Forschung:So könnte Münchens Verkehr in der Zukunft aussehen

Lesezeit: 4 min

Seilbahnen, Roboter-Taxis und mehr Platz für Radler: Verkehrsprofessor Klaus Bogenberger hofft, dass die Stadt sich mehr traut.

Von Frank Müller

Das könnte jetzt ein cooler Moment werden. Der Verkehrsprofessor steht am ausladenden Eingang der BMW-Welt am Olympiapark und geht Richtung Süd-Ost-Ecke des Areals. Dort steht, im Schatten des sensationellen Großbauwerks, eine sehr viel weniger beachtete Zapfsäule, pardon: Elektroladesäule. Auch sie hat immerhin 50 000 Euro gekostet, ihr Dach sieht ein wenig aus wie eine BMW-Welt in klein. Professor Klaus Bogenberger ist stolz auf die Säule, weil sie den Auftakt zu einem Projekt markierte. Wie man mit dem Elektroauto mit möglichst kurzen Ladezeiten die Strecke von München nach Leipzig schafft.

Doch gerade jetzt klebt an dem High-Tech-Wunder ein Zettel: "Außer Betrieb", steht dort. "Die Instandsetzung wurde bereits beauftragt." Klaus Bogenberger, 47, ist keiner, der sich schnell entmutigen lässt. Er setzt sein Lächeln auf, schnappt sich den Ladestecker am Kabel und hält ihn dem Fotografen wie eine Pistole vor die Linse. Die Zukunft kommt, auch wenn sie mal kurz Ladehemmung haben sollte.

Nahverkehr
:MVV verkündet Jahr der Rekorde

Der Verkehrsverbund nimmt mehr ein - und kündigt bessere Fahrauskünfte an. Doch ein Großprojekt wirft seinen Schatten schon voraus.

Von Charles Nouledo

Durchstarten, aber dabei einen ganz langen Atem haben, das könnte das Motto im Berufsleben von Klaus Bogenberger sein. Wann immer im Münchner Verkehrsgeschehen etwas vorangeht oder auch stockt, ist der Lehrstuhlinhaber an der Neubiberger Bundeswehr-Uni mit hoher Wahrscheinlichkeit beteiligt. Bogenberger und seine Leute erforschen Staus, fördern Stromautos, experimentieren mit der Idee, Seilbahnen in den öffentlichen Nahverkehr zu integrieren, und lassen UPS-Lieferanten die Päckchen neuerdings auf Lastenfahrrädern ausfahren. Alles natürlich immer in Kooperation mit anderen Einrichtungen.

Und weil Bogenberger keiner aus der verhärmten Fraktion entrechteter Kampfradler ist, sondern ein lebenslustiger Typ aus Vilshofen, den es nun nach Gmund an den Tegernsee verschlagen hat, vermittelt er den Eindruck, es gebe keine lustigere und befriedigendere Mission, als die, Münchner Verkehrsprobleme zu lösen. Immer auf dem Sprung, immer gute Laune, immer ein gefragter Partner. Sein neuestes Steckenpferd sind die Seilbahnen. "Warum nicht mal etwas ausprobieren", fragt er. "Wir geben so viel Geld für Zeug aus."

Und überhaupt, was heißt schon Verkehrsprobleme? Wenn Bogenberger Vorträge hält, dann beginnt er sie mit ein paar Bildern aus Los Angeles. Dort nämlich gebe es echtes Chaos. "So schlimm ist es in München wirklich nicht." Statt Panik zu machen, erklärt er lieber im Hörsaal auch mal Kindern, wie ein Stau entsteht. Er hängt ihnen Hula-Hoop-Reifen um, lässt sie in einer Reihe laufen und hält vorne plötzlich eines an. Dann wird es hinten eng, und die Kleinen verstehen, warum es bei der Urlaubsreise auch mal länger dauert.

Es ist die Mischung aus kleiner, mitunter spielerischer Arbeit im Detail und dem Einsatz fürs große Ganze, bei dem der Professor recht entschlossen wird. Wir stehen am Olympiapark auf einer der Brücken über den Mittleren Ring und schauen den Autos nach. Bogenberger denkt gerade an den Dieselstreit und daran, dass viele eine blaue Plakette am Auto als Antwort auf das Stickoxidproblem wollen. Er schüttelt den Kopf. "Das ist doch sehr schade, dass man in Zeiten des Smartphones über Aufkleber redet."

Was eine Stadt wie München eigentlich brauche, um den ständig steigenden Verkehr zu bewältigen, seien intelligente Zugangssysteme, mit modernster Technik mutig und dynamisch gestaltet. "Eine Citymaut", Bogenberger spricht das Reizwort aus, die Steuerung der Zufahrt in die Stadt über ein Bezahlsystem also. Bogenberger glaubt nicht, dass sie einen Aufstand auslösen würde. "Der Münchner versteht das, wenn man ihm sagt: Sorry, es fehlt uns einfach der Platz."

Bogenberger schaut noch immer auf den Ring, der Verkehr fließt gerade gar nicht so schlecht. Aber wir haben auch nicht Berufsverkehrszeit, sondern elf Uhr vormittags. Er sieht nach hinten Richtung Osten, wo die Autos in zwei Spuren aus dem Tunnel schießen. Er blickt nach Westen, wo am Ende des Olympiaparks der Ring in einer Ausfahrt nach rechts auf eine Spur zusammengeführt wird, um dann in der Landshuter Allee zu münden. "Da brauchen Sie kein Verkehrsforscher sein, um zu wissen, dass das Stau gibt." Dieser Ecke hat Bogenberger im Jahr 2001 seine Dissertation gewidmet. Er schlug eine ganz kurz getaktete Ampel vor, die den auf eine Spur verengten Verkehr in einer Art Zwangs-Reißverschluss organisiert. Daraus wurde an dieser Stelle nichts, der Stau blieb. Aber in Riem hat man Bogenbergers Idee umgesetzt.

"Der Mut zu harten Maßnahmen", der fehlt ihm manchmal in der Stadt, bei aller guten Laune. Besondere Fahrspuren für Fahrgemeinschaften, eigens freigehaltene Straßen für die Radler und dabei getrennt von den Hauptverkehrsrouten für die Autos, das sind die Ideen, die er gerne umgesetzt sähe. Dabei ist Bogenberger keiner, der das Auto verteufelt, schon deshalb nicht, weil er acht Jahre bei BMW war.

Den Südring würde er komplett im Tunnel führen - dann würde keiner etwas davon merken

Wenn er am Tegernsee unterwegs ist, fährt er auch kein Elektroauto, sondern einen SUV. Und wenn er von harten Maßnahmen spricht, kann davon der Straßenverkehr durchaus profitieren. Dass es in München keinen geschlossenen Autobahnring gibt, versteht Bogenberger überhaupt nicht. Ganz besonders stößt ihm auf, dass der Freistaat das Projekt beim Bund nicht einmal anmelden will. "Das ist eigentlich ein Unding." Der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer selbst hatte das zuletzt verhindert, um die Bevölkerung im Süden der Stadt nicht zu vergraulen. "Dabei könnte man den Ring komplett im Tunnel führen, dann merken Sie davon überhaupt nichts."

Viel Energie stecken der Professor und sein Lehrstuhl gerade in die Zukunft des Berufsverkehrs. Sie untersuchen, wie es sich machen ließe, dass eine riesige Flotte autonom fahrender Roboter-Taxis am Morgen Menschen nacheinander zuhause abholt, zu ihren Arbeitsplätzen fährt und abends wieder nach Hause bringt. München hätte dann vielleicht zehn-, zwanzigtausend solcher elektrischer Vehikel auf den Straßen, die, weil vollbesetzt, den Verkehr entlasten - und vielleicht wirklich Menschen dazu bringen, auf das Auto zu verzichten. Zukunftsmusik, natürlich, das weiß auch Professor Bogenberger. Bisher gebe es Carsharing in der Stadt ja nur "in homöopathischen Dosen".

Mobilität in der Stadt
:Wie lassen sich Autos optimal nutzen?

Die meisten Fahrzeuge stehen 23 Stunden am Tag ungenutzt am Straßenrand. Münchner Entwickler arbeiten an einem elektrischen Kleinwagen, der alles gleichzeitig sein soll: E-Taxi, Liefer- und Carsharing-Auto.

Von Andreas Schubert

Bogenbergers München, das wäre eine elektrisch angetriebene Stadt, eine mit viel moderner Technik und gleichzeitig viel Platz für die Fahrräder. Und natürlich, das ist unvermeidlich bei diesem erstaunlichen Mann, immer mit guter Laune.

© SZ vom 26.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: