Feldmoching:Es nimmt kein Ende

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Unendliche Geschichte: Zu den Wort- und Beschwerdeführern der vom Hochwasser Geschädigten gehört seit vielen Jahren Rolf Deska (links). (Foto: Catherina Hess)

Wegen des seit Jahren schwelenden Ärgers rund um den Nordwest-Sammelkanal soll nun ein unabhängiges Institut ein drittes Gutachten erstellen. Die Anwohner misstrauen der laufenden Sanierung

Von Simon Schramm, Feldmoching

Im Streit um die Feldmochinger Grundwasser-Affäre und die laufende Sanierung des Nordwest-Sammelkanals kehrt nach wie vor keine Ruhe ein. Offen ist immer noch, ob die Bewohner nach den Überschwemmungen ihrer Keller Schadensersatz bekommen. Zudem bezweifeln die Anwohner, ob die derzeitigen Maßnahmen am Kanal ihr Ziel erreichen und die Umströmbarkeit des Kanals herstellen; die Münchner Stadtentwässerung (MSE) dagegen hält ihre Pläne für geeignet. Nach derzeitigen Vorhaben soll der aktuelle Sanierungsabschnitt am Eishüttenweg etwa im Herbst beendet sein. Die MSE möchte nach der Sommerpause mit den Anwohnern in Kontakt treten, auf deren Grundstücken sich die Düker befinden, die als nächstes saniert werden müssen.

Die zunehmende Zermürbung der Bewohner über den schleppenden Fortschritt brachte die Landtagsabgeordnete Mechthilde Wittmann (CSU) auf den Punkt, als sie bei einem Ortstermin sagte: "Wie viele Schleifen wollen wir noch drehen?" Anlass für den Termin an der Baustelle am Eishüttenweg war eine Petition, die die Bewohner im vergangenen Jahr einbrachten, um sich in der Diskussion mit der Stadtentwässerung Unterstützung vom Bayerischen Landtag zu holen. Der Landtag hat die Petition bereits gewürdigt, ihre Umsetzung soll wahrscheinlich im Herbst im Umweltausschuss besprochen werden.

Die Mängel beim Bau des Nordwest-Sammelkanals sorgen bei den Bewohnern des Ortsteil Unter Mühle seit einigen Jahren für Verzweiflung und konstanter Angst vor nassen Kellern. Der Nordwest-Kanal wurde Anfang der Neunzigerjahre gebaut und hatte mehr als 200 Millionen Euro gekostet. Er dient dazu, dass bei Starkregen Abwasser zurückgehalten wird und beispielsweise nicht in die Isar fließt, sondern in die Kläranlage Marienhof bei Eching. Ein Gutachten der TU München hat bestätigt, dass beim Bau des Kanals Fehler gemacht wurden. Das Grundwasser kann den Kanal nicht richtig umströmen, da das Material rund um den Kanal nicht genügend durchlässig ist. Dazu tragen unter anderem zurückgelassener Bauschutt und Material-Injektionen bei, die während des Baus in den Boden eingespritzt wurden, damit kein Grundwasser in den Bau gelangt. Auch eine Schicht von Auflastbeton auf dem Kanal blockiert den Grundwasserstrom. Liegen gelassene Spund- und Bohrpfahlwände beeinträchtigen das mangelnde Dükerrohr-System des Kanals. Düker dienen dazu, das Grundwasser um den Kanal zu leiten.

Wegen all dieser Faktoren wirkt der Kanal wie ein Damm, vor dem sich das Grundwasser bei Starkregen erheblich staut. Die Anwohner erlebten während des Hochwasser 2010 massive Überschwemmungen in ihren Kellern. Daraufhin recherchierten die Bewohner die Geschichte des Bauwerkes und entdeckten die genannten Ungereimtheiten. Seitdem entwickelt sich der Fall auf zwei Wegen weiter.

Zum einen kämpfen die Bewohner um eine Entschädigung. Denn auch wenn die Stadt Fehler eingeräumt hat, möchte ihr Versicherungsgeber, die Allianz, nicht für die Schäden aufkommen und beruft sich auf das Argument, die Häuser seien zu tief gebaut worden. Auf Initiative des Stadtrates könnte die Stadt freiwillig eine Entschädigung zahlen. Beim Ortstermin zur Petition bemerkte der Leiter der Abteilung Umweltschutz beim Referat für Umwelt und Gesundheit, Rudolf Fuchs, dass dies noch geprüft werde und das Ergebnis im Herbst zu erwarten sei.

Zum anderen saniert die Stadtentwässerung den Kanal seit Mai 2013. Um die übermäßige Wasseraufstauung zu verhindern, werden die Dükerrohre verbessert oder neue eingebaut und der Auflastbeton abgetragen. Die Vertreter der Stadtverwaltung betonten während des Ortstermins, dass mit diesen Maßnahmen die notwendige Absenkung auf den zulässigen Stauwert von maximal 25 Zentimeter erreicht werde. Abteilungsleiter Rudolf Fuchs kündigte ein Monitoring an, die Wirksamkeit der fertigen Sanierungsmaßnahmen soll also beobachtet und kontrolliert werden.

Dennoch misstrauen einige Bewohner den Sanierungsmaßnahmen. Weshalb werde zunächst der Abschnitt am Eishüttenweg saniert, fragte ein Bewohner. Ein TU-Gutachten habe ergeben, dass die Staufälle am Eishüttenweg besonders hoch seien, so die Antwort von Robert Brenner, Leiter der Abteilung Kanalbau. Gefragt wurde auch, warum Messungen immer noch zu hohe Pegel auf Höhe eines bereits sanierten Abschnitts in der Heppstraße, an dem der Auflastbeton abgetragen wurde, anzeigen. Die Sanierung an diesen Abschnitt sei noch nicht beendet, sagte Kanalbauleiter Brenner, dort müssten noch die Düker erneuert werden. Wegen kurzzeitig erhöhter pH-Werte vermutet ein Bewohner, dass sich beim Erstellen der Bohrpfähle am Eishüttenweg Zement abgelagert hat, der den Boden im Umkreis von rund 100 Metern verstopft und so der Wasserzufluss zu den neuen, rund 30 Meter langen Dükerzuflussrohren erneut blockiert werde. Laut Kanalbauleiter Brenner treten erhöhten pH-Werte bei solchen Maßnahmen kurzzeitig auf, die Länge von 30 Metern reiche aber aus, das neue Dükersystem werde sicher funktionieren.

Angesprochen wurde auch die mögliche Altlasten-Belastung des Bodens durch Bauschutt. Ein Anwohner hatte bei einem Büro eine Bodenprobe in Auftrag gegeben, die erhöhte Kohlenwasserstoff-Werte ergab. Anders das Ergebnis der TU für die Stadtentwässerung: "Es gibt keinen Anlass zur Grundwasserverunreinigung", sagte Rudolf Fuchs. Das Resultat des Ortstermins: Nun soll ein unabhängiges Institut ein drittes Gutachten erstellen.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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