Freimann:Für den sozialen Frieden

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Guter Platz: Im "Elterncafé" des Heidetreffs in Freimann fühlen sich auch die Kleinen sichtlich wohl. (Foto: Robert Haas)

Das Jugendamt arbeitet an einem Konzept für die 26 Münchner Familienzentren in den Stadtvierteln, das die Vernetzung mit anderen Einrichtungen verbessern soll. Als Vorzeigeprojekt gilt der Heidetreff in Freimann

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Die junge Frau mit dem grünen Kopftuch hält das Mikrofon fest umklammert. Sie ist etwas nervös - aber nicht deshalb, weil sie Hemmungen hat, vor den 50 Besuchern zu sprechen. Die junge Afghanin wartet schon lange auf diesen Moment, und das sagt sie auch so ins Mikrofon. Es ist der Moment für die Mutter von vier Kindern, seit drei Jahren Anwohnerin in der Siedlung Freimanner Heide, ihr inniges Zutrauen zum Heidetreff rauszulassen. "Ohne den Heidetreff hätten wir unser Leben nicht aufbauen können", sagt sie.

Laut und lang klatschen die Gäste. Es herrscht Hochstimmung beim Eröffnungstermin für das Heidetreff-Familienzentrum in Freimann. Einige Stadträte sind gekommen, dazu ein Tross vom Jugendamt, viele Anwohner sowie Vertreter des Trägers, dem Verein Kinderschutz München. Die Worte der jungen Afghanin nehmen Politik und Behörde als Beweis, dass die Entscheidung goldrichtig war, diese Einrichtung zu etablieren. Und vor allem bestärkt es das Jugendamt in seinem Vorhaben, dieses und auch die anderen 25 Familienzentren im Stadtgebiet zu sichern. Es geht dabei um ein umfassendes Zukunftskonzept, wie die bestehenden Einrichtungen erhalten und wo neue entstehen sollen. "Es geht um ein stringentes Konzept, das politisch gut vermittelbar ist", sagt der kommissarische Leiter des Jugendamtes, Markus Schön, am Stehtisch im Heidetreff.

Mit gut vermittelbar dürfte gemeint sein: Das Konzept muss in den Sparhaushalt integrierbar sein, der München nun wohl bald blüht. Im städtischen Etat klafft ein riesiges Loch, alle Ausgaben kommen auf den Prüfstand. Doch Jugendamtschef Schön lässt durchblicken, dass Geiz bei den Anwohnertreffs der Stadt ins eigene Fleisch schneiden würde: "Man kann sehr viel Geld sparen, wenn wir Familien rechtzeitig helfen. Denn wenn wir es nicht tun, müssen sie teure soziale Pflichtleitungen in Anspruch nehmen."

Am politischen Willen wird es kaum haken. Erst im Juli hat der Stadtrat für nahezu alle Nachbarschaftstreffs eine Stellenaufstockung beschlossen. "Es braucht die Fortführung der quartiersbezogenen Bewohnerarbeit, um den sozialen Frieden im Quartier nicht zu gefährden", so der dringende Appell in der damaligen Beschlussvorlage des Sozialreferates. Die Familienzentren sind ein Teil dieses niederschwelligen Angebotes, das vor allem sozial schwachen Eltern und ihren Kindern helfen soll, sich im Viertel zu integrieren. In Freimann gibt es also nun zwei Anlaufstellen: den bestehenden Heidetreff und das Familienzentrum. Dabei zeigt sich, wie unentbehrlich dieses neue Angebot schon nach kurzer Zeit sein kann.

"Die Leute haben uns von Anfang an die Bude eingerannt", berichtet die Leiterin Nina Diemer. Im "Elterncafé" - einem großen Raum mit Spielecke, Tischen und einer Küche mit Theke - tummelten sich seit Ende Juli an Spitzentagen bis zu 50 Mütter mit ihren Kindern. Nina Diemer erzählt vom dringendem Bedürfnis der Anwohner, sich auszutauschen und sich soziale Beratung zu holen: "Wir sind für die ein sicherer Hafen."

Das Quartier um den Carl-Orff-Bogen gilt als Brennpunktsiedlung; der Ausländeranteil liegt bei 52 Prozent, 20,5 Prozent der hiesigen Bevölkerung sind unter 18 Jahre alt, die Flüchtlingsunterkunft in der Bayernkaserne ist nicht weit weg. "Es war höchste Zeit, dass dieses Familienzentrum hier her kommt", sagt Stadträtin Jutta Koller (Grüne). Und sie betont, wie wichtig ein Gesamtkonzept für alle Familienzentren in der Stadt sei.

Jugendamtsleiter Schön zufolge wird jetzt der Bedarf in den Stadtbezirken ermittelt. Dabei werde eruiert, wo neue Einrichtungen nötig sind und welche Formen der Zusammenarbeit mit den Nachbarschaftstreffs und den Seniorenheimen möglich sind. Dabei sollen die Beratungsangebote für die jeweiligen Ansprüche zugeschnitten sein. "Es geht dabei nicht um Einsparungen im Bestand", stellt er klar. Das Konzept soll im Sommer 2016 fertig sein.

Klar ist jedoch, dass Freimanner Familien jetzt eine großzügig ausgestattete Anlaufstelle haben. 300 000 Euro hat die Stadt laut Jugendamt in den Ausbau von 400 Quadratmeter Fläche investiert. Im Erdgeschoss gibt es das "Elterncafé", ein Beratungszimmer, einen Raum für Bildungsangebote, dazu zwei Büros. Im Keller wurde auf 80 Quadratmeter eine Art Mehrzweckhalle für Turn- und Tanzkurse eingerichtet; es gibt eine Bühne für Aufführungen, zudem eine Kletterwand. Vier Mitarbeiter teilen sich zwei Vollzeitstellen. "Wir glauben, dass wir damit über die Grenzen Münchens hinaus in der Fachwelt Anerkennung finden werden", sagt der Vorstand von Kinderschutz München, Rüdiger Kiefer, bei der Eröffnung.

Die Anerkennung der jungen afghanischen Frau ist ihm schon jetzt sicher. "Als Ausländerin bin ich sehr begeistert", sagt sie.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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