Freimann:Arena des Argwohns

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Seit zehn Jahren dringen Bürger und Stadtviertelpolitiker auf eine Lösung des Verkehrsproblems im Umfeld des Fröttmaninger Stadions - nun wird der Ruf nach einem "Anwohnerschutzkonzept" immer lauter

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Als die Bundesliga-Saison Ende Mai vorbei war, ging beim FC Bayern das Jubeln erst so richtig los. Die Meisterfeier war über die Bühne gegangen, es galt nun der Spielstätte zu huldigen: Der Verein sandte eine juchzende Pressemitteilung zum zehnjährigen Geburtstag der Allianz-Arena in die Welt. Ein Stadion der Superlative sei es, war da zu lesen. 24 Millionen Zuschauer, 470 Spiele. "Die Arena ist ein Ort der großen Gefühle", ließ sich Bernd Heinemann, Vorstandsmitglied der Allianz Deutschland, zitieren. Im südlich angrenzenden Wohngebiet Kieferngarten hegen viele Bürger an Spieltagen allerdings große Hassgefühle für das Stadion.

Seit das ufoartige Bauwerk besteht, klagen sie über regelmäßiges Verkehrschaos, von einer "Parkplatz-Such-Rallye" war schon die Rede. Geändert hat sich daran wenig, nur die Zahl der Zuschauer ist gewachsen - ebenso wie der Groll der Anwohner. Nun richten die Menschen im Viertel im Verbund mit der Lokalpolitik erneut einen dringenden Appell an die Stadt, eine Lösung zu finden.

Der Bezirksausschuss fordert die Stadt auf, ein "Anwohnerschutzkonzept" zu entwickeln und dieses mit dem FC Bayern umzusetzen. Zudem dringt das Gremium zum wiederholten Mal darauf, die Stadion-Erweiterung auf 75 000 Plätze nicht dauerhaft zu genehmigen.

Schon nach den ersten Spielen in der Allianz-Arena kochten im Juli 2005 die Emotionen bei der Bürgerversammlung hoch. Die Fußballfans, so klagte damals der Vorsitzende der Siedlerschaft Kieferngarten, Walter Hilger, parkten rücksichtlos alle Straßenzüge zu. 200 Anwohner votierten für ein restriktives Durchfahrtsverbot sowie eine stärkere Überwachung durch die Polizei. Zehn Jahre später sind die Probleme, die Forderungen - und sogar der Wortführer - die gleichen geblieben. "Der Parksuchverkehr steigert sich bis zu einer Ekstase bei Spielbeginn", polterte Walter Hilger jetzt in der Sitzung des Bezirksausschusses. Seit die Zuschauerränge um knapp 4000 Plätze aufgestockt wurden, hat sich der Parkdruck nach seiner Beobachtung noch einmal gesteigert. Viele würden ihr Auto am Gehsteig abstellen. "Und dann raus aus dem Auto und durch die Gartenzäune gebieselt", zürnte Hilger.

Er und seine Mitstreiter vom Siedler-Verein haben in der abgelaufenen Spielsaison akribisch die parkenden Autos gezählt und legen nun eine Art privates Gegengutachten zu jener Verkehrserhebung vor, welche die Stadt als Grundlage für die Genehmigung der Stadion-Erweiterung nahm. Die Profi-Expertise kommt zu dem Schluss, dass die Belastung für das Umfeld verträglich abgewickelt werden kann. Die Expertenstudie geht von insgesamt 900 Fahrzeuge aus, die während eines Fußballspiels im kompletten Siedlungsraum parken. Doch die Siedlerschaft hat am 12. Mai beim Champions-League-Spiel 604 parkende Autos allein in Kieferngarten Nord gezählt - 259 seien es am 19. Mai gewesen, einem spielfreien Tag. Hilger und Kollegen wollen zudem 270 Wagen registriert haben, die ordnungswidrig abgestellt waren. Indes: Die Profi-Gutachter hatten der Stadt durchaus ein "Anwohnerschutzkonzept" dargelegt - und diese Vorschläge wollen Anwohner und Stadtviertelvertreter jetzt umgesetzt haben. In dem Papier des TÜV Rheinland werden etwa Absperrungen an acht Straßen-Knotenpunkten in der Auensiedlung, Kleinlappen, Kieferngarten und Haidpark genannt. Anlieger sollen einen exklusive Durchfahrtserlaubnis vom Kreisverwaltungsreferat erhalten, dazu werden Schilder mit der Aufschrift "Zufahrt nur mit Berechtigungsausweis" an Spieltagen aufgestellt.

In der Sitzung wurde deutlich, dass sich die Anwohner vor allem mehr Polizeipräsenz wünschen, um die Situation zu entzerren. Doch der anwesende Beamte von der Milbertshofener Inspektion winkte ab. "Egal, wie viele Streifenwagen wir da reinbuttern, wir werden das nicht in den Griff bekommen." Er machte deutlich, es gebe derzeit keinerlei Rechtsgrundlage für Absperrungen. "Die Leute dürfen in die Kiefergarten hineinfahren, egal woher sie kommen", sagte er. Der Bezirksausschuss-Vorsitzende Werner Lederer-Piloty sieht im Gespräch mit der SZ ohnehin die Stadt in der Pflicht. "Es ist ein krasses Versagen der Verwaltung, dass sie in zehn Jahren keine Lösung zustande gebracht hat", sagt er. Sein Vorschlag: Die Stadt soll einen Workshop mit Bürgern, Polizei, Verkehrsexperten und Juristen abhalten, um gemeinsam ein Konzept zu entwickeln.

Im Planungsreferat heißt es, die Prüfung für ein Parklizenzgebiet laufe. Doch eine Durchsetzung sei wegen gesetzlicher Vorgaben der Straßenverkehrsordnung schwierig, sagt ein Sprecher. "Die Spiele gelten als temporäre Ereignisse. Doch die Einführung ist nur möglich bei einem Parkdruck mit gewisser Regelmäßigkeit."

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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