis gefunden. Das Gasthaus Sainer in Pfrombach platzte schier aus allen Nähten, als Bauer zusammen mit dem Moosburger Heimatverein zu einem Abend über den Einzug des elektrischen Stroms in die Gegend geladen hatte. Pfrombach war dabei eine ausgezeichnete Alternative zur Schäfflerhalle in Moosburg, denn die Bürger der bis 1978 selbständigen und dann Moosburg zugeschlagenen Gemeinde interessierte natürlich besonders, wie denn "ihr" Kraftwerk Pfrombach in den Jahren 1927 bis 1929 entstand.

Viele Arbeiter trugen auf der Baustelle Hüte, "weil auch die Großkopferten einen aufhatten", sagt Heimatforscher Karl A. Bauer. (Foto: oh)

Noch älter ist das erste Uppenborn-Kraftwerk, das zwischen 1903 und 1907 entstand, das erste mit einer 50 kV-Anlage in Deutschland, und der Grund einer engen Partnerschaft zwischen der Stadt und den Stadtwerken München.

Die Idee, Kraftwerke in der flachen Schotterebene zu bauen, war erst realisierbar, weil zuvor der Mittlere-Isar-Kanal vom Speichersee in Ismaning bis zum Ausgleichsweiher bei Moosburg gebaut worden war. Letzterer übrigens erst Jahre nach der Fertigstellung der beiden Kraftwerke. Das Uppenborn-Kraftwerk, längst außer Betrieb und nur noch als Bauhof verwendet, muss eine tolle planerische und handwerkliche Mammutaufgabe gewesen sein. Bilder der eingesetzten Bagger wirken urtümlich. Die errichteten Holzgerüste muten so abenteuerlich an, als würden sie jeden Moment zusammenkrachen. Aber wie wohl: Die handwerkliche Meisterleistung gelang. Die Arbeiter, größtenteils mit Hut abgebildet, trugen diese Kopfbedeckung, weil auch die Großkopferten einen aufhatten, merkte Bauer scherzhaft an. Die schweißtreibende Arbeit war alles andere als angenehm. Das Wasser für dieses Kraftwerk stammte noch aus der Isar, die durch einen Kanal beim Moosburger Stauwehr angezapft worden war. Und damit die Isar immer genug Wasser führte, hatte man von 1919 bis 1920 die Amper durch einen Überleitungskanal angestochen.

Die größte Herausforderung war der Bau des Mittlere-Isar-Kanals. 64 Kilometer ist er lang und versorgt sieben Kraftwerke. Tonnen von Kies, Sand und Zement mussten heran geschafft werden, dazu wurde eigens eine Schmalspur-Baustellenbahn gebaut und später eine "richtige" Eisenbahn, die "Moosbahn", welche die Moosburger Bürger gern bis zu ihrer Stadt geführt hätten. An die 5000 Mann schufteten auf den Baustellen, auch Bauers Großvater und der Urgroßvater waren darunter. Eine herausragende Leistung insgesamt, bedenkt man auch noch die weltweite Rezession in den späten 1920er Jahren.

Mit teils abenteuerlich anmutenden Gerätschaften und Konstruktionen wurden die Kraftwerke und Kanäle rund um Moosburg errichtet. (Foto: oh)

Das Kraftwerk Pfrombach hat heute noch die gleichen acht Francis-Turbinen wie im Jahr der Inbetriebnahme. Es liefert eine elektrische Leistung von 22,3 Megawatt, die Jahresleistung liegt bei 117 Megawattstunden. Einen großen Unterschied gibt es zu früher: Alle Kraftwerke werden ferngesteuert, im Haus ist nur noch ein "Hausmeister".

Die Moosbahn verband die Trambahnhaltestelle Kufsteiner Platz mit der Baustelle in Finsing. Bis zu 1000 Bauarbeiter fuhren täglich damit. Beim Kanal- und Kraftwerksbau wurden zwischen den Jahren 1919 und 1930 11,3 Millionen Kubikmeter Erde und 550 000 Kubikmeter Beton bewegt. Dazu wurde neben den beiden Schmalspurbahnen noch eine Normalspurbahn gebaut, die von Altenerding bis Aufkirchen reichte. Der Kanal wurde zum großen Teil in die Höhe gebaut, wozu umfangreiche Wälle erforderlich waren. Er entstand in zwei Bauabschnitten. 1931 brach der aufgeschüttete Damm, drei Stunden lang gab es eine beachtliche Überschwemmung, bevor die Schleusen gesperrt werden konnten. Im Jahr 1977 wurde der Gesamt-Kanal saniert, sogar Autos wurden darin gefunden. 2009 erfolgte die nächste Abdichtung und Sanierung, die 40 Millionen Euro kostete, ohne den Produktionsausfall der Kraftwerke gerechnet.

© SZ vom 24.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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