Wer mit einem ganz normalen Auto in der Stadt unterwegs ist, fährt schon verdammt viel Luft durch die Gegend - zumal, wenn sie oder er alleine unterwegs ist. Wer ein ganz normales Auto besitzt, stellt sein Potenzial, verdammt viel Luft durch die Gegend zu fahren, meistens auch 23 Stunden ungenutzt in der Garage oder am Straßenrand ab. Und wer eines von rund 700 000 in München gemeldeten Autos irgendwo abstellt, beansprucht in der flächenmäßig begrenzten Stadt auch verhältnismäßig viel Fläche. Mit der Zahl der Einwohner ist in den vergangenen Jahren auch die Zahl der Autos in München gewachsen, entsprechend voll sind die Straßen.
Dem entgegenzuwirken, dazu gibt es verschiedene Ansätze. Einer der wichtigsten ist, die Zahl der Autos insgesamt wieder zu reduzieren, indem man Alternativen schafft. Damit beschäftigt sich das Projekt "Adaptive City Mobility" (ACM), an dem etwa ein Dutzend Projektpartner seit rund sechs Jahren arbeiten. Die Idee ist, ein kleines und leichtes Elektroauto zu bauen, das gerade mal Platz für drei Personen bietet, vorne ein Fahrer, hinten zwei Passagiere, und ausreichend Platz für Gepäck.
Elektrische Kleinwagen sind heute an sich keine revolutionäre Idee mehr. Doch der Ansatz beim ACM ist ein bisschen anders. Das Auto soll vor allem als Carsharing-Fahrzeug dienen und so möglichst optimal ausgelastet werden. Nun ist auch Carsharing überhaupt nichts Neues. Das ACM soll aber einen Schritt weitergehen. Es soll irgendwann als E-Taxi zum Einsatz kommen, aber auch für andere Bereiche genutzt werden: als Lieferfahrzeug für Logistik-Unternehmen beispielsweise und als Carsharing-Auto für private Nutzer.
Dazu soll die Benutzeroberfläche des Fahrzeugs, wenn sich irgendwann ein Betreiber für das Konzept finden sollte, jeweils ohne großen Aufwand umgestaltet werden können. Und bei dem Ganzen spielt die Steuerungssoftware eine zentrale Rolle.
An der Steuerung arbeiten sie beim Fraunhofer-Institut für Eingebettete Systeme und Kommunikationstechnik ESK. Die Software-Entwicklerin Dominique Seydel ist Teil des ACM-Teams und kümmert sich um die IKT-Architektur. Das Kürzel IKT steht für Informations- und Kommunikationstechnik, und der Begriff deutet schon an, dass so ein Auto ziemlich viel können muss. Weil die Forscher keinen etablierten Autokonzern hinter sich haben, ging die Entwicklung des neuen Fahrzeugs bei null los.
Die Sicherheit spielt eine wichtige Rolle
Zu lösen war nicht nur, wie sich so ein Fahrzeug optimal nutzen lässt, etwa über eine Steuerung per App, sondern auch die Sicherheit spielte bei der Entwicklung eine große Rolle. Dominique Seydel demonstriert dies an einem Modell, das in den Räumen des ESK steht. In dem Modell sind zwei Steuerungsmodule eingebaut, eines davon ist für sicherheitsrelevante Funktionen wie das Bremsen zuständig, das andere steuert etwa die Bodenbeleuchtung. Wenn nun das Modul, das die Bremsen befehligt, aus irgendeinem Grund ausfallen sollte, muss das andere sofort die Funktion des kaputten übernehmen, ohne dass es der Fahrer merkt. Klingt simpel, aber dahinter steckt einiges an Entwicklungsarbeit.
Wenn das Auto mal rollen sollte, wird es voraussichtlich zirka 90 Stundenkilometer schnell sein, 550 Kilo wiegen und mit seinen acht Akkus etwa eine Reichweite von 300 Kilometern schaffen. Das Besondere an den Batterien ist, dass sie gewechselt werden können, anders als bei den marktüblichen E-Autos. An Wechselstationen könnten die Nutzer dann sich "frische" Akkus holen, so die Vorstellung der Entwickler.
Das Auto wird in der Oberpfalz gebaut
Das Design des ACM-Autos stammt vom renommierten Münchner Designer Peter Naumann, aufgebaut wird es von der Firma Roding-Automobile in Roding in der Oberpfalz. Schon im Herbst dieses Jahres, so verspricht Dominique Seydel, soll das ACM-Auto seine Straßenzulassung erhalten, dann kann es im Realbetrieb getestet werden, zunächst in den Quartieren Domagkpark und Parkstadt Schwabing, wo im Zuge des EU-Projekts Civitas Eccentric neue Formen der urbanen Mobilität erprobt werden.
Dort soll der ACM-Mini in das bestehende Angebot lokaler Mobilitätsstationen integriert werden und für Bewohner und Nutzer verfügbar sein. Dort, im Norden der Stadt, geht es darum, den Parkraumdruck zu reduzieren und hohes Verkehrsaufkommen zu verhindern, indem jeder die Möglichkeit haben soll, auf ein privates Autos zu verzichten. Ziel ist ein integriertes Mobilitätskonzept, das aus der Kombination von Carsharing, Bikesharing und der klassischen Erschließung durch den öffentlichen Nahverkehr ergänzt wird.
Acht Fahrzeuge sollen zunächst in München getestet werden. Weder der Luft noch der Lebensqualität würde es schaden, sollte es irgendwann mehr davon geben.