Freimann:"Kein Dingerle ohne Fingerle"

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Eine Ausstellung folgt den Spuren des langjährigen, höchst respektierten Stadtschulrats

Von Thomas Kronewiter, Freimann

So schlicht und geradlinig wie seine Ernennungsurkunde vom 1. August 1945 muss man sich wohl den ganzen Mann vorstellen. Einen passionierten Lehrer und Pädagogen, einen nach jahrzehntelanger Tätigkeit versierten Verwaltungsfachmann, einen pfiffigen Politiker - wenn auch ohne jeden Ehrgeiz, die späte CSU-Parteimitgliedschaft für eine wie auch immer geartete Karriere zu nutzen.

Anton Fingerle war vielmehr ein Mann voller Überzeugungen, die er mit offenem Visier zu vertreten wusste - ganz gleich, ob es um die Bedeutung des Schwimmunterrichts im Vergleich zum Rechenunterricht ging, um die Übertragung der amerikanischen Jugendfreizeitheime in deutsche Trägerschaft, um die Erziehung von jungen Demokraten nach dem bedrückenden NS-Unrechtsregime, oder um die Frage, ob denn das von der Militärregierung angetragene Amt des Stadtschulrats überhaupt so recht in seinem, des Lehrers Sinne wäre.

Anton Fingerle, Münchens Stadtschulrat von 1945 bis 1976, war aber auch Vater von fünf Töchtern - und einer dieser fünf, Brigitte Fingerle-Trischler, ist es jetzt zu verdanken, dass die 2012 aus Anlass des 100. Geburtstags bereits gezeigte Schau nun auch in der Freimanner Mohr-Villa zu sehen ist, Vernissage war am Donnerstag. Ergänzt ist die Ausstellung um das eine oder andere Freimanner Kapitel, schließlich ist Fingerle-Trischler nicht nur Freimannerin wie ihr berühmter Vater, sondern auch die Vorsitzende des Mohr-Villa-Vereins und die Betreuerin des Freimanner Stadtteilarchivs.

Einer der prägendsten Stadtschulräte war Anton Fingerle, ein Mann voller Überzeugungen und mit Familiensinn. (Foto: privat)

Sie erinnert sich an einen Vater, der seinen zahlreichen Pflichten stets nachzukommen versuchte. Der immer wieder in seiner Bibliothek mit den 30 000 Bänden verschwand, um einen Brief zu schreiben, eine Rede vorzubereiten oder Akten zu studieren. Und das mitunter auch, während im Freimanner Fingerle-Heim gerade ein Hausfasching stattfand. Wurde er in der Familie gebraucht, war er aber zur Stelle, etwa als die Tochter in ihrer Schulzeit auf einen Mathelehrer mit durchweg schwierigen Hausaufgaben stieß. "Dann haben wir bis in die Nacht geknobelt, er und ich." Und hatte er ein Sportfest mit seiner Anwesenheit zu beehren, nahm er die Töchter kurzerhand mit.

Der nach Georg Kerschensteiner wohl prägendste Münchner Stadtschulrat hinterließ auf vielen Feldern seine Fußspuren. In seinen ersten Amtsjahren besorgte er im zerbombten München rastlos Schulräume, er beteiligte sich mit Oberbürgermeister Thomas Wimmer selbst am Ramadama, er packte an, wenn es ihm nötig schien, auch außerhalb seiner Aufgaben als Beamter, gerade wenn es um die Jugend ging. So brachte er den Kreisjugendring München-Stadt auf den Weg und hielt ihm jahrzehntelang die Treue. "Kein Dingerle ohne Fingerle." Das geflügelte Wort, das OB Hans-Jochen Vogel prägte, kursierte im ganzen Rathaus. Und Gegner von Fingerle-Vorhaben hielten die Luft an, wenn er mit dem Spruch "Darf i amoi was sag'n" zu einer seiner Reden anhob.

Zum 100. Geburtstag erinnert Tochter Brigitte Fingerle-Trischler (rechts) an Stadtschulrat Anton Fingerle mit einer Ausstellung. (Foto: Robert Haas)

Dabei war er nie abgehoben, vielmehr regelrecht leutselig und bescheiden. Wenn er eine Gelegenheit zum Tanzen bekam, ließ er sie selten ungenutzt. Seine Belesenheit und die humanistische Bildung waren dabei stadtbekannt und Anlass für zahlreiche Karikaturen - wie etwa die Zeichnung der einsturzgefährdeten Bücherberge, die die Töchter einmal sogar zu einem Warnschild an der heimischen Bibliothekstür veranlassten.

Den 31 Jahren als Stadtschulrat konnte er die lange aufgeschobene Universitätskarriere nicht mehr folgen lassen. Nur wenige Monate nach seiner Pensionierung brach Professor Anton Fingerle im November 1976 auf dem Weg zu seiner Vorlesung zusammen.

Die Ausstellung "Anton Fingerle - ein Leben für die Münchner Jugend" ist bis 26. November jeweils mittwochs und donnerstags von 11 bis 15 Uhr sowie nach Verabredung geöffnet. Am eigentlichen Todestag, 12. November, wird die Ausstellung außer der Reihe von 15 bis 17 Uhr geöffnet.

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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